Die Stille ist mein Freund und mein Feind. Sie ist Krankheit und Heilung. Rettung und Verdammnis. Hoffnung und Verzweiflung.
Ich habe diesen Weg freiwillig gewählt und irgendwie auch nicht. Tatsache ist, dass ich es einfach nicht mehr kann. Kein Wort verlässt meinen Mund mehr. Kein Ton kommt über meine Lippen. Ich kann einfach nicht mehr reden. Finde die Worte nicht.
Un ich werde mich nicht selbst belügen. Ich will es auch gar nicht.
Es ist nicht so, dass ich stumm zur Welt gekommen bin. Das bin ich nicht. Ich hatte auch keinen Unfall, wo meine Stimmbänder verletzt wurden. Ich hatte auch kein traumatisches Erlebnis, was mir meine Stimme raubte. Nein. Nichts von all dem.
Es war ein normaler Morgen. Wie immer. Aufstehen, anziehen, Bad, Essen einpacken und danb zur Schule. Ich habe nichts bemerkt. Ich habe generell schon wenig gesprochen und noch seltner mich gemeldet. Unsichtbar.
Ich wollte, ich will unsichtbar sein. Und gleichzeitig wünsch ich mir nichts sehnlicher als gesehen zu werden. Verstanden.
Jedenfalls wurde ich dann im Unterricht aufgefordert zu antworten.
Es waren gefühlt alle Blicke auf mir. Und ich spürte wie Hitze durch meinen Körper schoss. Wie die Angst ihre Krallen in mich schlug. Ich öffnete meinen Mund und ich versuchte es, dass musst du mir glauben. Aber es kam einfach nichts. Ich wusste die Antwort, aber es kam einfach nichts. Mein Mund klappte wieder zu und dann wieder auf und wieder zu. Wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Anfangs dachte ich mir nichts dabei. Das passiert mir schon mal, wenn die Angst zu groß war. Aber die Sprachlosigkeit hielt an. Auch zu Hause oder bei meiner besten Freundin, bei Audios über meine Erlebnisse. Ich konnte einfach kein Wort mehr sagen.
Ich erinner mich an die Schreie meiner Familie. "Rede mit uns! Verdammt nochmal, sag was! Oh bitte irgendwas"
Ich höre ihre Wehklagen und ihre Verzweiflung. Ihr Flehen und weinen. Ich spüre die Schuld, die Verzweiflung, den Schmerz und den Hass, die Scham.
Sie haben es jetzt langsam Akzeptiert. Mehr oder weniger. Manchmal höre ich meine Eltern noch miteinander streiten. Höre meine Mutter weinen, wenn ich im Bett liege und die Dunkelheit mich verschlingt. Ich wollte stumm sein. Habe mir ausgedacht wie es wäre. Jetzt weiß ich es. Jetzt versteh ich erst was einem fehlt. Und wie anstrengend und schwieriger es ohne Stimme ist. Ich bereue es nicht. Naja manchmal. Wenn ich mich mit meiner besten Freundin nicht mehr austauschen kann. Wenn ich meine Lieben weinen und streiten höre.
Aber ich fand reden immer so anstrengend. So ermüdend. Jetzt erwartet Niemand mehr Antworten von mir. Jetzt kann mich Niemand mehr zum reden zwingen.
Buchstaben sind meine Stimme geworden. Ich schreibe und schreibe und schreibe. Meine Finger sind wund, meine Hand verkrampft. Stifte leeren sich, während Papier sich füllt. Das ist meine Art mich auszudrücken. Meine Art Gedanken festzuhalten. Sie unsterblich werden zu lassen. War es schon immer. Niemand darf es lesen. Auch vorher schon nicht. Es interessiert sie auch nicht.
Ich bin wahrlich unsichtbar geworden. Ich bin zu dem Geist geworden, der ich schon immer sein wollte und immer verabscheute.
Es hat sich also nicht viel verändert. Es ist nur alles so schrecklich endgültiger. Ich weiß nicht wie meine Zukunft mit dieser Entwicklung aussieht. Es blickt mir nur jedesmal gähnende leere entgegen. Aber das war vorher auch schon so.
Ich habe Angst. Angst zu reden, Angst nicht zugehört zu werden. Angst Angst Angst zerfrisst mein Innerstes bis nur noch eine leere Hülle übrig bleibt. Vielleicht ist das der Grund für den Verlust meiner Stimme. Ja wahrscheinlich.
Ich höre Musik. Noch mehr als vorher. Durch Musik kann ich meine Gefühle ausdrücken, ich kann durch Musik sprechen. Atmen. Es hilft mir durch meinen stummen Alltag.
Diese Stille zerreißt und heilt mich. Es ist so sonderbar. In der Stille fand ich meine Worte. In der Stille fand ich mich.
Im the ghost of ghosts. Can u see me?