Burgruine

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"Angriff! Wir werden angegriffen!  Verteidigt die Burg mit allem was ihr habt." 

Männer laufen wild umher, rennen zur Mauer, um die Feinde am Eindringen zu stoppen. Leitern werden an die steinerne Wand gelehnt. Bogenschützen verschießen ihre Pfeile auf alles was sich bewegt. Brennende Fackeln finden ihren Weg ins Innere. Männer schlachten Männer, schlachten Frauen und Kinder.Die Erde ertränkt in rotem Wasser. 

"FEUER! Holt die Eimer."

Menschen rennen davon. Kinder an den Händen ihrer Mütter auf der Flucht. Mutige Ritter mit Wasser bewaffnet in einem aussichtslosen Kampf gegen die Feuersbrunst. Flammen lecken an Häusern, zerfressen Stein und Mörtel, tote und lebende Bäume, Fleisch und Knochen. Menschliche Fackeln stürzen schreiend aus brennenden Unterkünften bis sie zum erliegen kommen. Mensch gegen Feuer.

Ich springe vom Stein ab, fliege für kurze Sekunden. Fliege wie Adler in Sturzflug, bis meine Füße hart auf festen Untergrund aufkommen. Ich spüre den Aufprall von meinen Fußspitzen bis in meine Kopfhaut. Ein gutes Gefühl, ein lebendiges Gefühl. Ich bleibe noch kurz stehen bis ich weitergehe. Hier gibt es noch vieles zu entdecken. Da! Ein Loch in der Wand wie kleiner Torbogen. Vielleicht ein Keller? Meine Beine tragen mich zu den wenigen Stufen und dann direkt runter. Ich hocke mich in und werfe einen Blick rein. Oookay, definitiv kein Keller, viel zu klein. Sieht eher aus wie ein kleiner Tunnel. Ich gehe vorsichtig, immer noch in der Hocke hinein. 'Schaf'. Es stinkt nach Schaf. Dreckigen Schaf. Am Ende des kurzen Ganges ist wieder eine Öffnung, wo es steil bergab geht. Oder burgab, hahaha. Vermutlich war das hier der Abfluss von Urin und Kot und anderem. Über mir waren früher, glaub ich, auch die Ställe gewesen. Die Vorstellung....

"Aus dem Weg, Mylady, Fäkalien!" mit diesen Worten entleert der Stalljunge  einen übel riechenden Eimer. Dreht sich danach gleich wieder zu der, noch jungen Damen um und schenkt ihr ein verschmitztes Lächeln.

Ach ja, die Hygiene war damals so gut wie nicht vorhanden. Und von einer prächtigen Burg sind nur noch die Grundmauern übrig. Hmmm auf einem Schild stand, dass der Markt vor der Burg niedergebrannt ist und sie später auch diverse Angriffe ausgesetzt war. "Man kann sich auch nicht vorstellen wie die Menschen früher gelebt haben." ertönt es von meiner Mutter. Meine Antwort besteht lediglich aus einem undefinierbaren Brummen. Vorstellen kann man es sich schon. Ob die Vorstellung nun der Wahrheit entspricht ist fraglich. 

Der Himmel ist grau bewölkt und gibt der Burgruine einen düsteren Hauch. Anscheinend wurde neben dem Schloßberg, wo die Burg steht, Hinrichtungen ausgeführt. Ironischer Weise  heißt dieser Hügel auch Galgenberg, welcher an der Burg grenzt. 

"Der Bauer, Johann Müller, wird wegen Mord und Diebstahl zum Tode verurteilt. Möge Gott deine Sünden verzeihen, Mörder"

Ein Schwarz gekleideter Mann legt eine Schlinge um den Hals eines schmächtigen Mannes. "Ich war das nicht, es war dessen Bruder. Ihr müsst mir glauben. Ich flehe euch an." weint der Schmächtige "Bitte, ihr-"seine Worte werden durch das nun stramm gezogen Seil abgeschnitten. Ein kurzer hoffnungsloser Kampf und Johann Müller hängt regungslos wie eine Marionette in der Luft...

Ich lasse meinen Blick über dieses Land schweifen. Ich kann bis in die Unendlichkeit blicken, während meine Hände über hunderte alten Stein und Mörtel streichen. Ich kletter auf die dicke Mauer. Balanziere auf ihr, am Abgrund  entlang. Ein Stein löst sich von der Mauer und meine Füße lösen sich vom Stein. Ich fliege. In der Ferne höre ich noch den Schrei meiner Mutter, während ich in die Tiefe falle  und mein Kopf den tödlichen Untergrund aufpral-

Ich reiße meinen Blick vom Abhang weg. Ich sollte nicht auf dumme Gedanken kommen. Ich bin ja nicht dumm, ich pass schon auf, dass mir nichts passiert. Am Ende der Burg angekommen, laufen meine Mutter und ich zurück zum Auto. Das war ein interessanter Tag.

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