Scheiße. Scheiße. Scheiße. gottverdammt.
Ich hab das Wetter unterschätzt. Und nun bin ich bar jedes Schutzes im Sturm. Windböe über Windböe drückt meinen Körper nieder wie Ozeanwellen. Meine Ohren rauschen und ich höre nichts außer den Wind. Regentropfen schlagen auf meinen müden Körper wie Hände auf Haut.Ich seh nicht mehr als meine Füße, verschwommene Schemen am Horizont.
Schmecke Metall auf meiner Zunge. Blut fließt wie warmer Honig in meinen Mund. Ich hab mir auf die Lippe gebissen.Und ich sehe Rot in meinen Augen und Rot an meinen Fingern.
Ich laufe weiter. Mehr ein taumeln, wie ein Zombie. Ich fühl mich auch so. Tot.Aber ich muss nach Hause, ich muss in eine sichere Umgebung.Ich höre einen Knall. Rechts. Und ich erstarre, wie ein Reh im Scheinwerfer.
Der Baum fällt. Und die Zeit steht still und die Welt hört auf sich zu drehen, in diesem einen entscheidenden Augenblick.Ein weit entferntes Rufen. Und plötzlich dreht die Welt sich wieder und die Zeit verfliegt. Ich spüre einen Ruck am Arm, ein Ziehen, weg.
Und ich falle und pralle gegen etwas. Wärme. Der Baum kracht tosend und splitternd an die Stelle, wo ich vor Bruchstücken stand.
Ich liege in den Armen eines Menschen. Weiche Lippen berühren mein Ohr und eine raue Stimme ruft: „Das war knapp. Wir müssen hier weg!"
Und meine Welt kommt zum erliegen in dem Augenblick als ich in seinem Grün verloren gehe.Seine Lippen bewegen sich, doch ich höre nichts. Alles rückt in den Hintergrund. Der Orkan in weiter Ferne.
Mein Kopf ist wirr. Schwammig. Ich ertrinke in Rot und Schwarz verdichtet sich vor meinen Augen. Und ich falle falle falle wieder in seine warmen Arme.
Und es fühlt sich an als würde ich im Himmel fliegen.
________________________________________________________________________________
Hohes Zwitschern holt mich aus meiner Bewusstlosigkeit. Licht scheint hinter meinen Augenlidern. Verschwommene Bilder, die Realität entgleitet meinen Sinnen so schnell wie sie gekommen ist.
Als ich das nächste Mal aufwache, schaffe ich es sogar mir den Strand aus meinen Augen zu reiben. Vögel singen sanft im Morgentau. Der Himmel schmilzt zu einem rosanen Meer aus Licht und Sonne.
Doch der Blick aus dem Fenster ist mir fremd. Das Bett ist mir fremd. Das Zimmer ist mir unbekannt.
Wo bin ich?
Ich fühle mich gerädert, wie überfahren und nochmal gewendet. Versuche mich zu bewegen, meine Muskeln so schwach. Und mir ist so warm.
Ich kämpfe, meinen Arm aus den Decken. Erschrecke vor den Kratzern und Pflastern. Mein Schädel pulsiert und ich ertaste rauen Stoff. Verband.
Ich will aufstehen, aber eine Welle aus Schmerz hält mich zurück. Ein Ächzen schlüpft zwischen meinen Lippen hervor und ich sinke ins warme Bett zurück.
Ein himmlischer, rauer, sauberer Geruch erfüllt meine Lungen. Und ich fühle mich so geborgen und sicher in diesem unbekannten, neuen Licht der Sonne.
Vielleicht ist das mein Neuanfang? Mit diesem Gedanken und bittersüßer Hoffnung im Herzen verfalle ich wieder Morpheus Gesang.
Als ich das nächste Mal aufwache ist die Sonne weiter gewandert. Abend.
Dieses Mal wacher, frage ich mich was passiert ist. Da war der Sturm. Graue, schwarze Wolken türmten sich am Himmelszelt. Zerreißender Wind. Ein Junge.
Ein Junge? Was passiert danach? Und wo bin ich jetzt und wo ist der Namenlose? Was –
„Oh, du bist ja endlich wach. Ich habe mir bereits ernsthafte Sorgen gemacht" Es hat sich noch nie Jemand um gesorgt. „Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?" Sanft gesprochene Wörter reißen mich aus meiner Gedankenblase. Mein Kopf schießt ruckartig herum und mein Gesicht verzieht sich scheinbar vor Schmerz, denn die Stimme sagt: „Dein Gesichtsausdruck ist mir Antwort genug. Hier, ich geb dir ne Ibu."
Der Junge aus dem Sturm kommt zu mir und hilft mir auf. Seine Haut ist so warm und angenehm rau. Er verströmt diesen beruhigenden Geruch. Er hält mir lächelnd zwei Tabletten und ein Glas Wasser hin. „Hier. Ich wünschte, ich hätte stärke, aber muss nehmen was man kriegen kann, nicht? Vor allem in dieser Welt."
Ich nehm die Pillen und spüle sie runter. Mein Hals schreit vor Dankbarkeit und ich will mehr davon. „Ruhig Blut, nicht zu schnell, sonst wird dir übel."
Der Sturmjunge setzt sich zu mir und lächelt. Wäre er nicht so attraktiv und dazu noch alt, würde das diskret unheimlich sein. Und ich schwöre, ich höre die Engel singen.
„Du hast ganz schön was abbekommen in dem Orkan. Erinnerst du dich was passiert ist?" Ein paralysiertes Nicken meinerseits. „Ich bin Elliott. Schön dich kennenzulernen." Er hält mir seine Hand hin, aber ich kann ihn nur anstarren. „Kannst du nicht sprechen? Alles okay?"
Der Blick aus seinen besorgten Augen holt mich schließlich aus der Sprachlosigkeit. Ein krächzendes leises Danke ertönt im Raum. Und er leicht lächelnd „Kein Ding. Wir, Ausgegrenzte müssen doch immerhin zusammenhalten, nicht?"
Und ich weiß, ich bin nicht länger allein.
[06.03.2019]
Nicht das Beste, aber immerhin mal wieder etwas was mehr einer Kurzgeschichte ähnelt :D