8.Kapitel

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Ich schließe unsere Haustüre auf, ziehe den Schlüssel und schiebe ihn mir anschließend in die linke Hosentasche. Wie immer streife ich die Schuhe schon im Hausgang ab.

Ob das Mädchen wohl in einer Wohnung oder in einem Haus wohnt ? Ich runzele die Stirn und schüttele den Kopf über meine eigenen Gedanken. Als könnte diese Bewegung sie vertreiben...

Ich schiebe meine Chucks an den Rand des Flures und will gerade mit meinem Rucksack nach oben gehen, als ich zusammenzucke. Taraneh steht in der Tür zur Küche und blickt mich aus ihren dunklen Augen an.

Sie sind braun, trotzdem habe ich stets das Gefühl als würde ich auf die ruhige See hinaus blicken. Wenn sie wütend ist, hat man das Gefühl, als würde man durch ihre Augen in einen Sturm sehen. Ihre Lippen heben sich und ein dünnes Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. Nichts im Vergleich zu ihrem ehemals befreiten, herzlichen Lachen, bei dem mir immer wohlig und warm wurde.

„Hi",sagt sie. Ich hebe die Hand zum Gruß und grinse. „Mama ist da.",stellt sie die Tatsache in den Raum.

Überrascht versuche ich an ihr vorbei in die Küche zu linsen. Taraneh seufzt und streicht sich eine Strähne ihres braunen, welligen Haares hinters Ohr.

Unsere Mutter lässt sich um diese Uhrzeit selten blicken. Ich überlege, ob etwas passiert ist, oder ob sie vielleicht ein schlechtes Gewissen hat. Als könnte sie meinen Gedanken lesen, dass da etwas nicht stimmen kann, fährt meine Schwester fort.

„Jaa, ich weiß...sie meinte wir könnten mal wieder zusammen Abendessen."
„Aha. Warum redest du, als sei sie nicht da, als könnte sie dich nicht hören ?", frage ich auf meine Vermutung hin, dass meine Mutter sich offensichtlich nicht in der Küche befindet.

„Als sie hörte, dass du kommst, meinte sie, dass sie noch in den Garten wolle um Salat zu holen." Ich lache.
Na dann viel Spaß.",sage ich bei dem Gedanken an die vielen Schnecken, die sich bei uns dieses Jahr im Garten tummeln.

Zehn Minuten später sitze ich mit meiner Mutter und Taraneh am Tisch, zwischen einem dampfenden Nudeltopf, zwei Gläsern Pesto und einem provisorischen Tomatensalat.

Ich werde das seltsame Gefühl nicht los, mit einer fremden am Tisch zu sitzen. Es ist nicht so, dass ich meine Mutter nicht kenne, aber ein gemeinsames Abendessen kam im letzten Jahr so selten vor, dass ich darauf Wetten würde, dass ich mehr über Carlins derzeitiges Leben und ihre Gedanken weiß, als über die meiner Mutter.

„Na dann erzählt mal, wie ist es momentan so bei euch im Praktikum und in der Schule ?",fragt unsere Mom und blickt uns freundlich, aber irgendwie doch distanziert lächelnd an. Mich beschleicht das Gefühl, dass sie mit den Gedanken nicht bei der Sache ist.

Taraneh schiebt sich schnell eine Gabel Spaghetti in den Mund, vermutlich um nicht antworten zu müssen. Ihretwegen und um ein unangenehmes Schweigen zu vermeiden, stelle ich mich den smalltalkabzielenden Fragen. „Mein Chef hat mir angeboten das Praktikum noch um einen weiteren Monat zu verlängern."

Ein Lächeln zieht über ihr Gesicht. „Ach wirklich ?" Nein Mom, ich lüge... „Das ist ja toll. Hast du bereits zugesagt, oder musst du das noch machen ?" Immer wieder witzig wie wenig Ahnung sie davon hat, wie ihr Sohn tickt.

„Mom, ich bin mir nicht so sicher, ob eine Verlängerung wirklich sinnvoll ist. Ich kann mir nicht vorstellen, irgendwann mal einen Job in der Mechanik anzunehmen. Es passt einfach nicht so ganz zu mir."

Sie zieht ihre Nase nach oben. Nur eine Nuance, aber mir fällt es trotzdem auf. Und ich weiß, was das bedeutet.

„Weißt du Lean, vielleicht solltest du dir das nochmal gründlich überlegen. Du hast ja noch Zeit und je nachdem wie du dich anstellst, wirst du gut bezahlt. Es gibt weit schlimmere Jobs, das kannst du mir glauben. Außerdem wäre dein Vater sicherlich stolz auf dich."

Das Tagebuch einer FremdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt