18.01.2018

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You used to make me feel, like I could walk on water

Heute habe ich beim Aufräumen mein altes Notizbuch gefunden, in dem ich eine Zeit lang jeden Tag dokumentiert habe.Eigentlich wollte ich es wegschmeißen und mich nicht weiter damit beschäftigen, schließlich sollte ich ja aufräumen und nicht lesen. Dann hab ich es aber doch aufgeschlagen und einen Blick hinein geworfen und nachdem ich den ersten Satz gelesen hatte, war mein Plan zum Thema „Ich lasse mich dieses Mal nicht ablenken" in den Wind geworfen.

Als ich in dieses Buch geschrieben habe, war ich 13, das ist schon vier Jahre her und ich hatte fast vergessen, dass es dieses Buch gibt. Einerseits hat es etwas schönes an sich, die Zeilen zu lesen, die ich einst schrieb, ohne zu wissen was vor mir liegt. Im Rückblick weiß ich, was auf die Tage folgte. Es hat auch etwas schönes, zu lesen wie unbeschwert und naiv ich mal war. Andererseits war es befremdlich. Es fühlt sich nicht wirklich so an als ob ich diese Sätze geschrieben hätte. Ich lese sie ohne mich mit der Person die hinter diesen Worten steckt identifizieren zu können. Bei genaueren Überlegungen wäre es auch seltsam, würde es anders sein.

Ich bin meinem früheren Ich eine Fremde, die es nie kennenlernen oder erahnen konnte und mein früheres Ich ist mir ein Fremdes, da ich zwar rückblickend mitfühlen und mich erinnern kann, mich aber nicht mehr wirklich kenne.
Ich weiß nicht mehr was ich gedacht habe, wenn ich morgens aufgewacht bin. Ich weiß nicht mehr wie es sich angefühlt hat durch eine Straße voller Menschen zu gehen, wie es sich für mich angefühlt hat eine Tafel Schokolade zu kaufen.

Menschen entwickeln sich weiter und bleiben keinen einzelnen Tag gleich. Jedes kleinste Ereignis trägt seinen Teil dazu bei, auch wenn die Auswirkungen und das Ergebnis erst viel später sichtbar und spürbar werden. Diese alten Zeilen zu lesen hat sich angefühlt als würde ich einen Einblick in das Leben einer Fremden gewinnen und doch ist mir jeder einzelne, der beschriebenen Momente, vertraut.

Meine frühere Existenz liegt hinter mir in der Vergangenheit und irgendwie habe ich das Gefühl es mit einem Verlust zu tun zu haben. Denn wenn wir mal ehrlich sind, gab es schon so viele Identitäten und Persönlichkeiten. Es gibt unheimlich viele und es werden noch so unvorstellbar viele kommen. Im Laufe eines Lebens hat ein Mensch so viele Facetten und es scheint als sei es das Schicksal unserer Identitäten ihren Untergang zu finden, verloren zu gehen und vergessen zu werden.

Nun schreibe ich diese Zeilen nieder, weil ich Angst davor habe, dass Gedanken, Erinnerungen und Worte vergehen. Man findet nicht alle Tage ein altes Notizbuch. Es ist sowieso schwer Gedanken zu fassen und festzuhalten aber Schreiben ist eine der wenigen Möglichkeiten.

Ich denke ich werde in Zukunft öfter aufschreiben, was mir durch den Kopf geht, denn Gedanken sind eine Faszination für sich und Geschriebenes ist es ebenso. In meinen Augen sind das wertvollste, was die Menschheit jemals vollbracht hat, seine Schriftwerke. Es sind Gedanken und Ideen die auf dem Papier ihren einzigen würdigen Platz gefunden haben. Sie stehen auf ewig, auf Papier geschrieben, ohne die Unendlichkeit überdauern zu können.

Das Tagebuch einer FremdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt