Roulette des Schicksals Nr. 1

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Auf den Stufen des Kölner Doms setzte sich Leo erst mal hin, da sie verschnaufen musste. Sie war die meiste Stecke gerannt. Die Tasche auf dem Schoß schaute Leo sich diese jetzt erst mal genauer an. Es war eine kleine Sporttasche und das Gewicht verriet ihr, dass da nicht nur Klamotten drin sein konnten. Daher öffnete Leo neugierig den Reißverschluss und staunte nicht schlecht. Als erstes sah sie eine schwarze Kamera. Leo kannte sich damit nicht besonders gut aus, aber es war eine Nikon und es konnte kein älteres Modell sein, soviel sah auch sie. Zusätzlich fand sie noch jede Menge anderer elektischen Zeugs. Akkus, Speicherkarten und eine Mappe. Leo zog sie hervor, die auf dem Boden der Tasche gelegen hatte. In ihr waren - in Klarsichthüllen - irgendwelche Unterlagen, die Leo nicht zuordnen konnte. Bamschool stand oben drauf. Was bitte war die Bamschool? Auf den Papieren standen noch jede Menge Namen und Telefonnummern, mit denen Leo aber im geringsten nichts anfangen konnte. So ein Scheiß, dann konnte sie nur die Kamera zu Geld machen. Sie wollte die Mappe schon schließen und in die Tasche zurück stopfen, als ihr ein Name ins Auge sprang. Julien Budorovits.

Julien Budorovits?

Bamschool?

Konnte das sein?

Auf der Suche nach einer Adresse blätterte Leo durch die Papiere, entdeckte allerdings nur die vom Mediapark, wo die Bamschool scheinbar war. "Scheiße, was mach ich denn jetzt?" überlegte sie. "Ich kann doch nicht dem seine Kamera verkaufen." Nachdenklich stopfte sie die Mappe zurück in die Tasche und drückte die Tasche an sich. Okay, so viel Ehre besaß Leo doch, als dass sie nicht die Tasche von ihrem Retter klauen konnte. "Mann alter," schnaubte sie und erhob sich angepisst. "Hast du ein Glück, dass ich dir mein Leben verdanke." Mit mieser Laune machte sie sich auf den Weg zurück zum Mediapark, um die Tasche also wieder ihrem Besitzer zurück zu geben. Allerdings hatte Leo keine Ahnung, wie sie das anstellen sollte, ohne dass klar war, dass sie die Tasche geklaut hatte. Aus der Mappe wusste sie, dass die Bamschool sich im Mediapark 5 befand und Leo wusste, wo das war. Schließlich kannte sie sich hier in Köln ja aus. Durch den Mediapark vier ging Leo, um dann in die fünf zu gehen. Kaum dass sie in den Innenbereich kam sah sie schon auf der rechten Seite die Bamschool. Aha, das war es also. Die Bilder an den Scheiben ließen Leo erkennen, dass es sich wohl um eine Tanzschule handeln musste. Na super, hier lernten also die Schickis das Tanzen. Mit der Tasche über der Schulter ging Leo langsam über den Innenbereich und steuerte die Tür auf der rechten Seite zu, als diese von innen geöffnet wurde und drei Leute heraus kamen. Und ein ihr bekanntes Gesicht blieb in der Tür stehen und sah sie an. Sein Blick fiel auf die Tasche, die sie langsam nach unten rutschen ließ und jetzt an den Griffen nahm.

"Wir retten dir den Arsch und du beklaust uns dafür?" wurde sie gefragt.

"Ich wusste nicht, dass es deine Tasche ist," versuchte Leo zu erklären, doch sie konnte sehen, dass Julien angepisst war. Okay, er hatte ja irgendwie auch Grund dazu. Aber hey, sie brachte ihm die Tasche doch gerade wieder, also war doch alles gut.

"Und du meinst, das macht es besser? Ey Alter, man klaut nicht," platzte es aus ihm raus. "Jetzt ist mir auch klar, warum der Kerl vor ein paar Tagen hinter dir her war. Er hat nicht dich beklaut, sondern du ihn. Hab ich recht?"

Nervös huschte Leo's Blick von Julien zu den anderen beiden, wovon einer Passi war. Den anderen kannte sie nicht. Er war dunkelhäutig, hatte ein Kappi auf und trug sportliche Klamotten.

"Das geht dich nichts an," sagte Leo auf seine Frage. "Willst du deine Tasche nun wieder oder nicht?" Damit hielt sie ihm die Tasche mit ausgestrecktem Arm hin, was verdammt schwer war, da Leo nicht wirklich Kraft hatte.

"Ja ich hätte sie gerne wieder. Aber ich hätte auch gerne ein paar Antworten," beantwortete Julien die Frage, die Leo ihm soeben gestellt hatte.

"Antworten gibts bei der Info. Ich bin nur ein Bote. Das ist mein Job," erwiderte Leo und langsam fing ihr Arm an zu zittern, weswegen sie die Tasche jetzt vor sich ab stellte und ein paar Schritte rückwärts ging. Dabei ließ sie weder Julien, noch Passi oder den anderen aus den Augen.

"Du bist ein Bote?" fragte Julien sie und streckte seinen rechten Arm zur Seite aus, da der dunkelhäutige vor wollte, um die Tasche zu holen. "Was für ein Bote?" fragte er statt dessen weiter.

Irritiert sah Leo ihn an. Was wurde das jetzt? Wollte er hier ein Plauderstündchen einlegen? "Du bestellst, ich liefer," gab sie vorsichtig als Antwort.

"Was lieferst du?"

"Was geht dich das an?" Langsam riss Leo der Geduldsfaden. "Nimm einfach deine fuck Tasche."

"Okay, okay. Schon gut," abwehrend hob Julien die Hände und ging langsam auf sie zu. Als er vor ihr stand schob er mit dem Fuß die Tasche hinter sich und sah sie neugierig an."Leo, stimmt doch, oder?" Mit wachsamen Augen beobachtete sie alles, während sie nickte. "Okay Leo," fing Julien wieder an, "du machst mir nicht den Eindruck, als würde es dir wirklich gut gehen." Verdutzt riss Leo die Augen auf, da zeigte Julien erst auf ihr Gesicht und dann auf seinen rechten Wangenknochen. Da erst fiel Leo ein, dass Julien ihr Veilchen meinte. Eigentlich war es kein richtiges Veilchen, da nur ihr Wangenknochen blau war. Den hatte Mirko ihr am Tag nach der Portemonaie Aktion verpasst. Als Mahnung, dass sowas nicht klug war. Für Leo allerdings war das Veilchen uninteressant, es war nicht das Erste und würde auch nicht das Letzte sein.

"Was interessiert dich das?" Leo verstand gerade nicht, warum Julien sich mehr um sie Sorgen zu machen schien, als um seine Tasche und deren Inhalt. Was kümmerte ihn es, ob es ihr gut ging oder nicht? Er müsste doch sauer sein, dass sie ihn beklaut hatte.

"Keiner sollte geschlagen werden," erklärte Julien und sah sie mitfühlend an, wobei er mit seinen Blicken wohl nach weiteren offensichtlichen Verletzungen suchte.

"Passt schon. Kümmer du dich um deinen Kram und lass mich meinen machen."

"Okay," gab Julien bei, griff allerdings an die Gesäßtasche seiner Jeans und holte seine Geldbörse hervor, aus der er eine Visitenkarte fischte. "Rae, hast du nen Kuli?" rief er, worauf der dunkelhäutige verneinte, aber von Passi einen gereicht bekam. Diesen brachte er Julien und ging dann wieder zurück zu Passi. Julien schrieb mit dem Kuli noch etwas auf die Visitenkarte und hielt sie Leo dann hin. Stirnrunzelnd nahm sie diese entgegen und hielt sie so hoch, dass sie gleichzeitig lesen konnte was drauf stand und die Jungs im Auge behalten konnte. Vorne war der Name Julien Bam und seine Adresse aufgedruckt. Hinten hatte er seine Telefonnummer drauf geschrieben.

Leo verstand immer noch nicht so ganz, was das hier wurde, daher zog sie die Brauen zusammen. "Warum gibst du mir deine Nummer?"

"Falls du es dir anders überlegst und doch darüber reden möchtest," damit zeigte er wieder auf ihren Wangenknochen, "dann ruf einfach an."

Etwas irritiert ließ sie die Hand mit der Visitenkarte sinken, bevor sie diese in ihre Jackentasche steckte und Julien zu nickte. "Werd ich nicht, aber danke. Ich hau dann ab." Und ehe Julien noch etwas sagen konnte drehte Leo sich auf dem Absatz um und rannte los.

Verwundert stand der Asiate da, als Rae und Passi hinter ihn traten.

"Wer war denn das?" fragte Rae ihn.

Während Julien sich zu seinem Kumpel umdrehte gab er ihm die Antowrt: "Das war Leo. Wir haben ihn vor ein paar Tagen kennen gelernt, da wurde er Nachts von nem Bullen von Kerl verprügelt. Irgendwie hat er die angewohnheit ab zu hauen. Das ist jetzt schon das zweite Mal."

"Und scheinbar ist er ein kleiner Langfinger," stellte Passi fest, wobei seine Mimik wenig Begeisterung ausdrückte.

"Stellt sich die Frage, ob er das freiwillig macht, oder dazu gezwungen wird. Hast du den blauen Fleck in seinem Gesicht gesehen?" gab Julien zur Überlegung. "Der sah frisch aus und kann nicht von Dienstag sein"

"Vielleicht hat er jemanden beklaut, der ihn erwischt hat und er hat den Fleck davon," überlegte Passi nun.

Schulter zuckend erwiderte Julien: "Könnte auch sein," als er in die Hocke ging und seine Tasche öffnete. Es war noch alles drin, was ihn doch verwunderte. Warum gab Leo ihm die Tasche wieder? Komplett mit allem, was vorher drin war? Er hätte zumindest die Kamera zu Geld machen können. Und warum und von wem wurde er geschlagen? So viele Fragen schwirrten in Juliens Kopf herum, auf die er keine Antworten wusste.

Auf den zweiten BlickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt