Gefühlschaos

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Irgendwann wurde es Leo allerdings langweilig und sie fragte Vince, ob sie versuchen dürfte auf einer seiner Gitarren zu spielen, da ihr sonst nichts ins Auge fiel, womit sie sich beschäftigen könnte. Da er es ihr erlaubte nahm sie sich eine einfache, die hinter ihm an der Wand lehnte und setzte sich mit dieser wieder auf die Couch. Sie hatte keine Ahnung, ob sie so ein Ding spielen konnte, aber sie ging davon aus, dass das ja nicht so schwer sein könnte. Als ihr nach den ersten zehn Minuten zupfen der Saiten Daume und Zeigefinger weh taten bekam sie von Vince plötzlich grinsend etwas vor die Nase gehalten. Verwirrt sah sie ihn an. "Was ist das?"

"Ein Plektrum," erwiderte er und zeigte ihr, wie man das Metallplättchen benutzte, um die Saiten damit an zu zupfen. "Ist für den Anfang vielleicht besser. Geht nicht so auf die Finger." Lange Zeit saßen sie so da, Vince an seinem Rechner, die Kopfhörer halb auf den Ohren, während Leo übte Gitarre zu spielen. Nach mehreren Stunden erhob sich Vince, worauf Leo den Kopf hob und ihn ansah. Er hatte den Rechner bereits herunter gefahen fiel ihr auf. "So, ich mach mich jetzt. Du kannst ruhig hier oben bleiben und weiter üben, wenn du magst. Nur Finger weg von meinem Rechner und den Sachen da," damit zeigte er auf die Geräte, die an der selben Wand waren, wie sein Schreibtisch.

Während Leo nickte sagte sie: "Ich weiß eh nicht, was das alles ist also ...."

"Ich kann sie dir beim nächsten Mal ja erklären, wenn du magst. Aber heute will ich heim zu meiner Famile. Wir sehen uns dann wahrscheinlich auch erst übermorgen wieder."

"Okay, dann bis übermorgen." Damit verabschiedete sie sich von ihm und sah ihm noch kurz nach, wie er aus der Tür verschwand, um kurz darauf die Treppe nach unten zu gehen. Jetzt war sie vollkommen alleine in dem großen Haus, was ihr doch etwas Unbehagen bereitete, da sie das nicht gewohnt war. Sonst war sie immer draußen unterwegs gewesen, in der Masse der Menschen. Und selbst wenn sie zum schlafen ins Haus kam waren da immer die anderen gewesen. Da es ihr jetzt, so ganz alleine, auch nicht gefiel, dass sie mit dem Rücken zur Tür dasaß machte sie es sich wieder auf dem zweiten Stuhl bequem, der nach wie vor neben Vince seinem stand. So konnte sie sich mit dem Blick in Richtung Tür setzen und weiter üben, da sie es sich wieder im Schneidersitz bequem machte. Doch lange war sie nicht alleine, denn nach nicht mal einer Stunde, hörte sie auch schon die ersten Stimmen von unten. Sie versuchte sie zu identifizieren und erkannte, dass es wohl alle vier waren, die sich im Stockwerk unten drunter befanden. Allerdings war da noch eine fünfte neue Stimme, die Leo noch nicht kannte. Sie löste ihre Beine aus dem Schneidersitz, stand auf und stellte die Gitarre zurück an die Wand, bevor sie sich ebenfalls nach unten begab. Neugierig folgte sie den Stimmen, die - wie nicht anders zu erwarten - aus dem Büro kamen.

"Hey Leo," wurde sie auch schon von allen begrüßt, kaum dass sie in der Tür stand, worauf sie kurz die Hand hob.

"Hiii, du bist also Leo," begrüßte sie auch eine etwas piepsige Stimme, die von einem extrem schlanken Girl mit langen rot-braunen Haaren kam.

"Leo, das ist Anni," stellte Julien das Girl vor und Leo begrüßte sie noch mal extra.

"Hi Anni." Leo kam nicht umhin zu bemerken, wie vertraut Julien und sie miteinander umgingen, was sie vermuten ließ, dass die beiden wohl ein Paar seien. Anni war wohl eine lebensfrohe und aufgedrehte Person, denn sie lachte viel und alberte mit Julien herum. Irgendwie fühlte Leo sich dadurch fehl am Platz und sie hatte das Gefühl, als würde ihr das Atmen schwerer fallen. Sie wollte sich gerade umdrehen, um wieder nach oben zu gehen, wieder etwas Gitarre üben und für sich alleine zu sein, als sie von Julien aufgehalten wurde.

"Wir wollten alle zusammen runter in die Küche kochen. Kommst du mit?"

Leo zwang sich zu einem Lächeln als sie nickte und Anni, die es scheinbar eilig hatte, an sich vorbei ließ. Dann folgte sie mit dem Rest der Truppe die Treppen runter bis zur Küche, in der es nun etwas voll wurde. Jeder von ihnen bekam eine Aufgabe, so dass sie alle in der Küche am schnippeln, brutzeln oder kochen waren, während sie lachten und alberten. Selbst Leo ließ sich von dem Ganzen etwas anstecken und redete heute mehr als gewöhnlich. Allerdings bekam sie jedesmal einen kleinen Stich, wenn sie sah, wie Anni Julien förmlich um den Hals fiel. Dabei wusste sie selber nicht warum. Leo hatte das Gefühl, dass ihr Leben in Bezug auf Emotionen jetzt komplizierter war als vorher. Diese ganzen Empfindungen hatte sie vorher nie gehabt oder gekannt, also warum kamen sie jetzt? Was war der Grund und was bedeuteten sie?

Auf den zweiten BlickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt