Hoch auf Station

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Zusammen saßen sie noch eine Weile da, bis endlich ein Arzt auf Julien zu kam.

"Herr Bam? Ihre Verlobte ist jetzt im Aufwachraum. Die OP verlief ohne Probleme. Wenn sie wollen können sie jetzt zu ihr," gab er seinen Bericht und ließ Julien erleichtert aufatmen. Sofort stand er auf, drehte sich allerdings noch einmal zu seiner Managerin um.

"Danke."

"Sag ihr liebe Grüße von mir. Ich fahr dann wieder nach Hause. Meld dich, wenn du weißt ob ihr raus könnt."

"Mach ich." Damit wendete Julien sich wieder dem Arzt zu und folgte ihm durch die große Doppelglastür bis zur zweiten Tür auf der linken Seite, die der Arzt nach rechts aufschob. Er ging auf eine Schwester zu, die er ansprach.

"Maria, das ist Herr Bam, der Verlobte von Frau Breitling."

"Hallo Herr Bam," begrüßte sie ihn mit einem Hände schütteln. "Kommen sie mit, ihre Verlobte liegt hier hinten links." Im vorletzten Bett lag Leo, eine Klemme am Finger, die an einem Gerät angeschlossen war. Sie sah blass aus und der Verband an ihrem linken Handgelenk, der auch ihre Hand mit einschloss passte sich fast schon ihrer Hautfarbe an. "Sie schläft noch, müsste aber in der nächsten halben Stunde aufwachen. Falls was ist, rufen sie mich einfach," erklärte Maria ihm noch, bevor sie wieder zurück ging.

Julien setzte sich leise auf den Stuhl, der links neben Leo's Bett stand, griff nach ihrer gesunden Hand, strich sanft mit seinen Fingern über ihren Handrücken. Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht, was keine Reaktion zeigte, kein Anzeichen des Erwachens. Er hatte das Gefühl, als wären Stunden vergangen, bis er ein zucken ihrer Hand spürte und er sich sofort kerzengerade hin setzte. Schnell huschten seine Augen zu dieser, als sich auch schon ihre Finger bewegten, sie ihre Hand umdrehte und seine ergriff, die sie fest hielt, so fest Leo es in diesem Moment vermochte. Ein gieriger Atemzug ließ ihn wider zu ihrem Gesicht blicken und er sah in ihre geöffneten Augen. Sie wirkten groß und dunkel.

"Ich bin da," sagte Julien leise, während er sich weiter zu ihr beugte, ihr mit der linken Hand die Wange streichelte. Die Augen etwas schließend schmiegte sie sich an seine Hand, während Julien ihr sanft mit dem Daumen darüber strich. "Dir kann nichts mehr passieren. Tom und Jan wurden fest genommen." Überrascht sah sie ihn an und ein kurzes Leuchten der Erleichterung blitzte in ihren Augen auf, bevor sie sie wieder schloss und tief ein und aus atmete. "Ich soll dir übrigens liebe Grüße von Annika ausrichten," fiel Julien nach einiger Zeit ein, was Leo wieder die Augen öffnen ließ. Erst sah sie Julien an, dann ging ihr Blick jedoch zur Decke, als wenn sie überlegen müsste, wer Annika sei, bevor sie langsam nickte.

Eine Weile saßen sie so da, ohne dass einer von ihnen etwas sagte, bis Julien hinter sich leise Schritte hörte. Immer noch in der Haltung bleibend warf er einen Blick über die rechte Schulter, wo Schwester Maria stand - mit einem sanften Lächeln auf dem Gesicht.

"Hallo Frau Breitling. Wie ich sehe sind sie wach," sprach sie Leo sanft an, während sie um das Bett herum ging und sich auf die andere Seite von Leo gesellte. "Die Operation ist gut verlaufen. Ist ihnen kalt?"

Da Leo mit dem Kopf schüttelte musste Julien kurz lächeln. Leo war eigentlich nie kalt, sie war die Kälte ja gewöhnt.

"Gut, dann werde ich jetzt erst noch ihre Temperatur messen und wenn alles in Ordnung ist können sie hoch auf Station," erklärte Maria weiter, während sie aus der obersten Schublade des Schränkchens, welches neben dem Bett stand, ein Thermometer entnahm. Sofort huschte Leo's Blick zu Julien und ihr Griff um seine Hand wurde kurz fester. "Keine Sorge, ihr Verlobter darf natürlich mit hoch."

Verwirrt sah Leo zu Julien, der sie nur anlächelte.

"Okay, ihre Temperatur ist normal. Ich werde jetzt auf Station anrufen gehen," sagte Schwester Maria noch, bevor sie auch schon wieder den mit Vorhängen umsäumten Bereich verließ.

"Der Narkosearzt hat mich als deinen Verlobten eingetragen. Damit ich bei dir sein kann," erklärte Julien Leo leise, mit einem Lächeln auf den Lippen. Erneut tauchte dieses kurze Leuchten ins Leo's Augen auf, verschwand aber direkt wieder.

Die nächsten Personen, die einige Zeit später erschienen waren ein Pfleger und eine Schwester, die sich als Martin und Sarah vorstellten, um Leo auf Station zu bringen. Als Julien beiseite treten wollte, um den beiden Platz zu machen ließ Leo seine Hand allerdings nicht los. So blieb Julien neben ihr, während der Pfleger und die Schwester Leo in ihrem Bett durch den Raum, bis zu dem Aufzug und in diesem bis in den zweiten Stock fuhren. Von dort aus ging es ging es direkt weiter in daas Zimmer, wo bereits ein Bett stand, welches jedoch nicht belegt zu sein schien.

"Das zweite Bett ist für sie Herr Bam. Dies ist ein Familienzimmer, damit sie und ihre Verlobte in einem Zimmer sein können," erklärte Sarah Julien. Während er sich bedankte machte Sarah die Bremsen des Bettes fest und erklärte Leo und Julien noch kurz den Notfallknopf, dann ließ sie die beiden alleine.

Unschlüssig stand Julien neben dem Bett, während er überlegte, ob er sich zu Leo legen, sich einen Stuhl ran holen oder sein eigenes Bett näher an ihres schieben sollte. Ein zweimaliges drücken seiner Hand ließ ihn in Leo's Augen schauen, die ihn fragend ansah.

"Willst du, dass ich mich zu dir lege?" fragte er sie daher und bekam ein sofortiges Nicken. Das war wohl die heftigste Reaktion, die sie seit dem Vorfall an diesem Abend bisher von sich gegeben hatte, was Julien grinsen ließ. Und da war es wieder. Dieses kurze Blitzen in ihren Augen, wie das Flackern einer Glühbirne. Während er sich neben sie legte stellte er mit gerunzelter Stirn fest, dass es jedesmal auftauchte, wenn er sie anlächelte. Er legte seine rechte Hand auf ihre, verschränkte ihre Finger ineinander und legte seinen Kopf auf seinen angewinkelten linken Arm. Eng schmiegte Leo sich an ihn und Julien merkte, wie sie langsam einschlief. Er küsste sie noch kurz auf die Stirn, bevor auch er sich der Müdigkeit seines Körpers hin gab.

Irgendwann am nächsten Morgen - es war noch nicht ganz hell vor den Fenstern - wurde Julien durch eine Schwester geweckt, die ihn leise ansprach.

"Herr Bam?" Müde öffnete er die Augen und sah die Schwester verwundert an, die jedoch lächelte. "Wollen sie nicht in ihr Bett? Frau Breitling scheint fest zu schlafen." Doch Julien schüttelte nur den Kopf, worauf die Schwester noch breiter grinsen musste, bevor sie wieder sprach: "Ich werde bei ihnen beiden die Temperatur messen, dann können sie weiter schlafen."

"Okay," antwortete Julien leise und legte seinen Kopf erschöpft wieder zurück aufs Kissen. Da erst fiel ihm auf, dass dieser nicht mehr auf seinem Arm lag, denn da lag Leo's Kopf drauf. Sie hatte sich in der Nacht wohl auf die linke Seite gedreht, ihren operierten Arm vor sich auf der Matratze neben ihrem Kopf. Also selbt wenn Julien gewollt hätte hätte er gar nicht in sein Bett gekonnt, ohne Leo zu wecken. Da trat die Schwester auch schon mit dem Thermometer vor Leo und ihn, maß erst bei ihm die Temperatur, dann vorsichtig bei Leo, die nur kurz zuckte. Da das Messen allerdings nur Sekunden dauerte wurde sie davon nicht wach und schlief weiter.

Auf den zweiten BlickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt