Die Hölle geht von vorne los

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Nachdem Leo aus Juliens Wagen gestiegen und um die Ecke gegangen war hatte sie ihr Tempo beschleunigt und war quer über die Straße gerannt und zwischen den Häusern hindurch, um auf die Parallelstraße zu kommen. Es tat ihr leid, dass sie Julien ausgetrickst und ihm nicht ihre Adresse gegeben hatte. Aber sie wollte und konnte ihn nicht auch noch in Gefahr bringen. Er war nicht für sie verantwortlich. Und Mirko würde ihn genauso bluten lassen, wie die Kids, die alle in dem Haus lebten. Da spielte es keine Rolle, ob Julien ein bekannter YouTuber war oder nicht. Obwohl genau das Mirko wahrscheinlich nur noch mehr reizen würde.

Nachdem sie etwa fünf Minuten gerannt war verlangsamte sie ihr Tempo und fiel in einen schnellen Schritt, damit sich ihre Atmung wieder etwas beruhigte. Hin und wieder drehte sie sich im Laufen um, nur um sicher sein zu können, dass Julien ihr nicht folgte. Mittlerweile hatte auch die Betäubung in ihrem Arm nach gelassen und Leo war froh, dass er in einem festen Verband steckte. Dadurch spürte sie das Pochen nicht so und das Rennen hatte ihn nicht zu sehr belastet. Ein Blick zum Himmel zeigte einen wolkenverhangenen Nachthimmel, an dem man den abnehmenden Mond nur erahnen konnte. Ein letztes Mal bog Leo rechts ab und erreichte nur wenige Schritte darauf ihr 'Zuhause'. Ein kurzer Blick auf ihr Handy zeigte ihr, dass es fast halb sechs war. Daher brannte eim Erdgeschoss auch Licht und die anderen müssten mittlerweile auch wieder alle im Haus sein. Erleichterung erfasste Leo, denn dadurch wäre sie mit Mirko nicht alleine. Bevor sie jedoch die Haustür mit dem Schlüssel öffnete, welchen sie aus der Lederjacke zog, atmete sie ein mal tief durch. Dann erst schritt sie die drei Stufen zur Tür hoch, schloss auf und betrat den Flur. Leise schloss sie die Tür, obwohl sie bestimmt keiner hörte, da sie hinter der geschlossenen Wohnzimmertür mehrere Stimmen vernahm. Mirko machte bestimmt gerade die Abrechnung, wurde es Leo klar. Nochmal tief durch atmend ging sie auf die Wohnzimmertür zu, legte ihre Hand auf die Klinke und öffnete diese. Kaum, dass sie in der Öffnung stand wurde es schlagartig still in dem Raum, alle wandten sich ihr zu. Und während in den Gesichtern der Kids eine Mischung aus Freude, Entsetzen und Unverständnis stand flammte hämische Begeisterung und Bosheit in Mirkos auf. Auch Tom und Jan grinsten sie dreckig an, was sie jedoch ignorierte, denn sie waren immerhin nur Laufburschen von Mirko, die taten, was er befahl.

"Leo," kam es süffisant von Mirko, was sie fast kotzen ließ. "Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Schön, dass du wieder da bist."

"Wo ist Jenny?" fragte sie gleich und streckte ihr Kinn trotzig vor.

"Verschwindet nach oben," bellte nun Mirko, da ihm Leos Verhalten gar nicht passte. Die Kids gehorchten wie auf Kommando und gingen an Leo vorbei. Marie schenkte ihr ein freudiges Lächeln, während die anderen es kaum wagten, sie an zu sehen. Nur Marco legte ihr noch die Hand auf die Schulter und nickte ihr zu, bevor er ebenfalls den Raum verließ und nach oben ging. Jetzt war Leo mit Mirko, Jan und Tom alleine im Wohnzimmer, was ihr gar nicht behagte. Da sie jedoch noch immer in der Tür stand war diese auch noch offen und konnte nicht hinter ihrem Rücken geschlossen werden.

"Also? Wo ist Jenny?" fragte Leo erneut.

"Hol sie," wies Mirko Tom mit einem Nicken in Richtung Flur an. Dieser drängte sich grob an Leo vorbei und verschwand aus ihrem Blick, da Leo nach wie vor Mirko im Auge behielt.

Dieser sah sie mit einem schiefen Grinsen an und meinte: "Schicke Klamotten hast du da an." Der Ton von Mirko und die Tatsache, dass sie immer noch Juliens Shirt und Joggingshose trug ließen sie tief Luft holen. "Hast wohl nen reichen Spender gefunden. Interessant," fuhr er fort und kam langsam auf Leo zu. Mit finsterer Miene blieb sie stehen, schob lediglich ihren rechten Fuß etwas nach hinten, um einen festeren Stand zu haben. Als Mirko ganz nah vor ihr stand sah er auffällig auf das Emblem, auf der linken Brustseite des Shirts, wo die Unterschrift von Julien drauf war. In dem Moment hörten beide, wie sich die Schlafzimmertür erneut öffnete, worauf Leo Mirko vergaß und ihren Kopf drehte, um in den Flur zu sehen. Dort standen Jenny und Tom, der sie an ihrem linken Oberarm fest umklammert hielt.

Auf den zweiten BlickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt