Alte Wunden - neue Freunde

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Im Krankenhaus ging es dann doch wesentlich schneller, als bei der Polizei. Denn Leo kam schon nach knapp 50 Minuten wieder heraus, wobei sie einen Brief in der Hand hielt. "Geschafft," sagte sie, als sie vor Julien stand und den Brief hoch hielt. "Den hier soll ich bei der Polizei abgeben. Und ich soll eine Kopie der Anzeige vorbei bringen, damit sie das wegen der Rechnung zu den Akten legen können." Kurz ließ sie die Luft aus den Wangen und verdrehte dabei die Augen. "So eine Anzeige machen bedeutet eine ganze Menge Rennerei."

Darauf musste Julien lachen, während er auf stand. "Aber dafür lohnt es sich."

"Ja das stimmt wohl."

"Komm, wir bringen das gleich vorbei, dann haben die das. Vielleicht können sie uns ja auch schon was zum aktuellen Stand sagen," schlug er vor.

"Hör zu, das ist echt verdammt nett von dir, was du da für mich tust," begann Leo, da es ihr etwas unangenehm war, dass Julien soviel für sie tat. "Aber du musst mich nicht wieder zur Polizei fahren. Du hast schon so viel für mich getan ... du musst das nicht."

Juliens Reaktion war erst mal nur ein Grinsen mit hoch gezogenen Brauen bevor er sagte: "Ich weiß, dass ich das nicht tun muss. Aber erstens: wie willst du von hier zur Polizei kommen?" Auf diese Frage sah Leo ihn verblüfft an. Mist, sie hatte kein Geld und auch keine Ahnung wie sie zur Polizei kommen könnte. Ausser per Anhalter vielleicht. Juliens Grinsen wurde daraufhin breiter. "Ausserdem hab ich dir versprochen, dir zu helfen. Und das schließt das Fahren zur Polizei, Krankenhaus und so weiter nun mal ein. Also komm, lass uns das Schreiben ab geben." Ohne eine weitere Antwort ab zu warten ging Julien voran und Leo blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Als sie im Auto saßen und Julien den Motor wieder gestartet hatte wollte er aber dennoch etwas wissen. "Welche Verletzungen stehen da jetzt drin?"

"Ausser den Offensichtlichen? Ein paar verheilte Brüche, jede Menge blaue Flecken ...." Kurz machte Leo eine Pause, sah aus dem Fenster und meinte dann wie beiläufig: "Eine Narbe am Bauch."

Während Julien zum zweiten Mal an diesem Tag verkehrte Schlüsse zog meinte er: "Deswegen wolltest du nicht dein Shirt vor uns aus ziehen." Leo sah ihn überrascht an, da stellte Julien auch schon die nächste Frage: "Wie alt ist die Narbe und von was?"

"Das war Mirko. Vor vier Jahren ungefähr. Um mir zu zeigen, was passiert, wenn ich nicht mache was er sagt." Sie wandte ihren Blick wieder nach draussen, als sie an das Geschehene erinnert wurde.

"Hat das Krankenhaus damals nicht reagiert?" wollte Julien wissen, worauf Leo kurz leise lachte.

"Wir waren nicht im Krankenhaus."

"Was?" Entsetzt sah Julien sie an.

"Die Straße!" ermahnte Leo ihn mit großen Augen, worauf Julien seinen Blick wieder auf diese richtete. "Du solltest vielleicht lieber rechts ran fahren, nicht dass du einen Unfall baust, wenn ich dir die ganze Story erzähl."

Immer noch den Blick auf die Straße nickte Julien und fuhr kurz darauf in eine Parklücke auf der rechten Seite. Nachdem er den Motor abgestellt hatte drehte er sich zu Leo um. "Okayyyyy, dann schiess mal los."

"Ja also ... Mirko wollte, dass ich Drogen an die Besoffenen verticke. Die sind immer etwas anhänglich, wenn sie blau oder stoned sind. Ich wollte das nicht. Er hat mich dann erst geschlagen, bis ich auf dem Boden lag und mich nicht mehr wehren konnte. Dann hat er ein Messer aus der Küche geholt ... und dann ... hat er mir das Symbol in den Bauch geschnitten." Während ihrer Erzählung hatte sie mehrmals stoppen müssen, war sich mit der Hand über den Kopf gefahren und hatte den Blick nach draussen schweifen lassen.

"Was für ein Symbol?" fragte Julien leise.

Da ihr in dem Moment einige Tränen in die Augen stiegen wandte sie nicht den Blick vom Fenster ab, als sie ihm antwortete: "Ein umgedrehtes Kreuz. Er meinte, ich sei eine Teufelsbrut und dass ich dieses Zeichen verdient hätte."

Auf den zweiten BlickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt