Die Wahrheit - aber wieviel davon?

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"Komm rein," forderte Julien sie auf, als er gerade die Haustür geöffnet hatte und bereits im Haus war. Vorsichtig ging Leo vorwärts. Auch wenn sie schon mal hier gewesen war, so war sie doch unsicher, was hier auf sie warten würde. "Jungs, wir sind da," rief er nach oben, kaum dass er die Tür hinter ihr geschlossen hatte. Dann zog er sich seine Schuhe und Jacke aus, die er im kleinen Flur, gegenüber der Eingangstür an der Garderobe verstaute. Leo tat es ihm gleich und schlüpfte aus ihren Schuhen. Die Jacke ließ sie einfach über ihre Schultern nach unten gleiten und fing sie mit der gesunden Linken auf. Gerade, als sie die Jacke aufhing hörte sie lautes Gepolter auf der Treppe und hinter Passi und Marius, kam auch Thomas die Treppe runter geeilt.

"Hi Leo", wurde sie von allen begrüßt. Da erst sah Julien die ganzen blauen Flecke, die sich über Leo's Arme verteilten. "Ouh shit, hast du noch mehr von denen?" fragte er geschockt, wobei er auf ihren Arm zeigte. Leo folgte seinem Blick und sah dann von ihm zu den anderen, die alle nicht weniger geschockt drein sahen.

"Weiß nicht," sagte sie leise, während sie den Blick gen Boden richtete. "Glaub schon."

"Okay dann ...," verlegen fuhr sich Julien durch die Haare am Hinterkopf. "Okay, ich geb dir erst mal ein frisches Shirt und eine bequemere Hose. Dann würd ich sagen, wir holen was zu Essen. Jungs, Hunger?" Damit sah er die anderen an, die begeistert nickten.

"Soll ich los und was holen?" fragte Thomas, was Julien dankend annahm. Er wies ihn an, zum Thailänder in der Stadt zu fahren. Während Thomas sich wieder verabschiedete folgte Leo Julien, wo sie von ihm das besagte Shirt und die Hose bekam.

"Wo habt ihr das Bad?" fragte Leo, worauf Julien sie erst etwas verwirrt ansah.

"Ähm, hier im Flur ist eins und oben im ersten Stock."

Leo entschied sich für das im Erdgeschoss. Es war gar nicht so leicht, sich mit dem betäubten Arm um zu ziehen, doch irgendwann hatte sie es dann doch geschafft. Sie war heilfroh, dass es ein relativ weites Shirt war. Denn auch wenn sie nur wenig Busen hatte, der durch ihren engen Sport-BH noch etwas mehr abgedrückt wurde, wäre bei einem engen Shirt der Unterschied doch aufgefallen. Mit ihrem alten Shirt in der Hand ging sie wieder zurück in den großen Eingangsbereich. Dort saß Julien alleine auf der Stufe, die zum Wohnzimmer führte und wartete auf sie. Als sie aus dem Flur trat erhob er sich und sein Blick fiel auf das Shirt in ihrer Hand.

"Willst du das weg schmeißen? Ich glaube nämlich nicht, dass man die Flecken wieder raus bekommt." Auf ihr nicken hin ging er mit ihr runter in die Küche, wo er ihr den Mülleimer zeigte, in den sie das Shirt schmiss. "Was hälst du davon, wenn wir uns jetzt erst mal ins Wohnzimmer setzen, bis Thomas wieder da ist und du erzählst mir in aller Ruhe, was dir alles passiert ist. Und wieso du den Arm verletzt hast."

"Ja, ich glaube, ich bin dir ein paar Anworten schuldig," gab Leo zu. Jetzt war Julien es, der nickte, um ihr Recht zu geben. Er ging wieder voran die Treppe hoch, drehte sich dort um 180 Grad, um ins Wohnzimmer zu gehen, wo er sich auf die Couch setzte. Leo setzte sich rechts von ihm und drehte sich etwas zu ihm, damit sie ihn besser ansehen konnte, während sie ihm Rede und Antwort stand. "Also, meine Mum hat Mirko vor acht Jahren kennen gelernt, da war ich 13. Am Anfang war er total nett. Ungefähr zwei Jahre gpäter ist sie dann ziemlich krank geworden, bis sie dann vor fünf Jahren gestorben ist. Mirko hat sie ein halbes Jahr vor ihrem Tod geheiratet." Während Leo erzählte hatte sie sich nach hinten gelehnt und zuppelte mit der linken Hand an dem Saum ihres Shirts. Oder vielmehr an Juliens Shirt. "Kaum dass er meine Mum geheiratet hatte fing er eigentlich schon an, sein wahres Gesicht zu zeigen. Er behielt das komplette Geld ein. Und wenn ich was falsch gemacht habe, oder vielmehr in seinen Augen was falsch gemacht habe, ... bekam ich die Prügel ab." Kurz atmete Leo tief durch, bevor sie weiter sprach: "Als meine Mum dann tot war sind seine Kumpels bei uns mit eingezogen. Und nach und nach kamen dann immer mehr Kids zu uns, die kein zu Hause hatten. Wir müssen für ihn klauen, Drogen verticken, oder eben Aufträge erledigen."

Auf den zweiten BlickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt