Schock

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Ohne große Fragen ertönte der Summer, der das Öffnen der Tür verkündete. Julien drückte sofort gegen diese, trat mit Leo ein und eilte mir ihr die Stufen in den zweiten Stock hoch, wo Rezo stand. Verwirrt sah er beide an, machte dann jedoch große Augen, als er den Zustand der beiden sah. "Ju was ist passiert?" fragte er, nachdem beide im Flur standen und er die Tür schloss.

Julien drehte sich zu seinem Freund um, nahm Leo in die Arme, die ihren Gesunden sofort um ihn schlang, sich an ihm fest krallte. Immer noch nach Atem ringend. "Ruf die Polizei. Sie müssen zu mir. Tom und Jan waren da. Ich hab sie eingesperrt," gab Julien stockend von sich, während er Leo beruhigend über den Rücken strich. Sie realisierte kaum, wo sie jetzt waren und dass sie immer noch nur in Unterhose und Shirt im Flur von Rezo stand.

Mit geweiteten Augen sah Rezo die beiden an, holte sein Handy aus der Hosentasche, um sofort die Polizei sowie den Notarzt herbei zu rufen. Nachdem er der Zentrale kurz erklärt hatte was er wusste gaben sie Bescheid, dass die Polizei sich zu Julien und der Notarzt zu Rezo begeben würde.

"Ich ... hol mal eine Hose für Leo," erklärte Rezo, worauf Julien nickte.

"Es wird alles gut," flüsterte Julien, während er Leo immer noch über den Rücken strich. Er spürte, wie sie zitternd Luft holte. Innerlich machte er sich in diesem Moment Vorwürfe, dass er damit nicht gerechnet hatte. Nachdem sie am Freitag schon bei Leo auf der Arbeit aufgetaucht waren hätte er es doch wissen müssen, dass sie es erneut versuchen. Und er war einfach so im Dunkeln raus gegangen, unaufmerksam und ohne es zu ahnen. "Hat er dir irgendwas getan?" fragte Julien vorsichtig, worauf Leo den Kopf etwas hob, um ihn an zu sehen. Ihre Augen blickten ihn ängstlich und traurig an, was Julien schmerzend Luft holen ließ.

"Mein Handgelenk," gab sie ihm die leise Antwort. Genau in diesem Moment kam Rezo aus seinem Schlafzimmer, in der Hand eine Joggingshose, die er Julien hin hielt. Dankend nahm sie dieser entgegen.

"Komm ich helf dir," sagte er zu Leo, die sich darauf von ihm löste und nickte. Wieder nahm Julien ihre gesunde Hand in seine, ging mit ihr ins Bad, wo er sie sanft auf den Klodeckel setzte. "Es ist dein linkes, hab ich Recht?" fragte Julien sie, während er vor ihr in die Hocke ging. Den Blick hatte er auf ihre Füße gerichtet, über die er jetzt die Hose zog. Da von ihr keine Antwort auf seine Frage kam sah er zu ihr hoch. Sie saß da, den Kopf nach rechts gedreht und sah auf die Badezimmertür. "Hey baby," sprach er sie leise an, worauf sie zu ihm sah. Sie schien gar nicht richtig anwesend zu sein. Als Julien ihr vorsichtig mit der rechten Hand über die Wange strich, schien sie zu erwachen und fokussierte ihn nach einigen Blinzern richtig. "Die Polizei wird sie verhaften. Ich hab die Tür abgeschlossen. Die können nirgendwo hin. Jan liegt ohnmächtig im Flur und Tom ist ausgeknockt im Garten. Dir kann nichts mehr passieren," sprach er beruhigend auf sie ein. Nachdenklich neigte sie den Kopf etwas und sah ihn an.

"Du bist verletzt," stellte sie leise und emotionslos fest, was Julien die Brauen runzeln ließ. Das Ziehen, was dadurch an seiner Stirn und Schläfe entstand ließ ihn diese Aktion jedoch sofort wieder beenden. Statt dessen tastete er mit den Fingern seiner rechten Hand an die Stelle, wo das Ziehen entstanden war. Er fühlte etwas hartes, trockenes - wahrscheinlich Blut. Doch bevor er sich das ansah wollte er Leo erst mal die Hose an ziehen, was er dann auch tat. Sie war schon mit beiden Beinen drin, da richtete Julien sich auf, half ihr ebenfalls auf zu stehen, um ihr die Hose komplett an zu ziehen. Die Hand an ihrer Hüfte nickte er ihr fragend zu, was sie langsam erwiderte. Dann erst machte er einen Schritt nach links, um sich vor den Spiegel zu stellen, der direkt über Rezo's Waschbecken hing. Tatsächlich war an seiner rechten Gesichtshälfte getrocknetes Blut, welches sich vom Haaransatz über die Schläfe zog. Ein dünner Strich verlief bis zu seiner Wange. Julien riss etwas Klopapier von der Rolle, stellte den Wasserhahn an und versuchte sich das Blut ab zu waschen. Nachdem er es halbwegs geschafft hatte vernahm er von draussen ein Klinngeln an der Tür. Sein Blick ging in diese Richtung, dann zu Leo, die ebenfalls dorthin sah.

"Das wird die Polizei sein. Oder der Notarzt," sagte Julien ruhig, schmiss das Klopapier in die Toilette und spülte ab, bevor er wieder nach Leo's Hand griff.

Ein Klopfen an der Badezimmertür ließ sie erschrocken zusammen zucken. "Ju?" hörten sie Rezo's Stimme, worauf Leo sich wieder entspannte. "Der Notarzt ist da."

Julien ging mit Leo an der Hand zur Tür, die er öffnete. Rezo stand seitlich zur dieser, sah erst Julien dann Leo an, die er fast schon traurig ansah. "Der Notarzt ist im Wohnzimmer," sagte er leise, was Julien nicken ließ.

Zusammen mit Leo an der Hand ging er den Flur entlang, bog links in den großen Flur und wieder links ins Wohnzimmer, wo bereits zwei Sanitäter standen. "Hallo," wurde Julien von dem vorderen begrüßt. "Ich bin André, oh ich sehe schon, du hast eine Kopfverletzung."

"Ja, aber das ist nicht so schlimm," wiegelte Julien ab, während er Leo sanft auf die Couch navigierte. "Meine Freundin hat ein verletztes Handgelenk." Sein Blick huschte kurz noch zu dem anderen Sanitäter, der sich gleich als Sascha vorstellte und vor Leo in die Hocke ging.

"Hallo, ich bin Sascha und du?" fragte er sie.

"Leo," sagte sie leise.

"Okay Leo, welches Handgelenk tut dir denn weh?"

"Während Sascha sich um deine Freundin kümmert würde ich mir mal deine Kopfverletzung anschauen ... du bist Julien Bam richtig?" sprach André Julien wieder an und ließ diesen nicken. "Kann ich Ju sagen?" Wieder nickte Julien. "Okay, dann lass mal sehen." Während André sich Juliens Kopfverletzung ansah beobachtete Julien ganz genau, wie Sascha vorsichtig Leo's Handgelenk abtastete, worauf sie das Gesicht verzog. Er hörte nur mit halbem Ohr wie er ihr sagte, dass es wohl gebrochen sei und ihr erklärte, dass er ihr einen Fixverband anlegen würde, um ihn zu stabilisieren, da André ihn wieder ansprach. "Was ist denn genau passiert?"

"Zwei ziemlich üble Typen sind bei uns aufgetaucht, von denen mich einer k.o. geschlagen hat," begann Julien zu erklären. "Derjenige hat auch meine Freundin angegriffen und ich musste ihn von ihr weg treten."

"Oha. Kannst du dich erinnern, womit der dich k.o. geschlagen hat?" fragte André doch Julien konnte nur mit dem Kopf schütteln.

"Er hat dich fallen lassen," kam es leise von Leo, worauf alle Augen plötzlich auf ihr lagen. Langsam drehte sie ihren Kopf zu Julien.

"Wie hat er ihn denn fallen gelassen?" wollte André wissen, bekam jedoch nur einen verständnislosen Ausdruck von ihr. "Ist Ju auf den Kopf gefallen, den Rücken oder auf die Seite?" hakte er nach.

"Den Rücken," sagte sie immer noch leise.

"Hast du dort irgendwelche Schmerzen Ju?" erkundigte André sich, während er sich nach dem Koffer bückte, aus dem er ein breites elastisches Etwas heruas holte.

"Nein, wir sind ja auch hierher gerannt." Die beiden Sanitäter wechselten kurz einen Blick und nickten.

"Seid wann ist deine Freundin so?" fragte André weiter.

"Seid wir hier sind. Vorher sind wir von mir nur hierher ...."

"Okay, ihr kommt beide mit ins Krankenhaus. Bei Leo werden wir das Handgelenk röntgen müssen, ausserdem scheint sie psychisch. Und bei dir möchte ich ein CT deiner Wirbelsäule und deines Kopfes, um eventuelle Schädeltrauma oder Wirbelsäulenverletzungen aus zu schließen. Ich werde dir jetzt ein Stifneck anlegen. Das ist eine sogenannte Halskrause."

Nachdem Julien nickend zugestimmt hatte fragte er André: "Psychisch?"

"Sie scheint einen Schock zu haben," erklärte er leise, während er Julien die Halskrause anlegte.

Verstehend nickte Julien und sagte ebenso leise. "Das glaube ich auch."

"Ich möchte, dass du dich hier auf den Stuhl setzt," bat André ihn und zog einen der vier Stühle etwas hervor, die um den Esstisch standen. Wie gebeten nahm Julien auf diesem Platz, da fiel sein Blick auf Rezo, der an der Küchenzeile lehnte und alles beobachtete. Als er den Blick von seinem Freund bemerkte lächelte er ihm aufmunternd zu, so dass Julien kurz die Augen schloss, bevor er ihm zu nickte.

Auf den zweiten BlickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt