vierzehn

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Leise, so leise wie möglich versuchte sie den Schlüssel herum zu drehen. In dem großen Treppenhaus hallte jedoch auch das leiseste Geräusch sehr viel lauter wieder, als es eigentlich war. Fluchend steckte sie ihren Schlüssel dann in ihre Tasche und huschte schnell in das Apartment, schloss die Tür mit einer bewundernswerten Vorsicht.

,,Du wolltest um zwei zu Hause sein", ertönte es dann hinter ihr und sie zuckte zusammen, schnappte nach Luft und fuhr herum. Ihr Mitbewohner lehnte mit verschränkten Armen im Türrahmen zum Wohnzimmer, musterte Sunny mit einem ernsten Blick.

,,Ich hab die Zeit einfach vergessen.."

,,Du hättest auch einfach anrufen können."

,,Mein Akku war leer."

Er hob eine Augenbraue und hob sein Handy in die Höhe, der Chat mit ihr war geöffnet: ,,Wie komisch, denn du warst um Halb drei schon wieder online."

,,Ich hab ein.. Ladekabel gekauft..?", meinte sie und wusste bereits, dass sie aus dieser Nummer nicht mehr rauskam. Seufzend zog sie also ihre Schuhe aus und lies ihren Rucksack zu Boden fallen.

,,Mein Gott, ist es so schwer, mir Bescheid zu sagen? Ich hab mir Sorgen gemacht!", brummte er genervt und stieß sich vom Türrahmen ab, fuhr sich durch sein fettiges Haar. 

Etwas schuldbewusst sah sie dann auf und bemerkte, wie fertig er aussah. Als wäre er die ganze Nacht wach geblieben, hätte nicht schlafen können. Was Jin, so wie sie ihn kannte, mit Sicherheit auch nicht getan hat. In ihrer Vorstellung hat er den gesamten Abend gebacken. Denn das war es, was er gegen seine Nervosität tat, gegen seinen überdimensional großen Drang der Sorge. Er suchte sich im Internet ein Rezept, meistens für Muffins oder irgendeinen Kuchen und fing dann direkt an. Erst ein Blech, dann ein Zweites, manchmal auch gleich ein Drittes. Wenn es besonders schlimm wurde, stand er manchmal auch die ganze Nacht in der Küche. Sie erinnerte sich noch gut an den Abend vor Jins ersten Arbeitstag. Die folgenden zwei Wochen hat sie sich nämlich nur von Blaubeermuffins ernähren müssen.

Sunny breitete ihre Arme aus und kam auf ihn zu, legte diese dann um seine Mitte, drückte ihren Kopf seitlich auf seine Brust. Mit einem kleinen Lächeln schloss sie dann die Augen und atmete tief aus.

,,Es tut mir leid. Ich weiß ja, dass du dir Sorgen machst. Ich hab einfach nicht daran gedacht", sie löste sich ein wenig und legte den Kopf in den Nacken, um zu Jin auf zu sehen: ,,Es wird nicht wieder vorkommen, okay? Ich werde ab jetzt besser darauf achten."

Mit einem leisen Seufzend legte er seine Arme dann ebenfalls um sie,  sah mit einem leicht frustrierten Ausdruck zu ihr herunter: ,,Wir wissen zwar beide, dass du es wahrscheinlich eh wieder vergessen wirst, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, oder nicht?"

Sie verdrehte amüsiert die Augen und löste sich dann leise lachend von ihm: ,,Du kennst mich ja, bei mir ist man immer hoffnungslos, ob im positiven oder negativen Sinne, ist jedem selbst überlassen."

,,Wohl wahr..", murmelte er und folgte ihr in die Küche, wo sie direkt von dem wunderbaren Duft frischen Gebäcks empfangen wurde. Dosen, Teller, Tüten und Tabletts, waren über die gesamten Theken verteilt und bis zum Anschlag voll mit Plätzchen.

Grinsend nahm sie sich einen und biss genüsslich ab, entspannte sich sofort ein wenig. Jins Hausgemachtes ließ sie wirklich ein wenig mehr wie zu Hause fühlen. Mit einem frechen Ausdruck wandte sie sich dann an ihren Mitbewohner: ,,Wenn du das nicht in den Griff bekommst, führst du mich in Versuchung, absichtlich länger weg zu bleiben."

,,Darüber scherzt man nicht Sun", brummte er beleidigt und fing an ein paar Dinge in die Spülmaschine zu räumen, als er versuchte, ein wenig von dem Chaos zu beseitigen, welches hier herrschte: ,,Denn ich hab ein ernsthaftes Problem."

ILLUSIONIST || kth.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt