sechunddreißig

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Sie saß aufrecht. Ein leichter Druck lag ihr quer über dem Brustkorb und an der Hüfte, drückte sie tiefer in den Sitz hinein, auf dem sie sich befand. Sie wusste nicht wo sie war. Sie sah nichts, ihre Augen waren geschlossen, nur die warmen Sonnenstrahlen die ihr aufs Gesicht fielen, brachten etwas Helligkeit in ihre Wahrnehmung. 

Langsam bekam sie immer mehr mit. Sie spürte die minimale Vibration des Fahrzeuges unter ihren Füßen, hörte die Radiosendung ihr tägliches Gewinnspiel mit den Anrufern abwickeln und atmete diese vertraute Luft - jeder einzelne Atemzug war gefüllt mit dem Duft des Neuwagens, mit dem Duft seines Aftershaves, sie konnte auch die Blumen riechen, die auf ihrem Schoß lagen und an jemanden gewidmet waren, der sie schon lange verlassen hatte.

,,Sie werden ihr gefallen", hörte sie seine Stimme, sah ohne zu sehen, wie er sie mit diesem typischen seiner Gesichtsausdrücke belächelte. Sie sah vor ihrem inneren Augen die vielen Lachfältchen um seine Augen herum, die eingefallenen Wangen, die mit dem Alter und der ständigen Arbeit entstanden waren, die kurzen Stoppeln seines Dreitagebarts. Sie nahm den leichten Silberschimmer in seinem dunklen Haar wahr, den Abdruck seines Eherings an seinem Ringfinger, der sich immer so deutlich abzeichnete.

,,Ich weiß. Jasmin war schon immer ihre liebste Blume gewesen."

Sie öffnete ihre Augen, das Licht blendete sie, als sie dem Fahrer zulächelte: ,,Das ist eine der wenigen Dinge, an die ich mich noch ganz deutlich erinnern kann."

Dann wachte sie auf. Sie regte sich nicht, starrte einfach nur geradeaus. Sie wusste ganz genau, wann die Erinnerung ihres Traumes passiert war. Und sie wusste genauso gut, dass das eben eine Szene war, die in dieser Harmonie nie wieder existieren kann. Nie wieder wird sie seine Stimme neben sich wahrnehmen können, nie wieder mit ihm gemeinsam in einem Auto sitzen. Und sie hütete sich davor, je wieder in die Nähe von Jasmin zu kommen, der unschuldigen Blume, die einen persönlicheren Wert für sie hatte, als für manch Anderen.

,,Guten Morgen", kam es seufzend von ihrer Seite und sie drehte ihren Kopf in eben diese Richtung, um einen grinsenden Hoseok anschauen zu können.

,,Hast du gut geschlafen?"

Sunny schmunzelte bei seinem Anblick, wie er seine Arme nach oben hob und den Rücken durchdrückte, um sich ächzend zu strecken und schließlich aufzusetzen. Sie nickte und er musterte, wie sie so da lag, ehe er sich auf sie fallen ließ.

,,Ich auch", brummte er zufrieden und bettete seinen Kopf auf ihrer Brust, während ihr die Luft lachend entwich und sie ihn dann von sich runter schob.

Sie setzte sich auf der ausgeklappten Schlafcouch aus, überflog die bekannte Einrichtung ihres Partners. Sie hatten gestern noch gemeinsam auf dem Sofa gesessen und über belanglose Dinge geredet, einfach vollkommen frei und ohne jeglichen Sinn. So ganz normal, das hat ihr gut getan. Die Wohnung verfügte über nicht allzu viele Räume, Schlafzimmer, Bad, Küche und ein etwas größerer Raum in dem Ess- und Wohnbereich miteinander kombiniert waren. Klein kompakt und unordentlich, so würde man hier alles am ehesten beschreiben können.

,,Hast du Hunger?", fragte er dann nachdenklich und stand auf, öffnete die Balkontür einen Spalt weit, sodass die stickige Luft hier verschwand. Ihre nackten Beine wurden von einer Gänsehaut überzogen und sie hüllte sich in die Decke, die neben ihr lag, ehe sie hinter Hoseok her schlurfte.

,,Ja schon irgendwie."

,,Soll ich uns etwas kochen?"

,,Kannst du denn kochen?", fragte sie ihn mit einem frechen Unterton: ,,Oder beschränken sich deine Kochfertigkeiten auf das Warmmachen eines Fertiggerichts in der Mikrowelle?"

ILLUSIONIST || kth.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt