sechzehn

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Kraftvoll schlug er die Tür zu. Seine Wut war zu spüren, zu hören, deutlich zu erkennen. Er konnte die Abfuhr, die ihm sein Privatdetektiv praktisch gegeben hatte einfach nicht verkraften. Keine Ergebnisse brachten ihm nicht viel. Er würde es nicht akzeptieren, denn das Nichts war keine Möglichkeit für ihn, das war es nie gewesen.

Versagen - ein Begriff, den er nicht kannte. Sein Vater war ein Meister dessen gewesen. Verächtlich schnaubte er auf, als er an seinen Erzeuger dachten musste, ihm zugleich auch einige andere Dinge in den Kopf schossen, die er mit ihm verbinden konnte. Er würde nie wie sein Vater enden, nie dieselben Fehler wie er begehen.

Er schritt auf seine Bar zu und schnappte sich wahllos eine Flasche, öffnete sie mit einer energischen Bewegung und nahm einen kräftigen Schluck aus ihr, bevor er sich etwas von dem Alkohol in ein Glas goss. Seine Hände stemmte er in die Theke, starrte in die Flüssigkeit vor sich. Ob er wohl ein kleines Alkoholproblem hatte, so oft, wie er trank? Kopfschüttelnd verwarf er den kurzen Gedanken so schnell wie er gekommen war, nahm das Glas und die Flasche mit nach oben in sein Büro. Auf dem Weg lockerte er seine Krawatte, öffnete den obersten Knopf seines Hemdes. Nein. Er hatte gewiss kein Problem mit Alkohol oder Ähnlichem. Er war perfekt. Er war nicht wie sein Vater. Er war kein Versager.

Schwungvoll ließ er sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen und nippte wieder an der brennenden Flüssigkeit. Während er so da saß und seine Wut langsam verrauchte, als er diese mit der beruhigenden Wirkung des Alkohols mäßig stimmte, glitt seine Konzentration auf ein kleines Bild auf seinem Schreibtisch. Der Rahmen des alten und mittlerweile schon leicht verblassten Fotos war an den Ecken abgenutzt und hatte ein paar wenige Kratzer im Glas. Kein Wunder, schließlich war es bereits ganze zehn Jahre alt und hatte so manchen Umzug verkraften müssen. Das Foto war eines der Wenigen, auf denen er zusammen mit seinem Vater abgebildet war. Sein alter Herr trug eine Anglermontur an seinem Körper, wie man sie aus Zeitschriften oder Werbespots kennt. Er dagegen war normal gekleidet, allein die Angelroute in seiner Hand zeigte, dass er damals mitgemacht hatte. Er nippte wieder an dem Glas. Auch wenn es nicht seine Idee gewesen war damals. Oder die seines Vaters. Es war die Idee von Jemandem gewesen, der sich eine Verbesserung der Vater-Sohn-Beziehung erhofft hatte. Was dieser Jemand damals nicht gewusst hatte war, dass solch eine Beziehung auch nicht durch einen Angeltrip verbessert werden konnte. Taehyung beugte sich vor und kippte das Bild dann vorne über, versteckte die Erinnerungen in der dunklen Tischplatte.

Und heute war sowieso alles anders. Heute waren beide tot, die er mit diesem Foto in Verbindung brachte. Beide sind damals gestorben, vor acht Jahren in diesem tragischen Autounfall, der ganz groß ins Fernsehen kam. Der Wagen wurde von einem Sattelzug seitlich gerammt, hat sich mehrmals überschlagen und ist anschließend komplett ausgebrannt. Beide Insassen waren auf der Stelle tot. Er kippte den restlichen Inhalt seines Glases komplett herunter.

Er loggte sich in seinem Computer ein. Er würde kein Versager sein, wie sein Vater es gewesen war und anschließend äußerlich unidentifizierbar irgendwo aus einem Autowrack an der Hauptstraße gezogen werden. Und er würde auch nicht so naiv sein, wie der Dritte im Bunde es gewesen ist, dessen Namen er sich geschworen hatte mit seiner Vergangenheit zu vergessen. Schon so oft hat er sich selbst gesagt, dass die Gegenwart zählt, schon so oft hat seine Mutter ihm dies eingebläut. Und mit diesem Rezept bekam er bisher immer, was er wollte. Das würde sich auch heute nicht ändern, nur weil so ein Privatdetektiv es nicht auf die Reihe bekam, seinen Job ordentlich zu machen.

Maya, so war das Pseudonym der Frau, die niemand kannte. Die Frau, welche Eleganz und Schönheit zu meistern wusste. Welche für seine Augen, eine wahre Augenweide war. Nicht oft gab es eine Frau, die er wirklich begehrte. Es war selten, etwas Besonderes, wenn er so empfand. Und diese Identität, die sie zu verrschleiern, mit einer Maske ihr Gesicht zu verstecken wusste - er musste wissen, wer sie war. Er wusste - nein -, er war sich sicher, dass diese Frau etwas Größeres und weitaus interessanteres hinter sich verbarg, als nur ihre zauberhafte, verblüffende Show.

ILLUSIONIST || kth.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt