fünfzehn

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Der Mann starrte in die Kaffeetasse in seinen Händen. Durch das Schnellrestaurant hallten allerlei Stimmen, ob nun von den Kunden oder Angestellten. Man hörte das Piepsen der Kassen, der Fritteusen, bekam die Hektik am eigenen Leibe mit. Doch er ließ sich nicht davon anstecken, denn er hatte eine andere Aufgabe. Leise seufzend hob er seinen Kopf und sah aus dem Schaufenster, an welchem so viele Passanten selbst in dem späten Abendverkehr noch vorbei liefen.

Er wartete auf jemanden. Auf seinen Auftraggeber. Er hob die Tasse an und nahm einen kräftigen Schluck von dem dunklen Getränk. Der billige Kaffee hier verdiente nicht mehr den Namen Kaffee, mittlerweile war es nur noch heißes Wasser mit einem winzigen Bisschen an Aroma. Er musste es ja wissen, denn er besuchte dieses Schnellrestaurant bereits seit mehreren Jahren. Seit 21, wenn man es genau nehmen wollte.

Das erste Mal kam er hierher, nach einem abgeschlossenen Fall. Er arbeitete damals noch bei der örtlichen Polizei, bei der Mordaufklärung. Eigentlich ein Anlass zum Feiern, doch er hatte wieder und wieder vor Augen geführt bekommen, wie grässlich die Menschen heutzutage sein konnten. Dann hat ihn eine der Kellnerinnen auf sein trauriges Gesicht hin ausgefragt, ihm von ihrem Trinkgeld ein Stück Käsekuchen spendiert. So hatte er an jenem Abend nicht nur die Abgründe der menschlichen Natur, sondern auch die liebevollen Seiten kennenlernen dürfen.

Diese Frau ist knapp zwei Jahre später seine Frau geworden. Und drei wunderschöne Ehejahre später, kam diese ums Leben. Er war so gebrochen wie noch nie, nichts ergab mehr Sinn, er wollte ja nicht einmal mehr lange genug an etwas arbeiten, bis es Sinn ergeben könnte. Er kündigte seinen Job, verließ die Polizei, wollte sich ein kleines Häuschen an der Küste kaufen und den Traum seiner großen Liebe für sie weiterleben - für sie in einem Schlafzimmer mit Blick aufs Meer alt werden. Seine Mundwinkel zuckten bei diesem Gedanken. Sie war schon immer eine ganz besondere Frau gewesen. 

Als er dann jedenfalls in das Restaurant zurückkehrte, ein letztes Mal - so glaubte er damals -, um ihre wenigen Habseligkeiten hier abzuholen, da bestellte er sich denselben Käsekuchen, den sie ihm damals gekauft hatte. Der Kuchen schmeckte genauso, genauso schwer und klebrig, war genauso wenig komplett durchgebacken gewesen, wie beim ersten Mal, als er ihn probiert hatte. Und dann, dann traf er an jenem Tage wieder auf eine Person, die sein Leben umkrempeln würde. Er hatte bis heute den irrsinnigen Gedanken, dass dieser Käsekuchen irgendwie etwas mit den ganzen Geschehnissen gemeinsam hatte.

Kim Taeyang, so hieß der Mann damals, der sich zu ihm setzte und sich bei ihm erkundigte, ob der Kuchen wohl genießbar wäre. Er hat geantwortet, mit dem Kaffee könne man ihn ganz gut herunterwürgen, der Fremde hatte gelacht, sich ebenfalls ein Stück bestellt und sich dann zu ihm gesetzt. Und so saßen sie damals dort an der Theke, mit den knallroten Barhöckern, die dort immer noch standen, auch wenn ihre Farben nun verblasst waren. Taeyang, er war es, der ihm einen Job anbot, nachdem er von der Lage des Witwer erfuhr.

Wenn wir jemanden verlieren, den wir lieben, dann sollten wir uns daran festhalten, dass wir immer noch leben. Und das müsse einen Grund haben. Und so wie Taeyang es dem Mann erklärt hatte, wurde dieser Grund durch das Lieben von neuen und anderen Personen verkörpert. Ein gebrochenes Herz würde seine Zeit brauchen, aber vollends heilen kann es erst, wenn es wieder schneller Schlagen, Flattern und herum Spinnen kann, wie es bei einem jungen Kolibri der Fall war, oder bei der wahren Liebe zu einem Menschen. 

Und dann aß er seinen Käsekuchen zu Ende, verkaufte das Haus mit dem Schlafzimmer mit Meerblick an jemand Anderen, ließ die Sachen seiner auf ewig in seinem Herzen bleibenden Frau in dem Schnellrestaurant zurück und fing an zu arbeiten für Kim Taeyang, den Mann, der damals seine Sichtweise auf so einige Dinge verändert hatte. Doch auch dieser Mann hat irgendwann sein Vertrauen missbraucht. Seine Frau hat ihm gezeigt, was für Machenschaften Taeyang mit seiner Firma am Laufen hatte, wie er ganz langsam und qualvoll den einfachen Bürgern ihr Geld aus der Tasche ziehen würde.

ILLUSIONIST || kth.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt