einundsechzig

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Nach dem er das ausgesprochen hatte, hustete der Mann wieder heftig auf, stieß etwas Blut hervor. Seine Lippen waren von der roten Flüssigkeit getränkt, die nun sein Kinn hinunter tropfte und bereits seine Hände und sein dunkles Oberteil in dieser grässlichen Farbe getränkt haben.

Sie robbte näher zu ihm und legte ihre Hände zittern auf seine, versuchte dann mit ihrem Körpergewicht den Druck auszuüben, der ihr in der Sekunde am ehesten zum Stillen der Blutung genützt hätte. Doch während Eunjin am anderen Ende des Raumes noch immer gefangen war in der Situation, sich nicht regte und Sunny mehr zu sich selbst murmelte, dass Alles gut würde, als zu dem Sterbenden, legte sich seine blutverschmierte Hand um ihr Handgelenk.

Wimmernd zuckte ihr Kopf sofort zu ihm. Sie konnte nicht aufhören zu weinen, der Schock überforderte sie, der Geruch des Eisens benebelte ihre Wahrnehmung und ihre Sinne, dass sie ihn hilfesuchend und flehend ansah, er möge doch noch etwas durchhalten.

,,Es ist ..okay", kam es über seine unnatürlich gefärbten, rubinroten Lippen, seine Mundwinkel zuckten. Seine Finger schlossen sich etwas fester um ihr Handgelenk, als er einen erneuten Hustenreiz unterdrückte. Die Kugel hat sich durch seinen Oberkörper, durch seine Lunge gebohrt, deren einer Flügel sich nach und nach mit dem Blut vollpumpte, dass durch seinen Körper floss.

,,Nichts ist okay", antwortete sie ihm verzweifelt, drückte noch fester auf das Eintrittsloch der Wunde, aus dem weiterhin das ganze Blut zu kommen schien, welches dann unaufhaltsam das Leben aus ihm zog.

Doch RM hob seine Hand und legte sie auf ihr Haar, auf ihren Kopf, wie es Taeyang so viele Male und auch er damals im Krankenhaus getan hatte.

,,Doch... Du m..usst h...hier raus. Du hast ..nicht mehr ..v..viel Zeit", keuchte er und deutete zu Eunjin, die die oberste Schublade aufriss und bereits die nächste Kugel herauszog, um den Revolver nach zu laden. Ihre Finger zitterten nicht einmal, ganz im Gegensatz zu denen von Sunny.

Diese wurde nämlich von RM zu Seite geschoben, der seine letzten Kräfte darauf setzte, die Blondine aus dem Raum zu schaffen. Aber sie konnte nicht, sie würde ihn nicht alleine lassen können.

,,Aber du-"

,,Geh-", er hustete und schluckte schwerfällig, als würde er gerade etwas unheimlich Schweres anheben, nickte zu der Tür, die aus dem Salon führte: ,,-JETZT!"

,,Wie, du willst schon gehen?", lachte Eunjin auf, als Sunny zurücktaumelte. Die Schwarzhaarige fuchtelte mit der geladenen Waffe in ihrer Hand herum und richtete sie auf das Mädchen, welches einen letzten Blick zu Namjoon warf, ehe sie auf seinen Rat hin aufstand und zu dem Ausgang stolperte.

,,DABEI HABEN WIR UNS NOCH NICHT VERNÜNFTIG VERABSCHIEDET", schrie Eunjin und wollte gerade abdrücken, als sich direkt neben ihr eine Kugel in die Wandvertäfelung bohrte. Namjoons Hand zitterte heftig, als er versuchte sie zu treffen, um Sunny den Ausweg zu ermöglichen, damit wenigstens sie weiterleben konnte.

Es dauerte nicht lange, da verließ ihn seine Kraft, das Adrenalin legte sich langsam und die Schmerzen wurden immer stärker. Er fühlte sich, als strichen eiskalte Fingerspitzen über seine Haut, zogen ihn langsam in eine eisige, dickflüssige Masse herunter. Seine Hand konnte die Pistole nicht länger halten, er schnaufte und sah einfach zu der Decke empor, sein Brustkorb zuckte unregelmäßig, als er allmählich an seinem Blut erstickte.

Mit leisen Schritten kam Eunjin aus ihrer Deckung hervor, schob die Waffe mit einem Tritt aus der Hand des am Boden Liegenden und richtete den Lauf der Ihren auf seinen Kopf. Sie lächelte ein wenig, der Hass und die Gier nach endgültigem Sieg spiegelten sich in ihren Augen wieder.

,,Du warst all die Jahre ein sehr loyaler Mensch gegenüber mir. Ich möchte Gnade walten lassen, ich bin schließlich auch kein Unmensch", flüsterte sie und schoss ihm in den Kopf.

Das Zucken seiner Glieder, das Rasseln seiner Atemzüge verstummte. Seine Augen verloren ihre Sicht, verloren sich ins Leere. Sie hat sein Leiden, sein langsames Dahinscheiden beendet, fühlte sich dadurch erneut bestärkt, in ihrem Handeln. Sie fühlte sich gerechtfertigt, mächtiger als je zuvor. Dann drehte sie sich von der Leiche weg und lud das gesamte Magazin des Revolvers voll, würde jede der sechs Kugeln in dem Körper von Sunny verschwinden sehen wollen.

Diese rüttelte verzweifelt an der massiven Haustür, die abgeschlossen war, durch die sie zwar herein gekommen war, aber nicht wieder nach draußen finden würde. Kurzerhand drehte sie sich um und rannte durch die Räume und Flure, durch die sie ihre Beine vor Jahren auch gelotst hatten. Sie versuchte so wenig Geräusche zu machen, wie nur möglich, als sie die Treppe in den ersten Stock nahm, auf jede zweite Stufe trat.

,,Dein Versteckspiel macht das Ganze noch sehr viel armseliger, als es sein muss, Süße", summte Eunjin, die in ihrem Wahn der Säuberung steckte. Jetzt hatte sie es begonnen, jetzt würde sie es beenden. Keinen Tag länger würde sie Leben können, ohne dass der Dorn in ihrem Auge weiter wachsen konnte. Sie sah das blonde Haar gerade von der Treppe verschwinden, hatte in die Richtung geschossen, sie jedoch verfehlt.

Seufzend fing dann auch die Herrin des Hauses an, die Treppen nach oben zu steigen. Allerdings war sie ruhig, fast schon entspannt und strich mit ihrem Damen die ganze Zeit über den hölzernen Griff des Revolvers, der ihr das Gefühl von Überlegenheit vermittelte, nach dem sie so süchtig war.

Sunny schloss gerade eine Tür hinter sich, schloss ab und hechtete in das Innere des Zimmers, in dem sie früher ihre Nächte verbracht hatte. Alleine und mit Taehyung. Sie konnte jedoch nicht weiter an jene Zeiten denken, rannte weiter zu der gläsernen Balkontür und versuchte diese aufzubekommen. Wenn sie hier raus gelangte, müsste sie nur über die an der Hauswand befestigten Treppe auf die Terrasse im Erdgeschoss und dann zu ihrem Auto, um zu verschwinden. Das Ziel lag so klar vor ihren Augen, als sie an dem Hebel zerrte und die alte Tür, die lange nicht mehr geöffnet wurde, sich nur Zentimeter für Zentimeter bewegte.

Leise klopfte es, was ihr Herz noch schneller zum Rasen brachte. Sie riss heftiger an der Tür, die dann endlich ihrer Verzweiflung nachgab. Allerdings hat Eunjin bereits gemerkt, das sie nicht ohne weiteres in das Zimmer gelangen könnte. Kurzerhand schoss sie also auf das Schloss, welches beim dritten Schuss nicht mehr vorhanden war.

,,Du kannst dich nicht verstecken..", knurrte sie und stieß die Tür auf, drehte sich zu dem Balkon, über den Sunny soeben verschwand und schoss wieder in ihre Richtung, brachte das Glas mit einem lauten Knall zum Zerbersten. Ihre Wut wuchs, sie gab sich nicht damit zufrieden und stieg kurzerhand über die Scherben, folgte ihrem Ziel nach draußen, in die Eiseskälte.

,,Es ist vorbei, Sunhee", fluchte sie laut in den noch immer dichten Schneefall hinein, orientierte sich an den Fußspuren, die sie auf dem Boden verfolgen konnte und die aus der feinen, weißen Schicht herausstachen.

Sunny war mehrmals fast ausgerutscht, verschluckte sich mehrmals an ihren eigenen Tränen, während sie nur noch in ihr Auto und hier weg, einfach WEG von dieser Frau wollte, als sie das laute Zerbersten mitbekam und ihren Kopf nach hinten warf, um zurück zu schauen. Sie lief weiter, drehte sich dann wieder nach vorne und schrie leise auf, als sie geradewegs in jemanden hinein lief, der seine Hände direkt fest um ihre Oberarme legte, bevor sie hinfallen konnte.


Sunny

Sie mag ihre Masken durchaus auch in der Realität leben können, sich wie eine Illusion verhalten, doch es spricht ein einfacher Mensch aus ihr.


ILLUSIONIST || kth.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt