vierundfünfzig

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Er saß alleine, auf der Couch in seinem Apartment. Er fühlte sich zwar nicht sicher, aber wo hätte er denn sonst hin gekonnt? Seine Firma wurde belagert, er war eine laufende Zielscheibe. Die Presse würde ihn bombardieren als Geschäftsführer der KIMcompany, die Menschen und Kunden würden ihn anbrüllen, aus Frust, Wut und Trauer. Er konnte es ihnen ja nicht verübeln, bei den Dingen, die Sunny zuvor aufgelistet hatte, als sie Maya spielte.

Er schloss die Augen und unterdrückte die Tränen. Sunhee. Es war Sunhee gewesen, die Sunny gespielt hatte. Schwer atmend fuhr er sich durch sein Gesicht und sein Haar, um nicht erneut weinen zu müssen.

Wie konnte das Alles nur passieren? Wie konnte ihm, dem perfekten, gerissenen und allzeit vorbereiteten Kim Taehyung nur solches widerfahren? Es war eine Anomalie in seinem Universum, ein Fehler in der Programmierung seines Leben, dass er - ER, so einen unglaublichen Fehler begehen konnte.

In seiner Wut schrie er leise auf und sprang ruckartig auf die Beine. Mit einer fließenden Armbewegung riss er die paar Gläser vom Couchtisch vor sich, die mit lautem Scheppern auf de Fliesen zerbrachen. Die vielen Glassplitter verteilten sich über dem Boden, in einem Schauer an Einzelteilen, genauso wie sich sein Herz in diesem Moment anfühlte. Seine Existenz.

Wimmernd rutschte er auf die Knie und überwand sich zum Einsammeln der scharfen Glasstückchen, doch hielt dann urplötzlich inne. Seine Augen waren auf die Spiegelung seiner selbst gerichtet. In einer der Scherben erkannte er sein Gesicht, so schrecklich rot und geschwollen, durch die vielen Tränen und vor Trauer und Schmerz verzerrt.

Dann schrie er ein weiteres Mal auf, schlug mit seiner geballten Faust genau auf die Spitze Scherbe, auf das verzerrte Spiegelbild, in dem er nicht nur einen völlig anderen Kim Taehyung gesehen hatte, sondern auch das Abbild seines Vaters. Nie hat er so enden wollen wie er, wie dieser Bastard und jetzt war er noch sehr viel tiefer gesunken. Sein Leben wurde ihm genommen, die Karriere zerbrach und seine Liebe floss ihm zwischen seinen Fingern hindurch, wie Wasser, trotz, dass er verzweifelt nach ihr schnappte.

Die Glasscherbe färbte sich rubinrot. Er hatte seine Hand verletzt, das Blut bedeckte die Glasscherbe nun so, das er sich nicht mehr ansehen konnte.. sich nicht mehr selbst sehen musste. Er schluchzte leise auf und erhob sich dann, schlurfte in die Küche, um dort seine Hand erst abzuspülen und dann in eines der Handtücher zu wickeln. Unterdessen hörte er das leise Piepen seiner Haustür, hörte wie sie aufging und wie danach leise Absätze durch das Wohnzimmer halten und immer näher kamen.

Sein Puls schoss in die Höhe, als ihm der Gedanke kam, dass sie für ihn zurück war. Dass das Bild in seinem Kopf, in welchem sie in den Wagen stieg und wegfuhr, wirklich nur in seinem Kopf existierte. Doch als er herumfuhr,  erstarrte er. Die Aufregung, die Hoffnung wich und er drehte sich fast direkt wieder weg. Sie war die Letzte, die er nun sehen wollte.

,,Sie war noch nie gut für dich gewesen, Taehyungie."

Seine Hand krallte sich in das Handtuch, mit dem seine Andere verbunden war. Er biss feste die Zähne zusammen, als er ihre Stimme hörte. Sie wusste gar nichts. Weder über ihn, noch über sie. Es sei denn natürlich, sie hat die Ganze Zeit über gewusst, wer Sunny in Wirklichkeit war.

,,Hast du es gewusst?", presste er hervor, ohne versehentlich brüllen oder stottern zu müssen.

Eunjin seufzte leise, legte ihre Handtasche auf der Küchentheke ab und zog ein paar Unterlagen heraus, kam ihrem Sohn dann langsam näher. Bei jedem Schritt hallten ihre hohen Absätze auf den Fliesen wieder.

,,Nein, natürlich nicht", log sie ihn schamlos an, leckte sich über den Mundwinkel und kam ihm noch ein wenig näher.

,,Ich hab dir etwas mitgebracht."

ILLUSIONIST || kth.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt