29. Zoe ist nicht die einzige mit Nahtoderfahrungen

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Zane

Tatsächlich steht die Sonne noch nicht so tief am Himmel, als wir endlich aus diesem vermaledeiten Wald herauskommen. Ich habe nichts gegen Wälder, ein Waldspaziergang soll ja sehr gesund sein. Doch ich schätze mit diesem Spaziergang kommen wir ins Guinnessbuch der Rekorde. Auch die anderen scheinen erleichtert, endlich wieder Sonnenlicht ohne Blätter zu sehen. Auch wenn uns der Schweiß den Rücken hinunter rinnt und über die Stirn läuft. Schließlich ist es Sommer. Nachdem wir uns etwas vom Wald entfernt haben sehen wir auch, dass die beiden Frauen von dem fliegenden Boot recht hatten. Ganz in der Nähe von der Stelle, an der wir aus dem Wald gekommen sind steht ein Haus, das ist die einzige Beschreibung, die mir einfällt. Es ist nicht sonderlich breit, aber mindestens drei Stockwerke hoch und es hat ein spitzes Dach. Neben dem Haus gibt es einen garagenartigen Anbau, aus dem die Geräusche eines Schweißbrenners dringen. Um das Haus herum ist ein Garten angelegt, dessen Fülle schon von weitem erkennbar ist. Alles in allem ist es ein sehr einladendes Bild, was mich stutzig macht. Alles, was irgendwie gefährlich war sah bis jetzt einladend aus. Wieso sollte es bei diesem Haus anders sein? Andererseits sind wir irgendwo in den USA, haben keine Ahnung wo und müssen bis in drei Tagen wieder auf Long Island sein. Ohne irgendwelche Hilfe ist das eigentlich nicht zu schaffen, was ich auch meinen Begleitern darlege. Sowohl Zoe als auch Marie sind dabei meiner Meinung und so steuern wir doch auf das Haus zu. Immerhin sind wir gestern auch zum Wasser gegangen, obwohl wir eine ernstzunehmende Warnung hatten es nicht zu tun. Ich glaube, dass das bei solchen Einsätzen sogar normal ist. Irgendjemand sagt einem, dass man irgendwo nicht hingehen soll und man muss es trotzdem tun. Am Ende kann man sich dann entweder irgendwie durchschlagen oder man stirbt. Unsere kurze Begegnung mit Hera hat mir außerdem die Vermutung nahe gelegt, dass den Göttern nicht viel an uns liegt. Ist ja auch irgendwie logisch, sie haben schon so viele von uns kommen und gehen sehen. Auf ein paar mehr oder weniger kommt es da auch nicht mehr an...

Der überraschte Aufschrei einer Frau reißt mich aus meinen Gedanken. „Ihr habt wohl im Wald noch nicht genügend Monster getroffen um diesem Haus aus dem Weg zu gehen." Stellt sie dann fest, bevor sie uns einmal von Kopf bis Fuß mustert. Wir tuen es ihr gleich. Die Frau hat lange hinten zu einer kompliziert aussehenden Frisur aufgesteckte Haare. Sie haben ungefähr die Farbe von Karamell. Desweiteren hat sie Mandelförmige Augen, die auch etwa die Farbe von dunklen Mandeln haben. Sie trägt Jeans und ein weißes T-shirt. Ihre Arme sind mit Maschinenöl beschmiert, aber das T-shirt hat davon nichts abbekommen.
Während ich mich noch frage, wie sie das geschafft hat wird ihr Gesicht immer blasser. Sie atmet einmal tief durch, bevor sie weiterredet: „So wie es aussieht schon. Jedenfalls freue ich mich euch hier begrüßen zu dürfen. Ich bin Kalypso, was kann ich für euch tun?" Kalypso also, ich schaue zu meiner Schwester, die überraschend gut verbergen kann, wie fieberhaft sie nachdenkt. „Kalypso", sagt sie schließlich: „Ich habe den Namen schon einmal in irgendeiner Sage gehört." Kalypso schaut sie überrascht an und ist damit nicht die einzige, Marie und mir geht es genauso. Lamia gestern habe ich noch irgendwie erkannt, aber der Name Kalypso sagt mir ungefähr so viel wie Petersuchos und Sobek. Wieder einmal kann ich froh sein, dass meine Schwester ein besseres Gedächtnis hat. Irgendwie ist das deprimierend. Andererseits...
Zoe halten die verwirrten und überraschten Blicke nicht davon ab weiter zu überlegen: „Du bist die Kalypso aus den Sagen." Die Frau streitet es nicht ab. Na toll, schon wieder irgendwer, der uns umbringen will. „Das ich in einer Sage vorkomme heißt noch lange nicht, dass ich euch umbringen will." Sieht man mir an, was ich denke?
Anscheinend nicht, sonst wäre darauf jetzt eine Antwort gekommen. „Das hat Lamia auch gesagt!" Hält Zoe dagegen. Auch wenn Lamia das nicht gesagt hat, zumindest wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht. Kalypso seufzt, als sich plötzlich eine dritte Stimme in das Gespräch einmischt: „Ich kann euch aber versichern, dass Kalypso nicht so wie Lamia, wer auch immer das ist, ist." Sagt ein Mann, der gerade aus dem Anbau kommt. Er hat schwarze Haare und wenn es große Kobolde geben würde, dann sähen sie so aus. Auch er trägt Jeans, aber sein T-shirt ist grün und ich könnte schwören, dass Flammen um seine Finger züngeln. Jetzt stellt er sich neben Kalypso und legt einen Arm um sie. „Ich bin Leo Valdez, der Mechaniker hier." Dieses Mal sagt der Name auch mir etwas. Ich habe ihn vor kurzem schon einmal gehört, wahrscheinlich im Camp. Doch leider kann ich mich auch dieses Mal nicht an den Zusammenhang erinnern. Immerhin klingt sein Name nicht so, als würde er aus irgendeiner Mythologie kommen. Vielleicht können wir den Beiden ja doch vertrauen. Zumindest so, wie wir den zwei Frauen mit dem fliegenden Boot vertraut haben. Ich schaue zu Zoe und Marie, um mich mit ihnen abzustimmen. Aber beide Mädchen sind auf einmal fast so blass wie Kalypso vorher.

„Du warst tot". Marie schaut Leo an, als wäre er eine Engelserscheinung. Dieser wechselt einen Blick mit Kalypso. Dann lächelt er anerkennend: „Pluto oder Hades?" Fragt er, worauf Marie wie ein Todesengel lächelt: „Thanatos", sagt sie. Wieder wechseln die beiden einen Blick. „Und ihr beide?" Fragt Kalypso dann. „Poseidon". Sage ich, damit auch einmal etwas sage. Schließlich habe ich nicht vor mir das Image desjenigen anzueignen, der immer nur begriffsstutzig dasteht. Ein letzter Blick wird zwischen Kalypso und Leo gewechselt. Mir kommen die Worte wieder in den Sinn, die Luca nach dem Flagge Erobern zu mir gesagt hat: „Die meisten von ihnen haben noch mit ihm gekämpft." Ob das auch auf diese Beiden zutrifft. Sie dürften beide ungefähr im Alter von Jason und Piper sein. Auch wenn Kalypso älter sein muss, wenn sie in den Sagen vorkommt...

In diesem Moment hat Leo sich wieder gefasst. „Alles klar, ich bin..." Er wird von meiner Schwester unterbrochen: „Leo Valdez, Sohn des Hephaistos."

Zane & Zoe - die zerbrochene GöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt