Epilog

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Das Schlachtfeld war eine einzige Wolke aus goldenem Staub. Das war das erste, was der Frau auffiel, als sie ankam. Sie wusste nicht genau, was sie erwartet hatte. Doch sie hätte nicht gedacht, dass es bereits so schlimm war. Überall konnte sie hier den rötlichen Schimmer sehen. Selbst auf dem goldenen Staub. Es war Jahre her, dass sie diese geballte Energie das letzte Mal gespürt hatte. Es war sogar sehr viele Jahre her. Die Frau biss sich auf die Unterlippe, während sie nun immer näher an die Schlacht heran kam. Sie hätte früher los sollen, dabei wusste sie, dass sie nicht hätte früher loskommen können. Unter ihr kämpften so viele Menschen um ihr Überleben. Nach all den Jahren machte es der Frau immer noch Angst. Dabei hatte sie gewusst, dass es irgendwann hatte passieren müssen. Sie hatte nur gehofft, dass die anderen auch bereit waren. Sonst sah es mal wieder gar nicht gut für die Welt aus.

Unter ihr kämpften zwei Jugendliche gegen eines ihrer Monster. Sie waren nicht viel älter als die Frau es gewesen war, als sie das erste Mal ein Monster bekämpft hatte. Jetzt war allerdings keine Zeit dafür in Erinnerungen zu schwelgen. Mit ein paar gezielten Worten und Bewegungen war das Monster ausgeknockt. Hoffentlich würde es eine Weile dauern, bis sie es wiedersehen musste. Aus der Ferne tönten jetzt mehrere Schmerzensschreie. Sie schienen den Lärm des Kampfes noch zu übertönen. Die Frau hörte solche Schreie nicht das erste Mal. Sie würde sie wahrscheinlich auch nicht das letzte Mal hören. Nun war sie bei dem Schlachtfeld angekommen. Sie blieb kurz stehen und schaute noch einmal auf das, was vor ihr lag. Kurz ertappte sie sich bei dem Gedanken, dass es hier sehr idyllisch sein könnte. Dann zwang sie sich allerdings wieder dazu ihre Gedanken zu fokussieren. Sie spürte die Energie unter ihrer Haut prickeln, bereit loszuschlagen. Noch war es allerdings nicht Zeit dazu.

Wieder hörte die Frau einen dieser entsetzlichen Schreie. Entschlossenheit machte sich auf ihrem Gesicht breit. Sie war alleine, auch in ihrer Welt ging es drunter und drüber. Sie hatten niemanden sonst entbehren können und so hatte sie sich gesagt, dass sie es auch allein schaffen konnte. Sie straffte die Schulter und griff mit einer Hand in ihre Tasche. Das hier war um einiges gefährlicher, als ihre letzten Einsätze. Trotzdem war sie sich sicher, es wenigstens versuchen zu müssen. Mit einem entschlossenen Schrei, der vom restlichen Lärm der Schlacht geschluckt wurde, stürzte sich auch die Frau in den Kampf.

Sie kam an Menschen, Jugendlichen und Monstern, vorbei. Alle kämpften verbissen und obwohl ihre Augen nach kurzer Zeit von dem goldenen Staub tränten gönnte sie sich keinen einzigen Moment mit geschlossenen Augen. Stattdessen schaute sie sich die Leute an, die um sie herum kämpften. Sie alle schienen genau zu wissen, was sie zu tun hatten. Sie alle waren wild entschlossen ihre Heimat zu verteidigen. Für einen Moment fragte die Frau, was sie eigentlich hier machte. Sie gehörte nicht hierhin, hatte noch nie hierher gehört. Sie musste sich zwingen weiter zu gehen und schließlich sah sie ihre ersten Toten. Es war ein Junge. Er hatte braunes Haar und einer seiner Arme war komisch verdreht. Ein bronzenes Schwert glänzte noch in seiner Hand und sein Gesicht war mit goldenem Staub bedeckt. Die Frau dachte im Stillen, dass es viel zu früh für ihn gewesen war, diese Welt zu verlassen. Mit diesem Gedanken wuchs ihre Entschlossenheit dem ganzen ein Ende zu bereiten. Ein paar Meter weiter sah sie mehrere Heiler an Verletzten arbeiten. Unbemerkt von ihnen erledigte sie ein weiteres Monster, während das Adrenalin weiter durch ihre Adern pumpte. Sie kam jetzt immer näher an die Mitte des Schlachtfeldes und je näher sie dieser Mitte kam, desto roter wurde es um sie herum. Die Monster bäumten sich zu noch größeren Kreaturen auf. Zu Kreaturen, die sie zum Teil bis heute in ihre Träume verfolgten.

Dabei war es jetzt schon so lange her, dass der Himmel so rot gewesen war. Es war länger her, als vieles Anderes. Jetzt war es wieder so weit. Auch daran dachte die Frau, während die Energie unter ihrer Haut immer noch prickelte. Es sollte eigentlich unmöglich sein, unmöglich für alle Zeit. Trotzdem spürte die Frau nun wieder das vertraute Gefühl in ihren Gedanken und in ihrem tun. Die Vertrautheit machte sie stärker und sie sah den Weg, den sie gehen musste immer besser vor sich. Sie ließ zu, dass ihre Instinkte übernahmen und sie bis in das Zentrum des Sturms trugen. Noch immer lief sie wie in einem Tunnel über das Schlachtfeld, aber das änderte sich nun schlagartig. Sie durfte nicht daran denken, welche Konsequenzen ihr Handeln haben würde. Konsequenzen für sie und für alle anderen auf diesem Platz nahe der vermeintlichen Erdbeerfarm.

Ohne weiter nachzudenken holte sie ihre Utensilien aus der Tasche. Die Stimme in ihrem Kopf war verstummt, vielleicht hatte sie die Entschlossenheit gespürt. Auch die Utensilien, die sie nun in den Händen hielt, hatten etwas vertrautes. Sie hatten etwas vertrautes, wie auch die Worte, die sie gleich sagen würde, etwas vertrautes hatten. Sie schloss ihre Augen und zog die Energie aus sich und aus ihrer Umgebung zusammen. In der Ferne hörte sie eine Stimme ihren Namen rufen. Es war eine ebenfalls vertraute Stimme. Auf diesem Schlachtfeld verbarg sich so viel vertrautes wie fremdes für sie. Aber sie durfte sich nicht ablenken lassen. Ihre Konzentration brach nicht ab, während sie sich endgültig auf ihr Vorhaben vorbereitete. Ein letztes Mal schaute sie in den Himmel, der inzwischen von roten Schlieren durchzogen war. Sie durfte nicht länger warten und doch wusste sie, dass es vielleicht das letzte mal war, dass sie ihn sehen würde. Die Kette an ihrem Hals wurde warm. Es beruhigte sie. Vor ihr hatten Menschen Opfer gebracht und nach ihr würden Menschen Opfer bringen. Nun lag es an ihr. Sie schloss die Augen, dann sprach sie die Worte und alles schien sich zu verlangsamen.

„Maat"

Sie spürte, wie das Wort alle Kräfte aus ihr heraus saugte und hielt dem Sog dennoch stand. Sie musste es schaffen, hatte keine andere Chance. In der Ferne hörte sie eine Stimme. Wieder rief jemand ihren Namen. Das letzte, was Sadie Kane mitbekam, bevor sie endgültig das Bewusstsein verlor, war, dass jemand sie auffing. Ihre letzten Worte waren: „Habe ich es geschafft?"

Zane & Zoe - die zerbrochene GöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt