31. Der Zeitdruck macht das Ganze doch erst spannend...

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Zane

In der Nacht schlafe ich nur unruhig. Die ganze Zeit erwarte ich den Atem von irgendjemandem zu hören. Doch ich bin nicht im Camp und auch nicht auf irgendeiner Waldlichtung, auf deren Boden wir zu dritt geschlafen haben. Ich bin allein in dem dunklen Zimmer.
Im Stockwerk darunter räumen Kalypso und Leo um, oder veranstalten sonst irgendeinen Lärm. Das ist auch nicht sonderlich förderlich und als ich dann doch irgendwann einmal schlafe, wälze ich mich wie gesagt unruhig hin und her. In meinen Träumen mischt sich vergangenes mit zukünftigem. Ich sehe Szenen aus den vergangenen Kriegen, die ich nur schemenhaft beschrieben bekommen habe. Meine Fantasie dichtet allerlei Dinge dazu, das sind keine Visionen, das ist einfach nur mein Kopf. Wenn meinem Kopf das auch nicht mehr reicht zieht er seine eigenen Schlüsse für die kommende Schlacht. Ich erlebe alle möglichen Ausgänge von dieser und bin mir gegen vier Uhr nicht mehr sicher, ob ich das jetzt brillant oder beunruhigend finden soll. Dann schlafe ich doch nochmal ein und dieses Mal ist es ein ruhigerer Schlaf. Ich befinde mich auf einer Decke auf einer grünen Wiese. Neben mir sitzt Zoe, sie ist gerade einmal fünf Jahre alt. Ich erinnere mich an diesen Ausflug. Unsere Eltern sind über ein langes Wochenende mehrere Tage mit uns in die Berge gefahren. Es war ein schöner Urlaub. So unbeschwert wie nur selten danach. Ich erinnere mich daran, wie wir lachend ein Picknick auf einem Aussichtspunkt gemacht haben.
„Ah, in solchen Träumen besuche ich die Leute am Liebsten." Ertönt plötzlich eine Stimme hinter mir. Ich fahre herum, aber die anderen Anwesenden scheint der Fremde nicht zu stören. Das heißt, eigentlich ist es eine Fremde, ein Mädchen, ungefähr sechzehn Jahre alt. Das ihre Anwesenheit hier niemanden stört liegt wohl daran, dass das eine Erinnerung ist und mein Gehirn gerade wichtigere Dinge zu tun hat, als sie den Begebenheiten anzupassen. „Wer bist du?" Frage ich also, sie gehört schließlich nicht in den Traum und außerdem sollte das immer der erste Schritt sein, wenn jemand fremdes in euren Traum stolpert. Es gibt schließlich auf gar keinen Fall die Möglichkeit, dass die Person lügen könnte... „Ach, du hast mich schon mal gesehen, aber ich bin dir sicher nicht aufgefallen." Sofort habe ich ein schlechtes Gewissen, dabei macht sie mir nicht einmal einen Vorwurf daraus. Sie klingt unbekümmert und ihre Augen funkeln. Ob das alles nur Fassade ist, kann ich aber nicht erkennen.
Ich mustere sie noch einmal eingehend. Ihre Haarfarbe liegt irgendwo zwischen hellrot und hellbraun, was auf eine seltsame Art und Weise doch mit ihren unnatürlich hellen Augen harmoniert. Sie trägt ein verwaschenes Camp Halfblood T-shirt und dazu eine Hose deren Farbe irgendwo zwischen dunkelblau und dunkellila liegt. Klar definierte Farben liegen ihr wohl nicht so, aber immerhin scheint sie keine Feindin zu sein. Ich habe gerade echt einen Lauf, schon fünf Personen, von denen niemand versucht hat Zoe, Marie oder mich umzubringen. Andererseits habe ich keine Ahnung, ob sowas im Traum überhaupt geht.
Das Mädchen hat die Zeit genutzt um sich ein wenig in der Erinnerung umzuschauen, die gerade verblasst. „Es ist schwer vorstellbar, dass euer Vater nicht euer Vater ist, oder?" Sagt sie schließlich. Ich weiß nicht was ich darauf antworten soll. Es ist eigentlich komplett unmöglich, aber darf man die Zeichen der Götter in Frage stellen? Die hellen Augen des Mädchens fixieren mich für einen Moment, dann schüttelt sie den Kopf. „Ich bin eigentlich wegen etwas ganz anderem hier." Vielleicht sollte ich auch mal was sagen, schließlich führt sie die Unterhaltung ziemlich alleine. Wahrscheinlich würde es nicht einmal auffallen, wenn ich jetzt einfach verschwinden würde...
„Und weswegen bist du hier?" Frage ich also, um meine Existenz in diesem Traum nicht völlig sinnlos zu machen und weil es mich wirklich interessiert. Das Mädchen schaut sich noch einmal um, als erwarte sie, dass noch versteckte Zuhörer in diesem Traum lauern. Dann beginnt sie abermals zu sprechen: „Ich wollte dir und deinen Freunden helfen." Wieder entsteht eine längere Pause. Wieso taucht sie einfach so in meinem Traum auf, um sich dann alles aus der Nase ziehen zu lassen? „Und wie und bei was wolltest du uns helfen?" Frage ich weiter. Jetzt muss sie zumindest etwas konkreter werden. „Ihr steht vor der Entscheidung, welchen Weg ihr einschlagen sollt. Den zum Camp Jupiter oder den zurück nach Camp Halfblood. Ich wollte euch helfen, indem ich dir sage, dass ihr zurück ins Camp Halfblood müsst. Alles sieht danach aus, das ihr eine wichtige Rolle in der anstehenden Schlacht spielen werdet." Die Aussage deckt sich mit dem, was wir von den zwei Frauen mit dem fliegenden Boot wissen. Trotzdem bleibe ich skeptisch: „Und woher willst du das wissen?" Das Mädchen schaut mir noch einmal tief in die Augen. „Ich bin eine Tochter von Hypnos und in den Träumen bekommt man viel mit, was den Anderen verborgen bleibt. Es wird bald eine große Herausforderung auf euch, aber auch auf uns alle zukommen. Ich hoffe, dass wir ihr gewachsen sind."

Während ich noch darüber nachdenke dreht sie sich um. „Wir sehen uns bei der Schlacht." Sagt sie noch und winkt mir zu. Bevor ich noch etwas erwidern kann ist sie bereits verschwunden und mir bleibt gerade noch so viel Zeit um meine Gedanken wenigstens etwas zu sortieren. Dann löst sich mein Erinnerungs-Traum auf und ich stürze in bodenlose Schwärze, bevor ich schweißgebadet aufwache.

Während des Sturzes habe ich wieder die Stimme gehört, die mir damals befohlen hat Lebensquell herauszurücken. Sie hat gelacht. Es war ein schreckliches Lachen, das auch jetzt, wo es still im Haus ist, noch in meinen Ohren nachklingt.

So liege ich einfach nur auf dem vom Schweiß nassen Laken und versuche mein Herz zu beruhigen. Denn das schlägt wegen diesem Traum unnatürlich schnell. Es kommt mir vor, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Dabei habe ich ja eigentlich nur geschlafen, was als sehr erholsam gilt...

Erst als ich mir sicher bin, dass weder meine Hände noch meine Füße noch zittern stehe ich auf und ziehe mir frische Sachen an. Morgen ist der Tag, an dem der Typ aus unseren Träumen das Camp zerstören will. Wir haben nur noch diesen Tag um irgendwie zurückzukommen. Aber dieser Zeitdruck macht das Ganze ja auch erst spannend. Mit diesem Gedanken trete ich durch die Tür hinaus in den Flur, in dem es bereits nach Essen riecht.

Zane & Zoe - die zerbrochene GöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt