9. Die Jägerin und das Schicksal

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Zoe

„Tante Thalia!" Ruft Bianka und läuft einem Mädchen entgegen, die gerade am Rand des Speisepavillons angekommen ist. Das Mädchen, Thalia lacht und wirbelt Bianka im Kreis. Das kleine Mädchen kreischt vergnügt, bis ihre Tante? sie wieder runter lässt. Auch Jason ist nun aufgestanden und umarmt sie. „Wir hatten dich erst übermorgen erwartet." Erklärt er und das Mädchen lacht. „Ja, das hatte ich eigentlich auch vor, aber sag mal sitzt da jemand am Poseidontisch?" Sie deutet auf uns und Jason nickt. „Das sind Zane und Zoe, sie wurden heute Mittag von Poseidon anerkannt." Erklärt er dem Mädchen, das höchstens zwei Jahre älter als ich ist. „Was hat Poseidon nur immer mit Zoë?" Fragt sie nun theatralisch, während einige Campbewohner sich nun wieder ihrer Mahlzeit widmen. Sie scheinen es gewohnt zu sein, dass Mädchen mitten während des Abendessens Pfeile durch die Gegend schießen und Fragen über Poseidon stellen. Jetzt hört es sich sogar noch verwirrender an. „Was soll Poseidon mit mir haben?" Frage ich also und eine mir inzwischen wohlbekannte Stimme antwortet fast sofort: „Es geht um Zoë Nachtschatten, Poseidons letzter Sohn hatte ein Schwert, dass auf sie zurückgeht und nun hast du den selben Vornamen wie sie." Woher weiß Lucretia sowas, wenn sie über tausend Jahre in einer Schatulle eingesperrt war. „Erstens waren es nur knapp tausend Jahre und zweitens habe ich nicht meine komplette Macht verloren." Lucretia schnalzt missbilligend mit der Zunge und verschränkt die Arme. Zwischen den ganzen orangenen Campt-shirts sticht sie in ihrer Römertracht richtig hervor. Was auch sicher einer der Gründe ist, warum der ganze Speisepavillon jetzt zu uns starrt. Der Campleiter verschluckt sich gar an seinem Essen. „Wie ist das möglich?" Fragt er mit kalkweißem Gesicht. Mit dem süßesten Lächeln der Welt dreht Lucretia sich zu ihm um. „Ganz einfach, sie hier (sie deutet auf mich) ist die nächste Trägerin von Fonsvitae." Jetzt richten sich alle Blicke auf mich und ein paar Kinder des Ares tuscheln. „Lebensquell." Ohne es zu merken hat Jason das Wort übersetzt. Ich wusste gar nicht, dass er Latein kann. Andererseits ist er ein Sohn des Jupiter und da sind das sicher Grundvoraussetzungen. Einige Gabeln fallen polternd auf den Tisch und Chiron nimmt das als Anlass um aufzustehen. „Treffen der Hüttenältesten nach dem Abendessen, Lagerfeuer für alle anderen." Erklärt er und die Camper nehmen ihre Gespräche wieder auf. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Thalia sich an den (bisher leeren) Tisch von Artemis setzt. Dabei hat Bianka sie doch vorher Tante genannt und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mit Jason verwandt ist.

Ich soll feststellen, dass das bei weitem nicht die schwierigste Frage ist. Denn was bitte ist ein Treffen der Hüttenältesten? Und wenn jede Hütte einen Ältesten hat, wer ist es dann in der Poseidonhütte? Gegen Ende der Mahlzeit kommt Chiron an unseren Tisch. „Ihr habt doch mitbekommen, dass ich ein Treffen der Hüttenältesten einberufen habe. Das ist wie der Name schon sagt ein Treffen der gewählten Hüttenältesten jeder Hütte im Gemeinschaftsraum." Erklärt er uns. „Und wer ist das bei Poseidon?" Frage ich also direkt. Ich habe schließlich niemanden gewählt und wir sind soweit ich weiß bisher die einzigen Angehörigen von Poseidon hier. „Nun ja," Chiron sieht auf einmal richtig verlegen aus. „Bisher war das noch der letzte Sohn des Poseidon, der hier war." „Der, der vor mehr als dreizehn Jahren verschwunden ist." Wirft mein Bruder ein. Chiron nickt erleichtert: „Genau der, aber nun müsst ihr euch entscheiden wer von euch diesen Posten übernehmen soll." Wir sollen also jemanden auswählen, darin waren wir noch nie gut. „Können sie es denn nicht beide machen? Bei den Stolls ging das ja auch und die waren zusammen um einiges nerviger." Mischt sich Jason vom Nachbartisch ein und der Zentaur (ja, das wusste ich) seufzt. „Von mir aus, folgt einfach Jason und Piper, die haben sich ja gerade angeboten euch zu helfen." Mit diesen letzten Worten verschwindet er wieder zum Haupttisch, an dem der Campleiter inzwischen versucht ein Glas wein zu trinken. Aus irgendeinem Grund bekommt er es aber nicht hin. Einige Kinder am Tisch des Hermes lachen schadenfroh und werden sofort angefunkelt. Neben ihm sitzt nun eine Frau, die ebenfalls im Alter unserer Eltern ist. Niemand scheint sich dafür zu interessieren, aber ich habe sie bisher noch nie gesehen.

Nach dem Essen verschwinden die meisten Camper in Richtung Lagerfeuer, während Zane und ich auf Jason und Piper warten. Sie kommen mit Thalia zum Rand des Pavillons um uns aufzusammeln. Thalia mustert uns dabei immer wieder, aber Lucretia ist längst wieder in dem Würfel verschwunden, der immer noch in meiner Tasche ist. Ein unruhiges Schweigen legt sich über unsere kleine Gruppe, als wir in Richtung des Haupthauses gehen. Das Schweigen ist unangenehm, es ist eines von der Sorte, die man gerne brechen würde, wenn man wissen würde wie. Irgendwann hält mein Bruder es nicht mehr aus: „Wieso wurde so ein Rat einberufen?" Fragt er und die Anderen seufzen. „Einmal wegen deiner Freundin aus dem Pavillon und dann," Jason unterbricht sich. „Dann habe ich noch ein paar wichtige Informationen von meiner Herrin." Kommt ihm Thalia zur Hilfe, was es aber nicht unbedingt besser macht, denn jetzt verstehe ich endgültig nur noch Bahnhof. „Ich bin kurz vor meinem sechzehnten Geburtstag den Jägerinnen der Artemis beigetreten." Thalia scheint diese Gesichter schon gewohnt zu sein. Die Erklärung erklärt das Ganze zwar kein bisschen, aber der Versuch zählt.
Den Rest des Weges diskutieren Jason und Thalia über irgendwas belangloses. Ich höre nur mit halbem Ohr zu. Zu viel ist an diesem Tag bereits passiert und ich weiß, dass das noch lange nicht alles ist. Diese Versammlung ist irgendwie besonders, das habe ich den Gesprächen im Pavillon entnommen. Zane neben mir drückt meine Hand, ihm geht es wahrscheinlich wie mir und ich bin froh, dass wir das zusammen machen können. Plötzlich dreht Piper, die etwas weiter vorne geht, sich ruckartig um. Ihre Augen glühen in der Dämmerung, es sieht richtig gruselig aus. „Wisst ihr noch, was wir uns mal auf der Argo II überlegt haben?" Fragt sie. Nur schweigen ist die Antwort, ich meine Zane und ich wissen ja noch nicht einmal was die Argo II überhaupt ist. „Wir haben darüber nachgedacht, dass die stärksten Halbblute immer dann auftauchen, wenn es eine mächtige Bedrohung gibt. Nun ja, im Moment haben wir einige mächtige Demigottheiten hier." Sie lässt die Hände sinken, ihre Augen hören auf zu leuchten. „Kaum habe ich mal einen Tag meine Kräfte nicht, schon glauben diese Biester mich anfallen zu müssen." Murmelt sie.

Zane & Zoe - die zerbrochene GöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt