6. Ein Geist gibt mir eine Lektion im Verlieren

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Zoe

„Wie, das da ist eine Waffe?" Frage ich und deute auf das Etwas, was immer noch eher wie der Aquaquant meiner Mutter aussieht. Auch Piper sieht verwirrt aus, nur Lucretia lacht. „Das ist nur die Form, in der der letzte Besitzer es zurückgelassen hat." Erklärt sie und zieht dann ein Teil aus ihrer Tasche, dass fast genauso aussieht. „Um die Form zu verändern musst du es in die Hand nehmen. Ungefähr so." Sie nimmt ihren Aquaquant in die Hand und schließt ihre Finger darum. Ich tue es ihr gleich, das Material fühlt sich kalt und trotzdem lebendig an. „Jetzt musst du dir einfach eine Form vorstellen und sie auf es übertragen." Fährt Lucretia mit ihrer Erklärung fort und hat im nächsten Moment einen langen Stab in der Hand. Ich konzentriere mich ebenfalls. In Gedanken sehe ich das Schwert vor mir, dass ich bei einem Museumsbesuch mal in die Hand nehmen durfte. Es hat sich irgendwie gut angefühlt, weswegen ich es noch gut in Erinnerung habe. Ich stelle mir jede Seite genau vor und fahre in Gedanken daran entlang. Auf einmal beginnt sich der Aquaquant in meiner Hand zu verändern. Er wird schwerer und breiter. Ich öffne die Augen, von denen ich jetzt erst merke, dass ich sie geschlossen habe. Der Aquaquant sieht plötzlich gar nicht mehr so aus. Stattdessen halte ich jetzt eine ziemlich exakte Kopie von dem Schwert aus dem Museum in der Hand. Piper pfeift anerkennend durch die Zähne. „Ich würde sagen, dass es sich hierbei um ein europäisches Langschwert handelt. Ein Relikt aus der frühesten Kolonialzeit." Rät sie dann. „Zwar keine Waffe, die wir hier benutzen, aber für den Anfang nicht schlecht." Im nächsten Moment ruft eine Stimme von weiter Vorne: „Lebt ihr dahinten noch?" Manchmal könnte ich meinem Bruder seinen Humor sonst wohin stecken, aber dafür bleibt keine Zeit. Alles passiert auf einmal. Lucretia löst sich mit erschrockenem Gesicht in Luft auf. Gleichzeitig strecke ich instinktiv das Schwert nach Vorne und halte es meinem Bruder, der den Kopf um die Ecke streckt, an den Hals. Mir fällt auf, wie leicht das Schwert ist. Es wiegt auf gar keinen Fall mehr als zwei Kilo, wie sein Pendant im Museum. Es fällt mir unglaublich leicht es zu halten, auch wenn mein Bruder seinen Kopf schnell zurückzieht. „Du hast, ja was gefunden." Stellt er trocken fest. „Wo habt ihr das denn gefunden?" Fragt Jason im selben Moment. „Das die Leute sowas aufheben, dass ist ja nicht mal himmlische Bronze oder kaiserliches Gold." Auch das stimmt, denn das Material des Aquaquant sieht eher aus, als wäre er aus silber. Aber, „Wieso sollte das ein Problem sein?" Frage ich und das goldene Leuchten kommt aus dem Schwert. „Kaiserliches Gold und himmlische Bronze sind zwei der Materialien, mit denen man alles mystische töten und in den Tartarus schicken kann. Ein normales Schwert geht einfach durch sie hindurch." Erklärt Lucretia mir, während sie von Jason und Zane angestarrt wird. „Dieses Silber ist allerdings im Tempel von Delphi geweiht und mit allerlei Zaubern verstärkt. Schließlich ist es dazu geschaffen einen Teil meiner Seele zu verwahren." Sie schaut zu Boden, aber ich beginne zu verstehen: „Weil du die Schutzherrin all jener bist, die sich gegen ihr Schicksal stellen kommst du gegen die Macht von Delphi nicht an. Deshalb bist du daran gebunden." Auf dem Gesicht meines Bruders spielen die Fragezeichen inzwischen Ball mit ihren Punkten. Das sieht ziemlich lustig aus, aber ich kann ihn verstehen. „Lucretia, das sind mein Zwilling Zane, Jason seine Frau Piper und ich bin Zoe. Jason, Zane, das ist Lucretia, ehemalige Schutzherrin aller, die sich gegen ihr Schicksal stellen. Leider im Moment nur ein Teil ihrer Seele." Mache ich also mal eine generelle Vorstellungsrunde. Dann konzentriere ich mich wieder auf das Schwert und es wird nach einer gefühlten Ewigkeit zu einem Würfel. Lucretia klatscht zaghaft und Piper nutzt die Stille um uns alle nach draußen zu lotsen. „Es wird denke ich Zeit fürs Training!" Sagt sie.

„Los, du schaffst das!" Feuert mein Bruder mich an und lenkt mich damit endgültig von meiner Aufgabe ab. Einen Moment weiß ich nicht, ob ich ihm danken soll, dass er mich so unterstützt oder, ob ich ihn anschreien soll, weil er meine Konzentration stört. So oft ich es schon versucht habe, der Würfel will sich einfach nicht in das Schwert verwandeln, das ich gerade in der Hand hatte. Hinter mir haben sich einige Halbgötter versammelt, die meine Bemühungen und Lucretia mit Argusaugen befolgen. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn Argus, der zufällig der Sicherheitschef hier ist, steht neben ihnen und behält mit seinen Augen alles im Blick. „Los noch einen Versuch." Feuert Lucretia mich an, aber ich winke ab: „Ich muss da irgendwie anders rangehen." Überlege ich dann. „Und bis dahin dürft ihr mit diesen Übungsschwertern trainieren." Setzt Jason in meine Überlegungen ein, bevor ich zu einem Ergebnis gekommen bin. In jeder Hand hält er mehrere Schwerter. „Wer hat Lust auf einen Trainingskampf?" Fragt er nun enthusiastisch und die Halbgötter um mich herum reagieren genauso enthusiastisch, indem sie die Arena stürmen. Schneller als ich bis drei zählen kann trägt die halbe Areshütte ein Schwert bei sich und schaut mich und meinen Bruder misstrauisch an. „Wieso sind die hier?" Fragt einer von ihnen. „Die Hermeshütte ist doch beim Bogenschießen." Alle Blicke wandern nun zu Jason. Habe ich schon erwähnt, dass er echt Autorität hat (und außerdem Schwerttrainer für dieses Jahr ist). Nein, dann wisst ihr es jetzt. Jedenfalls erklärt er irgendwas von Wegen, wir müssten lernen uns gegen Monster zu verteidigen und drückt dann sowohl mir als auch Lucretia, die das obwohl sie ein Geist ist irgendwie halten kann, ein Schwert in die Hand. Bevor ich protestieren kann haben die anderen Halbgötter (auch mein Bruder der Verräter) einen Kreis um uns gebildet und Lucretia greift mich an. Gerade so kann ich den Schlag parieren, wieso soll ich auf einmal Schwertkampf können? Aber es scheint so zu sein. Meine Schlachtrevlexe vermischen sich mit dem jahrelangen Training im Judo und Fechten. Irgendwie macht das Ganze sogar spaß.

Aber um es kurz zu machen, ich habe verloren - gegen einen Geist. Nichts gegen Lucretia, aber mein Ego findet es trotzdem nicht richtig gut.

Zane & Zoe - die zerbrochene GöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt