8. Meine Schwester, der Fluss, Nike und ich

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Zane

Etwas überrascht schauen die Neuankömmlinge auf die Szenerie, die sich ihnen bietet. Ich und Zoe halten immer noch unsere Schwerter an den Hals zweier aus ihrem Team. Vier weitere sind entwaffnet und bereits ausgeschieden. Tamara kämpft mit übermenschlicher Geschwindigkeit gegen die beiden letzten Kämpfer auf unserer Seite. Sie schlägt sich gut, wird aber auf Dauer nicht bestehen können. Draco bricht inzwischen aus dem Wald und schnappt erstmal nach Luft. „Wir können demnächst mit Verstärkung rechnen." Erklärt er. Dann fällt sein Blick auf den Zwölfköpfigen Trupp auf der anderen Seite des Flusses. Sein Gesicht wird aschfahl. „Kinder der Nike, das können wir nicht verteidigen." Erklärt er und lässt die Schultern sinken. „Dann mach dich wenigstens kurz nützlich und hilf mir gegen die Zwei!" Knurrt Tamara alles andere als optimistisch. Aber wer ist das schon, wenn er bzw. sie sich allein gegen zwei gute Kämpfer verteidigen muss. Seufzend kommt Draco ihr zur Hilfe, während ich mit dem Aressohn aus dem Fluss steige. „Wie heißt du eigentlich?" Frage ich und nehme die Klinge von seinem Hals. Er ist sowieso raus. „Malcolm, Hüttenältester bei Ares." Er verbeugt sich spöttisch vor mir. Dann blickt er zu seinen Teamkollegen auf der anderen Flussseite. „Angriff!" Sofort stürmen die Kinder der Nike, der Göttin von dem, was mir im Moment nicht einfällt, los. Bleiben dann aber wie durch ein wunder stehen. Die Erde bebt unter unseren Füßen und das Wasser im Fluss sammelt sich an einer Stelle. Eine riesige Wasserwand türmt sich vor uns auf und verwirrt mich vollkommen. Wasser ist doch kein Gebiet für Hermes oder?

Von der Seite ertönt immer noch Gefechtslärm, Tamara und Draco kämpfen immer noch. Nur meine Schwester hat inzwischen ihre ehemalige Gegnerin losgelassen und steht mit geschlossenen Augen vor der Flutwelle. Ihre Hände zittern und ihre Augenlider flattern. Trotzdem wirkt sie völlig entspannt und die Flutwelle bleibt stehen. Kann es sein, dass meine Schwester...? Irgendwas sagt mir, dass es so ist. Vielleicht ist es diese Komische Zwillingsintuition. Malcolm ist ein paar Schritte vor mir mit erhobenen Händen erstarrt. Sein Mund steht ein paar Zentimeter offen. Während das Wasser noch immer in der Luft steht wird es plötzlich ganz still, auch wenn ich irgendwie weiß, was als nächstes passiert. Irgendwo bricht Jubel aus, das Muschelhorn ertönt erneut. Das Spiel ist vorbei und die Wasserwand bricht in sich zusammen. Sie fließt zurück in das Flussbett und einen Moment später ist es so, als wäre nie etwas gewesen.

Gerade noch rechtzeitig stürze ich zu Zoe, bevor diese einfach umkippt. Ich kann sie gerade noch auffangen und schaue sie besorgt an. „Was machst du für Sachen?" Frage ich sie, das haben unsere Eltern immer zu uns gesagt, wenn uns irgendwas zugestoßen ist. Also zum Beispiel, als Zoe beim Klettern abgerutscht, einen Meter von einem Apfelbaum gefallen ist und sich den Arm gebrochen hat. Oder, als ich mit fünf Jahren die Windpocken bekam und mehrere Tage mit Fieber im Bett lag. Meine Schwester lächelt bei dem Gedanken daran wehmütig. „Wenn ich das wüsste." Zitiert sie mich und ich muss losprusten.
Mitten in diesem glücklichen Moment kommt auf einmal Wind auf. Die anderen Jugendlichen am Fluss schnappen nach Luft. „Poseidon, Weltenerschütterer, Gott der Pferde. Heil euch Zane und Zoe Johnson, Kinder des Meeresgottes." Sagt eine Stimme ehrfürchtig. Sie gehört zu Chiron, der plötzlich am Waldrand aufgetaucht ist. „Ihr wurdet gerade von einem der großen Drei anerkannt, wenn auch etwas seltsam." Fühlt sich Malcolm bemüßigt es noch einmal für alle zu erklären. Ich schaue nach oben und tatsächlich, das Symbol des Poseidon schwebt über unseren Köpfen und verblasst gerade langsam. Nur, dass es nur eines ist, dass zwischen unseren Köpfen schwebt. Als das Symbol verblasst ist beginnen alle zu applaudieren. Aber ich kann nur daran denken, dass unsere Mutter unseren Vater niemals betrogen hat. Niemals!

Die Nachricht von unserer Anerkennung verbreitet sich wie ein Lauffeuer im Camp. Auf dem ganzen Rückweg werden wir noch einmal neugierig gemustert. Die jüngeren sehen dabei eher neugierig aus, die wenigen sehr viel Älteren, die ungefähr so alt wie Jason und Piper sind, eher wehmütig. „Der letzte Sohn des Poseidon war ein großer Kämpfer und eines der mächtigsten Halbblute überhaupt." Flüstert uns Lukas auf dem Weg zum Abendessen zu. „Ihr werdet am Lagerfeuer noch öfters von ihm hören. Allerdings ist er seit mehr als dreizehn Jahren verschwunden, es gab schon ewig kein Kind der großen Drei mehr. Deshalb schauen euch die älteren so wehmütig an, sie haben noch mit ihm gekämpft." Mit diesen Worten verschwindet er in Richtung Hermestisch, während wir zum Tisch des Poseidon gebracht werden. Einmal mehr bin ich froh das es Zoe gibt, so muss ich wenigstens nicht ganz allein Essen, da irgendwelche Regeln es verbieten mit den Kindern eines anderen Gottes an einem Tisch zu sitzen. An allen anderen Tischen wird geredet und gelacht, sogar an dem des Zeus, an dem Jason mit seiner Familie sitzt. Für ihn wurde wohl eine Ausnahme gemacht, vielleicht weil er und Piper verheiratet sind und sie somit immerhin die Schwiegertochter von Zeus/Jupiter ist.

Nur, an unserem Tisch ist es still, nur das Besteck kratzt über die Teller. Weder Zoe noch ich haben Lust das Geschehene in Worte zu fassen. Vor zwei Tagen war alles noch normal und jetzt ist unser leben plötzlich total merkwürdig. Im Moment bin ich mir nur in einer Sache sicher. Klar, die Götter sind wahrscheinlich ziemlich mächtig und niemand, den man gerne zum Feind hat, aber trotzdem. „Hier stimmt etwas nicht." Flüstere ich und meine Schwester nickt. „Poseidon ist niemals unser Vater, das hätte Mum Dad niemals angetan." Sie setzt eine grüblerische Miene auf. „Wir müssen mehr über die letzten Kinder von Poseidon herausfinden." Erklärt sie mir dann leise. „Du meinst..." Sie grinst mich an. „Das wäre doch logisch." Weiter kommen wir mit unseren Überlegungen nicht, denn ein Pfeil fliegt durch den Pavillon und bohrt sich in der Mitte in den Boden. Zoe, ich und einige andere Camper schrecken auf. Aber die meisten bleiben Ruhig. Mein Blick wandert zum Haupttisch, an dem Chiron und der Campleiter sitzen. Auch diese zeigen keine Anzeichen von Besorgnis. Chirons Blick liegt auf dem Tisch des Zeus. Dort hat sich Bianka von ihrem Platz erhoben.

Zane & Zoe - die zerbrochene GöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt