52. Die Verräter der Geschichte

32 1 3
                                    

Zoe

„Du warst bereits auf der Welt, als die Sache mit dem Gigantenkrieg begonnen hat." Es ist eine Feststellung, eine bittere Feststellung. Trotzdem ist es komisch mitten in der Schlacht von diesem Krieg zu reden. Trotz der Schmerzen die er wohl hat sieht Frank für einen Moment schuldbewusst aus. „Es tut mir leid, Zoe" Immer noch bin ich verdammt wütend auf ihn. Auf ihn, aber auch auf meine Eltern und auf Chiron, der zumindest von einer Sache gewusst haben muss. „Das ist schön für dich." Gebe ich zurück und ziehe den blutdurchtränkten Stofffetzen von seiner Wunde. Er stöhnt erneut schmerzerfüllt auf und ich kann ein Zusammenzucken nicht unterdrücken. Wieso macht mir das so viel mehr aus, als die Schreie um mich herum. „Warum?" Frage ich, nachdem ich die Wunde neu versorgt habe. Ich achte nicht darauf, von wem ich den Stoff dazu bekomme. Ich achte auf gar nichts Anderes mehr. „Weil irgendwer ein Auge auf euch haben musste." Frank lächelt immer noch, auch wenn ich förmlich sehen kann, wie das letzte Leben aus ihm herausströmt. Meine Wut flammt erneut auf und ich nutze das zerstörerische Feuer, dass in mir brennt, um meine Kräfte zu rufen. Das Wasser folgt meinem Ruf augenblicklich. In Franks Augen sehe ich Angst, als ich das Wasser, das ich beschworen habe auf ihn richte. Es durchweicht den Stoff auf seiner Wunde von der Anderen Seite. Ich glaube aber nicht, dass es schnell genug sein wird. „Wer bist du?" Stoße ich zwischen meinen Zähnen hervor, während ich das Wasser immer weiter vorantreibe. Von den Heilungskräften habe ich schon öfter gehört und ich bete zu Poseidon, meinem Großvater, dass ich sie geerbt habe. Um mich herum tobt immer noch die Schlacht, auch wenn es scheint, als würde sie sich verlangsamen. „Das musst du selbst herausfinden." Erklärt Frank mir. „Eure Reise ist hier nicht zu Ende, euer Auftrag ist noch nicht erfüllt. Er ist der Schlüssel zu allem." Die Stimme klingt hohler als Franks und es ist auch nicht mehr Frank, der da redet. Es ist eine körperlose Präsenz, ein anderes Wort gibt es dafür nicht. Eine leicht silbern schimmernde Präsenz, die immer noch Franks Gesicht hat. Vielleicht ist es seine Seele, aber die Stimme in mir sagt, dass es nicht so ist. Ich vertraue der Stimme, einem Teil von sich selbst kann man nicht misstrauen. Die Präsenz fixiert mich nun nochmal mit ihren Augen, die sie eigentlich gar nicht haben dürfte. „Hast du das verstanden Zoe, der Auftrag ist der Schlüssel." Ich kann nur stumm nicken, während mir der Schweiß von der Anstrengung übers Gesicht läuft. Es fühlt sich total unwirklich an und doch, weiß ich, dass es real ist. Realer, als viele der kleinen Abenteuer, die wohl jedes Kind erlebt und natürlich auch gefährlicher als diese. „Du kannst es schaffen Zoe, viel Glück!" Die Augen des echten Frank schließen sich und die Präsenz beginnt zu verblassen. Gleichzeitig wird das Geschehen um mich herum wieder schneller und es wird wieder um einiges lauter. Es ist so laut, dass ich es kaum noch aushalte und erst, als ich erschöpft auf Franks Leiche sinke bemerke ich, dass ich es war die den Lärm verursacht hat. Ich habe geschrien.

Um mich herum geht die Schlacht weiter, doch wie bereits zuvor nehme ich es gar nicht richtig war. Ich habe gerade einen Menschen sterben sehen, wie soll ich da einfach weiter machen? So beginne ich über den Sinn des Lebens nachzudenken. Macht das Leben überhaupt noch einen Sinn? Über die düsteren Gedanken vergesse ich sogar, dass Frank überhaupt nicht der war, der er vorgab zu sein. Die vielen Gefühle drängen das Gefühl des Verrats in den Hintergrund und meine Anstrengung mit dem Wasser macht sich auch bemerkbar. So liege ich dort und weiß nichtmehr wie es weitergehen soll. Ich bleibe bei dem toten Körper eines Freundes, bis mich zwei Hände berühren und ich in den Arm genommen werde. „Es ist alles gut Zoe." Sagt meine Mama und streichelt meinen Rücken, während ich in ihr T-shirt weine. „Du bist am Leben." Ihre Stimme klingt leicht zittrig und ihre blonden Haare sind ebenfalls mit Goldstaub bedeckt. In meiner Gleichgültigkeit frage ich mich nicht einmal mehr, wie sie überhaupt hier sein kann. Ich spüre nur, wie ihr Körper sich versteift, sie muss Franks Leiche entdeckt haben. „Ist er...?" Fragt sie. Sie spricht es nicht aus und zwischen den Schluchzern schaffe ich es irgendwann die Frage zu beantworten. Im nächsten Moment drückt sie mich etwas von sich weg und schaut mich mit funkelnden Augen an. Ihr Gesichtsausdruck ist angespannt und irgendwie mitleidig. „Hör zu Zoe," mein Gehirn weigert sich das alles zu verarbeiten und so denke ich nur daran, wie oft mein Vorname in dieser Schlacht schon erwähnt wurde. „Ich würde dir gerne sagen, dass es besser wird. Aber das wird es nicht. Man wird sich nie an diesen Anblick gewöhnen und die Lücke, die ein geliebter Mensch hinterlassen hat, wird sich nie ganz schließen." Sie macht eine kurze Pause. Die Ernsthaftigkeit und die Erfahrung, die in ihrer Stimme liegen machen mir Angst. Natürlich wusste ich, dass sie sowas schon erlebt haben muss. Aber es zu wissen ist viel schlimmer, als es zu vermuten. Noch immer schaut sie mich an und dieses Mal liegt Entschlossenheit in ihrem Blick. Es ist die selbe Art Entschlossenheit, die ich wohl gezeigt habe, bevor ich fast von der Empusa umgebracht worden bin. „Nichts desto trotz müssen wir weiter machen. Denn es gibt eine Sache, von der ich weiß, dass niemand der hier stirbt sie will. Niemand wird wollen, dass wir vor Angst und Trauer gelähmt werden und ihnen so folgen. Ich weiß es klingt hart, aber wir müssen weiter machen." Mit diesen Worten lässt sie mich los und steht auf. Hinter ihr kann ich nun meinen Papa und meinen Bruder erkennen. Beide scheinen besorgt und Zane ist kreideweiß. Wahrscheinlich hat er gerade Franks leblosen Körper gesehen. Aber Mama hat recht, wir müssen weiter machen. Wenn nicht für uns, dann für alle anderen Halbblute dieser Schlacht. Mit dem entschlossenen Gesichtsausdruck, der dem meiner Mutter Konkurrenz machen könnte, stehe ich auf. Es ist noch nicht vorbei und ich werde bis zum letzten Atemzug kämpfen!

An dieser Stelle eine Entschuldigung an Honigmuesli weil ich sie was die Eltern unserer Zwillinge angeht auf eine falsche Fährte gelockt habe.

Zane & Zoe - die zerbrochene GöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt