27. Ähm, die ganzen Mythen sind war und die Götter existieren bis heute?

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Zane

Ich kann Marie gerade noch so auffangen. Dabei bin ich wirklich ein großer Retter in der Not. Wir fallen jetzt sogar beide ins Gras und bleiben liegen. Schon das zweite Mal innerhalb von zwei Tagen sind wir von einem Monsterangriff total ausgelaugt. Wenn das so weiter geht, werden Zoe und ich unseren nächsten Geburtstag im November nicht mehr erleben. Das scheinen sich die beiden fremden Frauen auch zu denken, denn sie schauen uns an, als wüssten sie nicht, was sie von uns halten sollen. Falls dies so wäre, wären sie auf jeden Fall nicht die Einzigen. In diesem Moment wird mir klar, was Marie gerade gesagt hat. Zoe steht am Rand der Unterwelt. Marie ist eine Tochter des Gottes des Todes, sie wird wissen wovon sie redet. Das hoffe ich zumindest. Mühsam und immer noch unter den wachsamen Blicken der Fremden richte ich mich auf, während ich die wichtigste Frage von allen stelle: „Habt ihr was zu Essen?" Nein, das habe ich natürlich nicht wirklich gefragt, aber hilfreich wäre es schon gewesen. Unser spärliches Frühstück ist schon wieder eine Weile her und so heldenhaft die Kekse auch sein mögen, zu ausgewogener Ernährung gehört noch etwas mehr. Aber zurück zu meiner Frage: „Wer seid ihr und wieso helft ihr uns?" Ja, ich bin wirklich stolz auf mich, das sich das Ganze nicht so blöd anhört. Das heißt, für die beiden fremden hört es sich anscheinend blöd an, denn sie beginnen zu lachen. „Wir sind wie ihr seid" Sagt die Frau mit den blonden Haaren, in denen ich jetzt hellblaue Strähnen erkennen kann. „Nur anders." Ergänzt die Frau mit den schwarzen Haaren, die auch etwas älter aussieht. Wenn sich des jetzt verwirrend anhört, dann hört es sich richtig an. Aber wenn wir in den letzten drei Tagen etwas gelernt haben, dann das diese ganze Welt sehr verwirrend ist. Also, hört es sich eigentlich ziemlich normal an. „Zane?" Marie neben mir hat sich jetzt auch wieder aufgerichtet und verhindert, das ich mir einen Knoten ins Hirn denke. „Und wir helfen euch, weil dieses Monster in unseren Bereich gehört und weil man Menschen nicht einfach sterben lässt." Die Frau mit den blonden Haaren klingt ehrlich. Auch wenn das noch nichts heißen muss, schließlich klang Lamia am Anfang auch ehrlich. „Was bedeutet es, ihr seid wie wir nur anders?" Fragt Marie nun. „Sie müssen wohl Menschen wie wir sein, oder Halbgötter. Nur, dass sie eben andere sind, vielleicht sind sie Römer?" Denke ich laut nach. „Oder sie sind..." „Die Frauen aus meinem Traum."

Ich bin kein weinerlicher Mensch, wirklich nicht. Ich habe auch nichts gegen Menschen, die näher am Wasser gebaut sind. Doch seit dem Unglück kann ich immer, wenn ich einen Grund zum Weinen hätte, nur daran denken, dass ich schon schlimmeres überstanden habe. In diesem Moment hätte ich aber wirklich weinen können, aber eher vor Erleichterung als vor Schmerzen. Ich lasse es nur deswegen bleiben, weil ich gar keine Zeit dazu habe. Während meiner Überlegungen hat Zoe ihren Kopf gehoben. Jetzt schaut sie uns alle genervt an. „Was denn, Charon hat gesagt, dass ich noch etwas aus meinem Leben machen soll." Sie klingt unbesorgt und gefasst, aber man sieht ihr durchaus an das das, was sie erlebt hat nicht spurlos an ihr vorüber gegangen ist.
„Warte mal, Charon der Fährmann?" Fragt Marie in diesem Moment. „Sie steht am Ufer der Unterwelt." Murmelt eine der Frauen, aber ich kann ihre Stimme nicht zuordnen. „Du warst fast tot." Sage ich und fixiere dabei die blauen Augen meiner Schwester. „Ich würde eher sagen, dass ich auf der Schwelle zwischen Leben und Tod stand, aber ja." Irgendwie stört mich Zoes Unbedarftheit. Sie hätte diese Welt fast für immer verlassen und tut jetzt so, als wäre nichts geschehen!
Damit wären wir dann glaube ich auch schon wieder bei dem riesigen Krokodil. „Was war das eigentlich für ein Monster?" Frage ich also, schließlich konnte ich es nicht einordnen und als ich unter ihm begraben war hatte ich etwas besseres zu tun. Wobei mir davon immer noch alles weh tut. Ich schaue zu Marie, die glücklicherweise versteht und in ihrem Rücksack kramt. Ich habe meinen irgendwann zwischen dem Angriff und dem Ausflug unter das Krokodil verloren und Ambrosia oder Nektar wären jetzt wirklich nicht schlecht. Die beiden Frauen wechseln noch einen letzten Blick, dann beginnt die ältere Frau mit den schwarzen Haaren zu sprechen: „Das war ein Petesuchos, ein Sohn des Sobek. Es wurde durch einen magischen Halsreif verzaubert, der uns vor ein paar Monaten abhanden gekommen ist." Ihre Erklärung scheint ehrlich, aber ein komisches Gefühl bleibt mir bestehen. Während mir Marie etwas Ambrosia gibt und sich der Geschmack der Kekse meiner Großmutter, die nur einmal im Jahr zu Besuch kam, ausbreitet beginnt meine unbesorgte Schwester zu sprechen: „Wie kann euch so ein gefährliches Artefakt einfach abhandenkommen und wer ist Sobek?" Sie klingt aufgebracht und ich kann es ihr nicht verdenken. Sie hätte sterben können, nur weil ihnen ein magischer Halsreif abhanden gekommen ist. Sowas stellt man sich doch nicht einfach ins Regal bis es irgendjemand mitnimmt! Tatsächlich sehen die beiden Frauen wirklich etwas verlegen aus. „Wie genau das passieren konnte ist immer noch nicht klar, eigentlich war der Aufbewahrungsort wirklich gut gesichert. Aber bei uns ist es gerade etwas chaotisch." Versucht die Frau mit den blonden Haaren sich zu rechtfertigen. Sie spricht die ganze Zeit von ihnen, aber wer sind sie? Wenn ich es mir genau überlege, dann hört sich Sobek auch nicht besonders griechisch oder römisch an. Die Frage ist, wer dieses Monster dann erschaffen und benannt hat. Derjenige war auf jeden Fall niemand aus dieser komischen mythischen Welt zu sein und sie sind es auch nicht. Die ganzen Mythen sind war, die Götter existieren bis heute. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dieses Gespräch meine Welt erneut durcheinander wirbeln wird. Wahrscheinlich wird mein Gehirn demnächst wegen Überfüllung schließen oder es muss Arbeitskräfte von außerhalb anfordern. So oder so ich kann es kaum erwarten...
Und so stehe ich auf der Wiese, schlucke den Rest Ambrosia, während ich langsam die Wirkung davon spüre und auf den Zusammenbruch meines Gehirns warte.

Zane & Zoe - die zerbrochene GöttinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt