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Als ich aus dem Flugzeug stieg, war es der nächste Morgen. Ein Taxi konnte ich mir nicht leisten, also musste ich mit dem Zug fahren. Und schließlich war ich gegen Mittag in meinem Heimatdorf. Vielleicht war es auch schon eine kleine Stadt, aber verglichen mit Washington wirkte es, wie eine Ansammlung von Häusern.

Ich fühlte mich leer. Unglaublich leer. Sicher- ich hatte Freunde und ich freute mich, wieder in der gewohnten Umgebung zu sein, aber als ich vor dieser Tür stand, wollte ich am liebsten heulen und schreiend davon rennen. Diese hässliche, grüne Tür, hinter der meine Familie wartete. 

Schnaufend schloss ich auf und versuchte, so wenig Geräusche, wie möglich zu verursachen, aber ich konnte nicht verhindern, dass ich bemerkt wurde.

"Sarah!", seine Stimme war barsch und ich ahnte Probleme. Ich schloss die Augen und wappnete mich innerlich. Zeige jetzt keine Schwäche, Sarah! Mit zusammengebissenen Zähnen, wandte ich mich zu ihm um. Mein Bruder stand in der Tür zur Küche. Groß und bedrohlich wirkte er in diesem kleinen Haus. Obwohl er nicht besonders große Muskeln hatte, war er sehr stark.

"Florian Hi, wie geht's."

"Du solltest vor einer Stunde hier sein."

"Entschuldige.", mein Herz schlug etwas schneller und meine Hände begannen zu schwitzen, "Der Zug hatte Verspätung und ich-"

"Ich will keine Ausreden hören!", rief er, "Heute hast du Spätdienst. Ich habe einen Termin und komme deinetwegen zu spät."

Ich starrte ihn an: "Das kannst du nicht machen!"

Er sah mich unbeeindruckt an, schob mich aus dem Weg und nahm sich seine Lederjacke und die Zigaretten, ohne zu antworten.

"Florian! Ich muss heute zur Arbeit, das weißt du! Ich kann nicht-"

Aber er hatte die Tür schon zu geknallt. Fluchend packte ich meine Tasche und stampfte die Treppe hinauf in mein Zimmer. Sofort holte ich das Handy heraus, um auf Arbeit Bescheid zu geben und sah, dass mir Misha geschrieben hatte. Im gleichen Moment rief es von unten: "Sarah? Sarah, bist du das?"

Meine Oma. Ich schloss meine Augen und schrie in mich hinein. 

"Ja!", rief ich, "Ich bin gleich bei euch!"

Ich starrte noch eine Weile auf das Zeichen von Whatsapp, bevor ich auf Arbeit alles klärte und hinunter zu meinen Großeltern ging. Wie immer saßen sie in ihrem kleinen Wohnzimmer. Jeder auf seinem Sessel und starrten in den Fernseher, der mir entgegen brüllte. Ich gab ihnen einen Kuss auf die Stirn und versuchte, nicht wütend auf sie zu sein. Offenbar hatten sie noch kein Mittag gegessen, aber das war nicht deren, sondern Florians Schuld. 

Ich war gerade auf dem Weg nach draußen, um ihn zu holen, als ich ein Motorengeräusch hörte. Er fuhr davon. 

"Flo muss ganz dringend weg, mein Schatz.", rief meine Oma, "Bitte sei nicht sauer auf ihn."

"Natürlich bin ich nicht sauer auf Flo. Warum auch.", zischte ich leise vor mich hin und machte den Kühlschrank auf. Nichts. Auch in den Schränken nichts. 

"Oma- war er nicht einkaufen?"

"Nein, mein Schatz!"

Ich schloss meine Augen. Washington! Denk an Misha und Julia! Verblüffender Weise half es mir wirklich über die Wut hinweg. Ein Kribbeln zog durch meinen Bauch und ich fühlte mich warm und geborgen. Ja- ja das Gefühl brauchte ich jetzt. 

"Ich geh' einkaufen, bin gleich wieder zurück!", brüllte ich. 

"Bring etwas zu Essen mit, Schatz!"

Little AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt