Blut ist dicker...

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TRIGGER-GEFAHR! Und langes Kapitel btw. xD (3036)

Ich lief in meinem Zimmer auf uns ab. Meine Beine spürte ich zwar nicht mehr und mein Körper zitterte ohne Unterlass, aber gerade deswegen hielt ich mich in Bewegungen. Solange ich meinen Körper spürte, wusste ich, bin ich am Leben. 

Immer wieder warf ich einen Blick auf die Wanduhr über meinem Bett. Winnie Pooh grinste mir entgegen, während er sich Honig in den Mund stopfte. Wie lang war ich schon hier? 26 Stunden. 30 Minuten und 15 Sekunden. 16 Sekunden. 17 Sekunden. Jeder Schlag des Sekundenzeigers schlug wie eine Bombe in meinem Kopf ein. Bumm! Bumm! Bumm! Und hielt einfach nicht still!

Frustriert schrie ich auf, lief hinüber und riss die Uhr von der Wand. Sie gehörte in meine Kindheit, aber nicht zu mir. Nein! Ich trat auf sie ein und Tränen liefen über meine Wangen. Etwas platzte in meinem Magen, als ich das Hartplastik unter meinem Fuß splittern spürte. Aber das Ticken verstummte und ich fiel außer Atem auf mein Bett. Starrte Winnie an und versuchte irgendwie Herr über meinen Körper zu bleiben. Über meine Gedanken und Gefühle. Das Schwanken war unerträglich. 

Ich war mir meiner Lage bewusst! Ich wusste, dass mich mein Vater gefangen hielt, dass ich am Wochenende mit Misha zusammen war, dass Vater Florian und mich misshandelte. Ich wusste sehr gut, dass ich 27 Jahre alt war und mich nichts hier halten konnte. Und ich wusste auch sehr gut, dass mich Vater durch Manipulation an sich gebunden hat. Dass ich krank war. Aber all das Wissen schien keine Rolle zu spielen. Nein. Selbst Schuld bin ich. Schuld daran, hier zu sitzen und auf meinen Vater angewiesen zu sein. Der einzige Mann in meinem Leben, der-

"NEIN!", brüllte ich plötzlich. So plötzlich, dass ich mich vor mir selbst erschreckte. 

"Oh Gott.", keuchte ich und kämpfte mich zurück auf meine Beine, "Du dehydrierst. Er bringt dich um, Sarah. Lass die Gedanken nicht zu. Lass sie nicht zu!"

Ich atmete tief ein und schloss meine Augen, bis ich sie vor mir sah. Mishas Augen. 

"Auf Flo geschissen. Auf alle geschissen!" 

Am Fensterbrett angekommen, blickte ich auf das Dach der Garage. Wie tief ging es da wohl hinunter? Mehr als zwei Meter? Das ging schon, ja. Mein Blick fuhr durch den Garten auf die Straße. Nur ein paar Meter weiter. Vielleicht 500? Dahinten war Laura. Mehr brauchte es nicht. Mein Herz schlug heftig gegen meinen Brustkorb und pumpte Kraft in meinen Körper.

"Los, Sarah." 

Ich riss das Fenster auf und frische Luft stieß mir entgegen. Wie ein Weckruf fegte sie durch meinen Kopf. Meine Fingernägel gruben sich gerade in meine Haut, als ich sie von meinen Körper los riss und auf das Holz knallte. Dort gehören meine Hände hin! Auf die Schwelle nach draußen! In die Freiheit! 

"Na los!"

Ich setzte einen Fuß auf das Brett. Den zweiten. Es kribbelte in meinem Nacken und ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Als zerrte jemand an meinem Rücken. Nein- ich drehte mich nicht um! Nein! 

Die Luft anhaltend, setzte ich einen Fuß auf das Dach der Garage. Den zweiten. Oh mein Gott- ich war draußen. Mein Herz schlug jetzt schneller und mein Blick flog hoch. Erfasste Lauras Haus. Das einzige, was jetzt interessierte. Druck baute sich in mir auf und trieb mich von ganz allein voran. An der Kante des Daches, blieb ich noch nicht ein Mal stehen. Häuser flogen nach oben und wurden von Büschen abgelöst und dann- WAMM! Als würde mir jemand von den Füßen beginnend den Körper zerhacken. Es riss mir die Luft aus den Lungen. Mein Kopf flog nach vorn und knallte gegen etwas und ich verlor die Orientierung. War das Grün der Rasen oder die Büsche? Lag ich oder hockte ich noch immer? Mein Kopf dröhnte und langsam zog sich mein Blickfeld zu.

Little AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt