Alles okay.

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Zwei weiße, längliche Pillen lagen in meiner fast ebenso weißen Handfläche. Mein Blickfeld zog sich zu, bis ich nur noch das weiß sah. Mein Herz raste, meine Zunge wurde trocken und wenn mein Körper es gekonnt hätte, hätte er sich wie ein Mantel um die Tabletten gelegt und sie in sich eingeschlossen. Ich bis mir auf die Unterlippe. Schweiß bildete sich auf meiner Stirn.

"Stop Sarah. Stop. Du hast keine Schmerzen, du brauchst sie nicht."

Meine Hand begann zu zittern und ein Schrei drang meine Kehle hinauf.

"Nur zum Schlafen. Eine Schlaftablette zum Schlafen, Sarah."

Aber mein Kopf schwang leicht nach rechts und links. Als antworte er mir.

-Nein. Das ist nicht genug. Nein. Ich brauche mehr.-

Mit wachsender Panik musste ich dabei zusehen, wie sich meine Hand immer weiter meinem Mund näherte. Ein Schrei kroch mir die Kehle hinauf und ich in mir stemmte sich mein Verstand vergeblich gegen eine unnachgiebige Stahlmauer. Schlug dagegen. Brüllte sich die Seele aus dem Leib, aber die Mauer gab nicht nach. Und so benetzte meine Zunge meine trockenen Lippen mit Speichel. Bereit den weißen Himmel zu sich zu nehmen und zu schweben.

Ein Klopfen ließ mich zusammen fahren. Geschockt schoss meine Hand nach unten ich blickte gegen eine weiße Tür. In meinen Ohren klingelte es und ich sah mich schwer atmend um. Ein Bad. Ich war in einem Bad. Aber nicht bei uns zu Haus.

"Sarah? Alles okay?", meldete sich eine dumpfe, warme Stimme hinter der Tür. Misha.

Tränen schossen mir in die Augen und ich starrte in das Waschbecken, vor dem ich stand. Die weißen Pillen fielen kaum auf. Aber ich sah sie sofort.

-Du bist bei den Ackles, Sarah. Zusammen mit Misha. Was zum Teufel fällt dir ein?-

Brüllend rammte mein Verstand seine Faust durch die Stahlmauer und ich öffnete den Wasserhahn. Mit Bedauern sah ich dabei zu, wie das Wasser die Pillen weg schwemmte. Und mit Bedauern stellte ich fest, dass sich statt Erleichterung und Siegesgewissheit Angst und Verzweiflung in mir breit machten.

"Sarah!"

Misha klang jetzt panisch. Die Art Panik in seiner Stimme kannte ich gut. Aber ich hatte sie seit mindestens zwei Monaten nicht mehr gehört.

-Fuck. Was tust du ihm nur an?-

Hastig wandte ich mich der Tür zu. Misha. Misha. Misha.

Meine eiskalte Hand erreichte den Türknauf und rutschte wieder ab. Die Tränen in meinen Augen brannten höllisch und drohten, heraus zu quellen. Hastig biss ich mir auf die Zunge, wischte mir mit meinen verschwitzten Händen über das eiskalte Gesicht, atmete tief ein und aus und schaffte es endlich, die Tür zu öffnen.

Mein Blick fuhr von seinem dunkelblauen Hemd hinauf in seine dunkelblauen Augen, die mich erleichtert, aber sorgenvoll betrachteten.

"Alles okay?", fragte er vorsichtig.

-Nein.-

"Ja." Ich lachte. "Warum sollte etwas nicht okay sein? Misha- bist du okay?"

Er runzelte die Stirn, aber ich lachte hastig die Situation hinweg und griff nach seiner Hand, um ihn mit mir zu ziehen. So wie immer. Doch etwas war dieses Mal anders. Ich spürte es an seinem Händedruck. Außergewöhnlich fest. Und als ich lächelnd zu ihm aufsah, stierte ich noch immer stirnrunzelnd nach vorn. Verbissen. Ein Schock durchfuhr mich und mein Körper wurde taub.

-Nein.-

Es war Sonntag Abend und die Kinder schon im Bett. Misha und ich liefen zurück zu den anderen und machten es uns auf dem Sofa bequem. Er ließ mich nicht los. Mein Herz raste. Hatte ich es versaut? Wenn ich eines verhindern wollte, dann, dass Misha wegen mir litt. Schon wieder.

Little AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt