Bad moon rising.

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Misha musste am nächsten Morgen schon los, weshalb wir nur die Nacht zu zweit hatten. Wir schliefen miteinander und es war wunderschön, nur hatte ich mir die Nacht wilder vorgestellt. Und weniger...tränenreich. Misha brach plötzlich in Tränen aus, da waren wir gerade eng umschlungen und verschwitzt. Mit wild pochendem Herzen und heißer Haut. Es war so überraschend, dass ich die ersten paar Sekunden nicht wusste, was ich tun sollte. Aus dem nichts, war er über mir zusammengebrochen. Sein Kopf auf meiner Brust. Erst, als meine Lust langsam abebbte und ich wieder klarer denken konnte, fuhr ich ihm durch die dunklen Haare.

"Misha..", raunte ich vorsichtig. Immer noch unsicher, was jetzt richtig war. Immer weder übernahm ich in meinem Leben den tröstenden Part. Die "Schulter zum ausweinen" und sogar das "Kissen zum hinein schreien". Und zu Hause war ich neben all diesen Dingen auch der Boxsack für Florian. Wie ich mit meiner kranken Familie- mit mir selbst in solchen Momenten umgehen musste, wusste ich. Aber das war ganz anderes, als mit Misha. Alle Phrasen, die mir sofort in den Kopf sprangen, waren unpassend. Noch dazu kam die Mauer, die sich in mir aufbauen wollte. Mich schützen wollte. Also blieb ich still und streichelte ihn, bis sein Schluchzen abnahm. Meine Finger fuhren durch sein Haar, in den Nacken. Er bekam eine Gänsehaut. Vorsichtig legte ich meine flache Hand in seinen Rücken und schloss meine Augen.

 -Komm schon Misha...- 

"Schuldige..", murmelte er plötzlich und ich war so überrascht, dass ich zusammen zuckte. Konnte er meine Gedanken lesen? 

-Bullshit, Sarah!-

Ohne zu mir aufzusehen oder sich vom Platz zu bewegen, murmelte er weiter. 

"Ich weiß nicht, was mit mir los ist."

Ich biss mir auf die Unterlippe. Er wusste es, genau so wie ich. Aber es auszusprechen hätte es ja auch nicht besser gemacht. Morgen würde er wieder nach Amerika fliegen und dieses Mal für eine sehr lange Zeit.

"Ich liebe dich, Misha. Nichts wird etwas daran ändern können."

"Es ist mehr, als das. Und das ist das Problem.", gab er leise zurück und ich wusste nicht, was er meinte. Mehr als Liebe? Für mich oder für ihn? Oder hatte etwas ganz anderes gemeint? Ich bekam eine Gänsehaut und ich atmete tief ein und aus. Was sollte ich nur tun? Wenn mein Versprechen, ihn unter allen Umständen zu lieben, nicht tröstete.

-Tu' es. Komm schon.-, murmelte es Mut machend in meinem Kopf und wieder schob sich eine Gänsehaut über meinen Rücken. Okay- ich wurde eindeutig wahnsinnig, aber ein Versuch konnte ja nicht schaden, richtig? 

Ich streichelte ihn weiter, schaute immer wieder auf ihn hinab. Murmelte beruhigend weiter auf ihn ein und sang ihm sogar etwas vor. Ich musste etwas schmunzeln, dass mir "Cry to me" einfiel. Aber es passte und es half- er schlief ein. Erst, als ich mir ganz sicher war, dass er fest schlief, drehte ich ihn auf den Rücken und somit von mir runter und kniete mich vor ihn. Sein Gesicht war verzerrt. Selbst im Schlaf hatte er Schmerzen. 

"Das ist doch Irrsinn.", zischte ich leise. Und trotzdem hob ich meine linke, zitternde Hand und legte sie flach auf seine Brust. Genau über sein Herz. Ich atmete tief ein und aus und schloss meine Augen. Ließ es einfach geschehen. Sein Herz schlug schnell und heftig. Und da war es. Das Gefühl. Ich konnte es noch immer nicht einordnen. War es hart? Stechend? Schwer und klumpig oder weit? Es störte. Es ... tat weh. Es gehörte auf keinen Fall in meine Brust! Aber ich zwang mich, es passieren zu lassen. Das Gefühl baute sich auf, bis mir die Tränen in die Augen schossen und dann "Puff"... war es weg. Zeitgleich zischte Misha auf und ich riss erschrocken meine Augen auf. Aber er schlief noch. Zitternd löste ich mich von ihm. Seine Gesichtszüge waren nun so friedlich und sanft, wie die eines Jungen. Entspannt.

Little AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt