Ich wich aus seiner Umarmung und setzte mich auf das Bett. Anders, als in Deutschland, hatte er hier nur ein Zimmer mit einem Bett, einem Fernseher und einem Minikühlschrank und Wasserkocher. Sicher- heute war erst der dritte Tag, an dem ich hier war, aber das Zimmer gefiel mir von Anfang an besser, als das in Deutschland. Ich wusste nicht genau, warum. Und ich wusste auch nicht, warum es sich gerade umzukehren schien. Die Wände waren plötzlich einengend und ich bekam kaum Luft.
"Wir können es nicht bis ins unermessliche schieben, Sarah.", begann Misha und sofort schoss mein Puls in die Höhe. Warum hatte ich nur jedes Mal das Gefühl, als wäre ich eines seiner Kinder, wenn wir über das Thema redeten. Ich biss mir auf die Zunge, bis es weh tat und die Wut soweit herunter fuhr, dass ich mich kontrollieren konnte. Er hatte ja Recht.
"Du meintest, du möchtest mich deinen Kindern auch vorstellen. Und Vickey weiß eh schon Bescheid."
"Ja.", gab er verwirrt zurück und setzte sich neben mich. Das nahm mir etwas das Gefühl, ein bockiges Kind zu sein, das sich gerade an sein Spielzeug klammerte.
"Warum hast du gesagt, dass du sie besuchen wirst?"
Stille und mein Puls raste von neuem. Aber dieses Mal war es Angst. Meine Hände wurden eiskalt und ich krallte mich im Bettlaken fest, um ihnen nicht meine Haut zum Aufreißen zu geben. Ich hörte Misha schwer aufatmen.
"Du willst nicht, dass sie von mir erfahren."
"Doch!", rief er sofort aus und sprang auf die Füße, nur um sich sofort vor mich zu hocken. Aber ich wich seinem Blick aus. Gegen seine Hände, die sich sanft um meine Handgelenke schlossen, um nach meinen Händen greifen zu können, konnte ich nichts tun. Ich war zu sehr damit beschäftigt, meine vollkommen übertriebenen Gefühle nicht ausbrechen zu lassen.
"Ich möchte sie nur darauf vorbereiten, verstehst du? Und ..", er stockte und zögerte. Ich wagte es, ihn hastig anzusehen. Er hatte seine Lippen aufeinander gepresst und die Augen geschlossen. Die Gedanken, die er gerade hatte, taten ihm weh. Sehr. Und das tat mir weh. Aber bevor ich einen Versuch unternehmen konnte, über meinen Schatten zu springen und ihn zu trösten, sah er auf und meine Angst vor meinen eigenen Gefühlen siegte. Hastig sah ich wieder weg und Misha räusperte sich. Er ließ mich los und ließ sich zurück fallen. Dabei landete er an der Wand mir gegenüber. Das Zimmer war wirklich klein.
"Ich will Vickey nicht mehr weh tun, als ich es so schon tue."
Ich musste mir wieder auf die Zunge beißen, um nichts falsches zu sagen. Er hatte genau so Recht, wie er Unrecht hatte. Die scheiße dabei war, dass niemand mehr darunter litt, als Maison und West. Sie hatten das nicht verdient.
"Ich schiebe es auf.", murmelte er, "Ich habe Angst, dass ich dadurch alles schlimmer mache, Sarah. Die Scheidung- meine Kinder sehe ich nur noch alle paar Wochen. Und..."
Ich nickte. Es zerriss mich. Und ich musste meine Fingernägel an meine Haut lassen, aber so viel Wut und Hass und Eifersucht in mir brodelte- ich verstand ihn. Und ich könnte ihm tausend Mal erklären, dass Vickey hier die ist, die alles schlimm machte. Seine Gefühle würden sich nicht ändern. Das kannte ich nur zu gut. Und ich wusste ganz genau, wie er sich fühlte. Jemanden zu lieben, den man hasst...
"Sag es.", brachte ich hervor und zwang mich, ihn anzusehen. Seine Augen! Ich war wieder im überfüllten Washington auf der Straße. Misha sah mich verzweifelt und fragend an, dabei wusste er ganz genau, was ich meinte.
"Es ist okay." Ich rutschte zu ihm auf den Boden und griff nach seinen Händen. Sie waren genau so kalt, wie meine.
"Du liebst sie immer noch. Dass sie dich betrogen hat, der Brief an mich- das ändert nichts daran, richtig?"
Er biss sich auf die weißen Lippen. Ich nickte wissend. Es tat weh- es tat so höllisch weh. Aber wenn das hier je funktionieren sollte, musste ich stark sein.
"Ich werde Maison und West schon noch kennenlernen, keine Sorge Misha.", sagte ich so Mut machend ich konnte und als er mich hoffnungsvoll ansah, brachte ich sogar ein Lächeln hervor.
"Das alles braucht Zeit, das verstehe ich. Es ist okay. Ich weiß, dass du mich liebst. Ich weiß es."
Er nickte heftig und bevor er etwas hätte sagen müssen, küsste ich ihn. Gleichzeitig legte ich ihm meine linke Hand auf die Brust. Niemand verdient diese Hölle. Schon gar nicht Misha.
DU LIEST GERADE
Little Angel
FanfictionPAUSIERT Eingesperrt. Sarah war eingesperrt. Familie, Freunde, Arbeit- das alles hatte eine andere Bedeutung für sie. Mit 26 Jahren begab sie sich zum ersten Mal in die Weite der Welt, nur um feststellen zu müssen, dass die Größe Washingstons nichts...