So tun, als ob...

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Ich dachte immer, Mädchen warten auf einen Helden, der sie rettet. Diese Mädchen- heilige scheiße- mein Hass für sie konnte ich nicht in Worte fassen. Niemals hätte ich mir eingestanden, selbst so ein Mädchen zu sein. Deswegen hatte ich mir geschworen, immer die Heldin zu sein. Egal, was passierte- ich blieb die Heldin. Zeigte keine Schwäche, keine Zerbrechlichkeit und in keinem Fall wollte ich mich verlieben. Tja- letzteres konnte ich nicht verhindern und was letzteres nach sich zog, auch nicht. Und langsam aber sicher wurde ich schwach und zerbrechlich. Weil ich Misha liebte. Langsam aber sicher würde ich zu einem Mädchen und Misha war der Held. Das Gespräch mit Jared hatte dem den Rest gegeben. Sofort schossen mir die weißen Pillen in den Kopf, die ich bescheuerter Weise weggespült hatte. 

"Das Annehmen von Hilfe ist von absolut gar nichts abhängig.", zischte ich und wand mich aus Jareds Händen. Lief zurück zu den anderen, aber wandte mich noch ein Mal zu ihm um. Er sah mir mit gerunzelter Stirn nach. 

"Außer von einem selbst.", fügte ich hinzu. Und die Wut, die ich in mir spürte kam nicht über meine Stimmbänder. Stattdessen klang ich traurig. Was meine Wut ins unermessliche beförderte. 

Ich atmete tief ein und aus und lief zurück. Hörte Jared zwar hinter mir, aber er schloss nicht zu mir auf und ich wartete nicht auf ihn. Nur mit Mühe konnte ich meine Tränen zurück halten.

Was zum Teufel lief hier? Ich sollte ihn grün und blau schlagen- Misha. Dafür, dass er mir Jared auf den Hals gejagt hatte. Wie stellte er sich das denn vor? Wie sollte ich ihn zum Teufel retten, wenn mir solche Gespräche die Kraft aus dem Leib zerrten? Ganz logisch betrachtet, ging es nicht anders, als so. Verstanden sie nicht, dass man in einem Heilungsprozess Prioritäten setzen musste? Was nützte es, mich zu heilen, wenn er noch nicht geschieden war? Noch nicht glücklich? Verstanden sie nicht, dass ich niemals glücklich sein könnte, wenn er es nicht war? Zuerst Misha und dann alles andere. Zuerst Misha, dann meine Familie und zuletzt- zuletzt ich. Sie verstanden rein gar nichts. 

Lächelnd setzte ich mich zurück neben Misha, der zuerst hoffnungsvoll lächelnd auf mich hinab sah und dann dankbar zu Jared aufsah. Der sah zu mir und ich gab ihm einen warnenden Blick. Wenn er Misha gegenüber auch nur andeuten sollte, dass unser Gespräch nicht in ihrem Sinne geendet hatte, dann würde er es bereuen. Ich wollte ihn nicht so fühlen lassen, wirklich nicht. Aber der Zweck heiligt die Mittel, nicht wahr? 

Zu seinem Glück schien er verstanden zu haben und nickte Misha lächelnd zu. Wow- schauspielern konnte er wirklich. Misha atmete erleichtert auf und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. 

"Ich liebe dich.", raunte er mir zu. Und ich ließ die Wärme in meiner Brust mit Genuss geschehen. Kribbeln zog durch meine linke Hand und ich legte sie hastig auf Mishas Brust. Atmete tief ein und verdaute seinen letzten Rest Sorge. Mittlerweile tat es gar nicht mehr so weh. Ob es daran lag, dass Misha heilte, oder ich immer besser mit dieser gruseligen Fähigkeit umgehen konnte, wusste ich nicht genau. Und ich wollte es auch gar nicht wissen. 

Der Abend und die nächsten Tage verliefen wieder wie geplant: Ich nahm Tabletten, wenn es nötig war, aber versuchte gleichzeitig, nicht abhängig zu werden. Ich nahm Misha den Schmerz oder eher gesagt alles negative, was seine Seele belastete, in dem ich meine Hand auf seine Brust legte und all das einfach hinunter schluckte. Sicher tat es weh, aber es half. Und nach ein paar Wochen hatte sich all die Arbeit gelohnt. Misha hatte mich mit zu seinen Kindern genommen und die Scheidung schlug immer eindeutigere Wege ein. 

Es war Ende September, als wir wieder bei den Ackles waren. Der Tag war unglaublich heiß. Und merkwürdig, sehr merkwürdig. Irgendetwas stimmte nicht. Obwohl alles gut lief- obwohl Maison und West mich mochten und von Vicki keinerlei Anfeindungen kamen, Misha offenbar entspannte, stimmte etwas nicht. Meine linke Hand kribbelte seit Tagen Ruhe wieder. Und so heftig, dass ich vor Schreck zusammen zuckte. Eine Gänsehaut schob sich über meinen Rücken und ich sah mich um. Blickte in die Gesichter meiner Freunde- sicher, sie wirkten müde, aber sie arbeiteten ja auch. Das war normal.

Little AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt