6. Guide Chloe

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Ich kann mich gar nicht recht auf den Vertrag konzentrieren. Zu viele Buchstaben, Zahlen, das Kleingedruckte, zu wenig Schlaf und tiefblaue Augen, die komischerweise immer Wärme ausstrahlen und auf mich niederbrennen. Ich versuche mich auf das Lesen zu konzentrieren, aber letztendlich unterschreibe ich einfach dort, wo Chloe meine Hand hinbewegt. Merkwürdig, dass ich bei ihren Berührungen nicht zusammen zucke, sondern sie einfach zulasse und insgeheim sogar genieße. Ihre Haut ist so weich und ihre Berührungen so sanft und unschuldig, als hätte sie Angst mich zu zerbrechen. 
„So, das ist die Letzte.“, sagt Chloe, während sie meine Hand ans untere Ende des Blattes schiebt.
Flink kritzle ich ein unleserliches „Mitchell“ auf das Blatt und lasse den Stift erleichtert fallen. 
„Ich glaube so schnell wie du, war hierbei noch niemand. Respekt.“, lacht sie. 
Ich hebe verwundert meine Augenbrauen. „Wie?“
„Hast du überhaupt gelesen, was du da unterschrieben hast?“ Sie bemüht sich um einen ernsten Gesichtsausdruck, der fehlschlägt, als ihre Mundwinkel zucken und sie sagt: „Ich hoffe du hältst dich an den Paragraphen, in dem steht, dass du dich auch um uns Kinder zu kümmern hast.“ Wieder dieses Zwinkern, dass ich nicht richtig zu deuten weiß. Sie steht auf und lässt mich mit meiner Verwirrung alleine. In dem Bogen zum Flur dreht sie sich um. 
„Erde an Beca.“, sie macht eine Handbewegung, „Bist du zu kaputt für die Führung durch das Haus?“ 
„Auf keinen Fall“, murmele ich und streiche mir mit den Handflächen übers Gesicht, „Ich bin schon bei dir.“ Wach bleiben, Mitchell. Vielleicht hätte ich nach einem Kaffee, anstatt einem Wasser fragen sollen. Zu spät. Ich rapple mich auf und hole Chloe ein, die schon bis in den Flur vorgedrungen ist. 
„Bis jetzt hast du eine Küche mit Essbereich gesehen, sowie dem Bad. Dieser Teil ist eher für kleinere Familienfeiern gedacht.“ beginnt sie.
Ich schlucke. „Ihr habt also was noch größeres?“ 
„Jap. Auf dem anderen Ende. Aber hier sind erst einmal zwei Gästezimmer. Eins links, eins rechts. Und ein Gästebadezimmer.“, erzählt Chloe, als wäre sie eine Immobilienmaklerin. Sie öffnet eine Doppeltür, die uns in den nächsten Komplex führt.
„Hier vorne ist Scout’s Zimmer und gegenüber sein Spielzimmer. Als ob sein Zimmer nicht groß genug dafür wäre.“ Sie verdreht die Augen und biegt um die Ecke. 
„Das Schlafzimmer meiner Eltern, nebenan ein Massageraum, der zweimal wöchentlich von meiner Mum benutzt wird und links nochmal ein Bad und ein kleineres Wohnzimmer.“ Das sind mir eindeutig zu viele Bäder. Ich bete zu Gott, dass sie nicht alle davon benutzen. Auf dem Rückweg frage ich: „Was ist in dem Spielzimmer?“
Chloe entscheidet sich für die visuelle Antwort und öffnet die Tür des Zimmers. Meine Augen treffen auf eine Leinwand an der einen Wand und einer Sofalandschaft an der anderen. In der Ecke stehen alle möglichen Konsolen, mit Kontrollern, Lenkrad, Balance Board und noch mehr Kram, wie Gamehüllen etc. 
„Ach so ein Spielzimmer ist das.“ Chloe schließt die Tür und nun geht es ins nächste Stockwerk. Zum Glück hat das Haus oder eher gesagt die Villa, nur ein Obergeschoss. 
„Wo ist dein Zimmer?“, frage ich.
„Dazu kommen wir gleich. Eine nette Info ist, dass die Wände hier oben nicht so hellhörig sind, wenn du verstehst was ich meine. Deswegen haben wir die Zimmer hier.“ Ich traue mich nicht zu ihr herüber zu sehen. Womöglich bekomme ich dann wieder solch ein Zwinkern an den Kopf geworfen oder werde von ihrem Lächeln paralysiert. Wollte sie mich damit vorwarnen? Haben Keith, Chloe und das vierte Kind, dass mir noch unbekannt ist, oft Sex und ich sollte lieber aufpassen wann ich hier auftauche und zu putzen versuche? Oder denke ich total falsch und es gibt noch einen positiven Aspekt an dicken Wänden, den ich nicht kenne? Ihre Offenheit und die ständigen Anspielungen verwirren mich sichtlich. Ich warte einfach bis sie mit der Führung fortfährt. 
„So, hier wohnt Logan, wenn er uns denn mit seiner Anwesenheit beehrt. Gegenüber steht nur altes Equipment herum. Dann haben wir natürlich wieder ein Bad und Keiths Schlafzimmer, sowie einen Balkon.“. Chloe rasselt die Wörter nur so herunter, als hätte sie die Lust an der Sache verloren, trotzdem lächelt sie mich an. Wie soll es auch anders sein? Nolan ist also das verlorene Kind und Chloes dritter Bruder, wodurch sie zum einzigen Mädchen wird. Ich frage mich wie er wohl aussieht. 
„Was macht Logan denn?“, kommt es von mir in die Stille hinein. Wir stehen an der Glastür zum Balkon und schauen über den Hof hinweg. 
„Er ist professioneller Hochzeits- und Veranstaltungsfotograf und ist selten hier, da er quer durch die Staaten gleich zum nächsten Auftrag reist.“, sagt sie. Ich meine Traurigkeit in ihrer Stimme zu hören. 
„Und wie sieht es mit dir und Keith aus?“, frage ich, um das Thema zumindest auf jemand anderes zu verlagern. 
„Keith ist Personaltrainer. Sowas in der Art hast du bestimmt schon in Erwägung gezogen bei seinem Körper. Da konntest du ja einen Blick drauf werfen.“ Da ist es wieder, das Zwinkern begleitet von dem breiten Chloe-Beale-Lächeln. 
„Da habe ich ehrlich gesagt gar nicht drauf geachtet.“, beichte ich.
„Ach, ich versteh schon,“ sie stupst mich an der Schulter an, „Du hast ein Auge auf Scouti geworfen.“
„Stimmt doch gar nicht.“, platzt es aus mir heraus. Irgendwie hatte ich das Gefühl mich verteidigen zu müssen, auch wenn es ganz klar und eindeutig war, dass Chloe scherzt und mich aufziehen will. Plötzlich merke ich Wärme in meinen Wangen aufsteigen. Ich kann mir schon vorstellen wie schön rot ich im Gesicht anlaufe. Zum Glück sieht Chloe wieder nach draußen und nicht zu mir.
„Was war dann interessanter als ein durchtrainierter Männerkörper? Bis jetzt habe ich jede dabei erwischt wie sie ihn abgecheckt hat, oder eher gesagt sein Sixpack.“, sagt sie etwas nachdenklich. Was interessanter war, fragt sie. Ich tendiere zu dem hübschen Rotschopf, der zufälligerweise direkt neben mir steht, aber das konnte ich wohl schlecht sagen. Auch nicht, dass ich gehofft habe, dass sie dort am Pool auftaucht. Ich habe nach ihr Ausschau gehalten, daher hatte ich nicht einmal Zeit daran zu denken mir Keiths Körper anzusehen. Ich brauche schnell eine plausibel klingende Antwort. Darin war ich ja schon immer Experte, also leg los, Mitchell.
„Eh ich…ich reduziere Menschen nicht aufs Äußere?!“, stottere ich.

Stets zu Diensten (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt