32. "Gut und Schlecht"

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Ohne gesehen zu werden habe ich es geschafft mich aus dem Haus der Beales zu schleichen, auch wenn ich ab und an beinahe einen Herzinfarkt bekommen habe, weil bei jedem Geräusch meine Panik gestiegen ist und ich langsam aber sicher paranoid wurde. Erleichtert atme ich auf, als ich in dem Porsche sitze und auf Chloe warte. Apropos Chloe. Wo bleibt sie? Ich habe es wirklich mehr als eilig, ich müsste seit über einer halben Stunde bei der Arbeit sein und auflegen. Ich will nicht wissen was gerade im Club abgeht, wie sich mein Chef die Haare rauft, die er nicht mehr hat und die Gäste verärgert abrücken und ihr Geld zurück verlangen. Von den Konsequenzen für mich will ich jetzt erstrecht nicht anfangen. Mir kommt in den Sinn dem Rotschopf ein Zeichen zu geben, vielleicht wartet sie auf mich, anstatt ich auf sie. Schnell tippe ich eine SMS um ihr mitzuteilen, dass ich im Wagen auf sie warte und sie sich nun von der Eltern-Ablenkaktion verabschieden kann. Nervös mit den Beinen wippend warte und warte ich, meines Erachtens nach einer Ewigkeit, dabei sind nur wenige Minuten vergangen, als sie auftaucht. Endlich. Zum Glück beeilt sie sich das Auto in Richtung meiner Wohnung zu befördern, damit mein letztes Fünkchen Hoffnung noch nicht erlischt. 

Komplett am Abdrehen rase ich die Treppen meines Blocks hoch, greife nach meinem Equipment, das zu meiner Befriedigung schon bereit steht und flitze wieder nach unten, damit wir uns auf den Weg zum Club machen können und ich mich meinem Todesurteil stellen kann.

Voller Angst, die ich mir hoffentlich nicht allzu sehr anmerken lasse, gehe ich ohne Chloe ins Motion. Ich will nicht, dass sie mit ansehen muss, wie ich zur Sau gemacht werde, das will ich eigentlich selbst auch nicht mit ansehen. Aber wer lieber Sex hat als Arbeiten zu gehen, der muss eben auch dafür gerade stehen. Ich betrete schwitzend und mit einem echt beschissenen Gefühl im Magen den Club. Zu meiner Verwunderung ist ein DJ da, der auflegt und Gäste sind dementsprechend auch genug da, vielleicht nicht so viele wie bei mir, aber immerhin ist der Laden gut gefüllt. Ich komme nur einige Meter bevor ein Angestellter mich abfängt, mich entsetzt voll blubbert und letztendlich zum Chef beordert, der mich schon dringlichst erwartet. 
Ich atme noch einmal kräftig ein und aus bevor ich an die Tür des Clubbesitzers klopfe. Verärgerung höre ich in seiner Stimme, als er mich herein bittet. Seine Laune wird gleich sicherlich noch schlimmer.
„Ach Beca…ich dachte schon du lebst nicht mehr.“, sagt er grummelnd und pustet eine Wolke Rauch in die Luft. 
Seine tiefe, rauchige Stimme hat in mir schon immer etwas ausgelöst, das ich lieber nicht fühlen wollte. 
„Ehm ja, es tut mir so dermaßen leid. Das wird nie wieder vorkommen, ich versprech’s!“
„Wissen Sie was? Ich glaube auch, dass das nie wieder vorkommen wird und wissen Sie auch warum?“, fragt er und sieht mich unbeeindruckt an, während er seine Zigarre ausdrückt. 
Ich schlucke und schüttle leicht meinen Kopf. Urplötzlich wird mir so kalt und schlecht, als müsste ich mich jeden Moment übergeben. Am liebsten würde ich mir gerade die Ohren zu halten und schreiend weglaufen, ich will nicht hören was er sagt. 
„Ab sofort können Sie all ihren Beschäftigungen an Samstagen nachgehen, weil Sie gefeuert sind! Kein zu spät kommen mehr, keine Probleme, alles klar?! Das Kündigungsschreiben kommt per Post. Sie können jetzt Gehen.“ 
Kein Funken Mitgefühl oder Verständnis schwingt in seiner Stimme mit, eiskalt setzt er sich durch und ich muss nun damit leben. Kämpfen scheint zwecklos, er will mich nicht mehr hören oder sehen. Ersatz hat er bereits auch, anscheinend nicht einmal Schlechten, also kann ich mir die Luft und Erniedrigung sparen. Niedergeschlagen verlasse ich das Büro, werde durch die Mengen geschuppst und lande dann an der Bar, obwohl ich eigentlich zum Ausgang wollte. In meiner Situation kommt mir der Alkohol jedoch sehr gelegen, weswegen ich mir Wodka-Energy, mit extra viel Wodka bestelle.
Einige alkoholische Drinks später klingelt mein Handy, das ich jedes Mal ignoriere, weil Chloes Name auf dem Display aufleuchtet. Damit beschäftigt den Schmerz der Kündigung zu ertränken, bemerke ich nicht wie mich ein protziger Typ von der Seite anspricht. Erst als er mich ruppig an der Schulter anpackt, sehe ich zu ihm auf. 
„Keine Chance, Kumpel, meine Freundin ist draußen.“, lalle ich ihn voll und muss dabei irgendwie lachen, was ihm nicht zu gefallen scheint. 
„Sie sollen den Club verlassen. Kommen Sie mit.“, befiehlt er und will mich gerade unter den Armen packen und vom Stuhl heben, als ich mich heftig wehre und er von mir ablässt. Kurz dreht sich alles vor meinen Augen, weswegen ich mich umschaue und wild nach etwas Orientierung suche. Dabei fällt mein Blick auf meinen Chef, nein er ist nicht mehr mein Chef, der an der Wand lehnt und mir mit einer Kopfbewegung verdeutlicht, dass ich verschwinden soll. Mein Kopf hat sich beruhigt, nur fällt es mir jetzt schwerer gegen die Tränen anzukämpfen. Ich bin nicht gerade der Herr über meine Beine als ich von dem Hocker springe und mich dabei auf die Fresse lege. Einige Gäste um mich herum fangen an zu lachen, doch der Mann von der Security hilft mir auf und geleitet mich zur Tür, wo er mich hinaus führt.
„Wo ist Ihre Freundin?“, fragt er nun deutlich netter und sensibler. 
„Ich… ich weiß nicht.“, stottere ich und beginne unaufhaltsam zu weinen. 
Die Tränen fließen nur so aus meinen Augen und meine Beine verlieren vollends ihre Kraft als ich noch gerade rechtzeitig von der Security aufgefangen werde. 
„Ist sie zufällig rothaarig und äußerst attraktiv?“, fragt er mit einem schelmischen Grinsen, dann hievt er mich zurück auf meine Beine. 
„Ouh Beca.“, kommt es erschrocken von ihr, als sie auf mich zu rennt um dann mein Gesicht sanft zwischen ihren Händen zu halten. Meine Tränen versiegen bei dem Klang von Chloes Stimme. 
„Was ist mit ihr?“, fragt sie nun an die Security gerichtet.  
„Sie hat sich betrunken, mehr weiß ich nicht.“, antwortet er ruhig.
„Warum hast du das gemacht?“, sie streicht eine meiner Haarsträhnen hinter mein Ohr. Wenn ich sie so ansehe, ihre Sorge in ihren Augen aufflammen sehe, dann will ich sie einfach immer nur beruhigen, dafür fällt mir in meinem Zustand gerade nur eins ein. Ich stelle mich auf Zehenspitzen, umfasse ebenfalls das Gesicht der Größeren und drücke ihr einen stürmischen Kuss auf die Lippen. 
„Ach so meinte sie das mit der Freundin.“, lacht der Security Mann und verschwindet zurück in den Club.
„Becs, stopp.“, murmelt sie und drückt mich etwas von sich weg, „Du schmeckst und riechst nach Alkohol.“ 
Leicht verzieht sie ihr Gesicht, legt dann aber ihren Arm um meine Schulter und bringt mich zum Auto, damit ich dort auf meinem Beifahrersitz Platz nehmen kann. 
„Möchtest du darüber reden was passiert ist oder soll ich dich nach Hause bringen?“
„Ich möchte einfach nur nach Hause, ins Bett.“, entgegne ich ihr und schaue aus dem Fenster.
„Okay.“

Bei meiner Wohnung angekommen, schleppe ich mich nach oben, wobei Chloe mir netterweise mein Equipment hochträgt, was ich gerade niemals geschafft hätte.
„Geht’s dir soweit gut, dass ich dich ohne Bedenken alleine lassen kann?“, fragt sie als wir vor der Tür meiner Wohnung stehen. 
„Ja, aber lass mich nicht alleine.“, meine ich verzweifelt und spüre die Tränen erneut hochschießen.

Im Weiteren hilft sie mir mich Bettfertig zu machen und zieht sich dann einen meiner übergroßen Pullis über, worin sie sich neben mich unter die Decke legt. Ich kauere mich an ihre Seite, vergrabe mein Gesicht in ihren Haaren und sauge den davon ausgehenden tollen Geruch ein. Für einen Moment vergesse ich das Geschehene bevor es wieder über mir zusammen bricht und ich zu schluchzen beginne. Chloes Griff um mich wird fester, wobei sie beruhigend meinen Arm streichelt und anfängt eine Melodie zu summen.
„Ich wurde gefeuert, Chlo.“, sage ich so leise, sodass ich davon ausgehe das sie es nicht hört.

Stets zu Diensten (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt