37. "Abflug 08:15"

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Erst als es an der Tür klingelt, schaffe ich es aufzustehen. Emily hatte ich schon ganz vergessen und das einzige was ich gerade wollte, war alleine sein. Ich habe mich mit dem Boden angefreundet und das meine Augen rot und geschwollen sind, stört mich auch nur noch wenig. Nachdem ich mich bis dorthin geschleppt habe, muss ich nun auch die Tür öffnen, auch wenn ich sie am liebsten noch mit Brettern zunageln würde. Mit offenem Mund sieht Emily mich an, aber ich schenke meine Aufmerksamkeit jemand anderes. Ohne Nachzudenken gehe ich die wenigen Schritte, die uns trennen, auf sie zu und schlinge meine Arme um sie. Wenn ich nicht schon all meine Tränenflüssigkeit ausgeheult hätte, würde ich jetzt mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit wieder anfangen zu weinen. Sie erwidert meine Umarmung nicht, weswegen ich versuche meine Atmung in den Griff zu bekommen, um mich diesmal vernünftiger, aufrichtiger zu entschuldigen. Noch einmal möchte ich sie nicht so aufgelöst weglaufen sehen. 
„Bitte verzeih mir, ich bin so ein Idiot. Ich hätte es sofort erzählen sollen, nur dachte ich, dass ich das alleine durchstehe. Außerdem wollte ich dich doch nicht beunruhigen, schließlich ging es um deine Zukunft, darauf solltest du dich konzentrieren und als ich danach die Möglichkeit hatte es zu sagen, konnte ich einfach nicht als ich gesehen habe wie glücklich du bist.“ 
Zum Ende hin wird meine Stimme fester und ich schaffe es sogar dabei zu ihr aufzusehen. Ihre Miene hellt sich auf und ihre Hände legt sie mir sanft auf die Wangen.
„Ich hab dir doch schon verziehen, ansonsten wäre ich ja nicht hier und auch wenn du ein Idiot bist, bist du mein Idiot und ich liebe dich trotzdem.“, erwidert Chloe und gibt mir mit einem Lächeln auf den Lippen einen Kuss. 
„Ich liebe dich.“, murmle ich an ihre Schulter, als ich mich nach dem Kuss wieder an sie gedrückt habe.
Kurz darauf räuspert sich Emily beabsichtigt, da wir sie beide total ausgeblendet haben.
„Oh sorry.“, kommt es synchron von uns beiden. 
„Ihr seid mir schon zwei.“, meint sie lachend und mit den Augen rollend, als sie dann vor uns meine Wohnung betritt. 

Wir haben uns ins Wohnzimmer gesetzt und zusammen die Mail des Labels ausgewertet. Emily  war außer sich, geschockt über die harte Kritik und fand es mehr als übertrieben und unberechtigt. Chloe und ich konnten ihr nur zustimmen, doch ändern können wir deren Meinung leider auch nicht, ansonsten hätte ich es schon längst getan. Zu meiner Verwunderung war es für mich nun deutlich leichter, ich hatte nicht einmal das Gefühl zusammen zu brechen oder weinen zu müssen. Wenn ich bedenke, dass ich mir so einiges hätte ersparen können, wenn ich es ihnen gleich erzählt hätte, dann komme ich mir umso mehr wie ein Idiot vor. Es macht mich aber umso glücklicher, dass beide zu mir halten, mich weiterhin unterstützen und mich wegen dieser einen Absage nicht fallen lassen oder mein Können anzweifeln. Durch die Arbeit bei Familie Beale habe ich in letzter Zeit so viel Geld verdient, dass ich der Meinung bin es in L.A. versuchen zu können, es wäre trotzdem nicht verkehrt einen Job in der Tasche zu haben bevor man dorthin zieht. Daher suchen wir gemeinsam nach Stellenangeboten für DJ’s und frische Musikproduzenten. Auch wenn viele Labels nicht meinem Geschmack entsprechen und selbst Emily einige ziemlich blöd findet, schreibe ich doch etliche Bewerbungen und packe ‚Flashlight‘, sowie ein paar ausgewählte Mash ups dazu. Als Sprungbrett und Anfang ist alles davon akzeptabel, ich muss nur eine Zusage bekommen und schon würde ich den Schritt wagen umzuziehen und Chloe nach L.A. zu folgen. Dann werde ich mich steigern, verbessern und vielleicht doch noch eine Stelle in meinem Traumlabel bekommen, oder sogar ein noch viel Besseres finden, das meine Arbeit zu schätzen weiß.

„Emily, Becs? Möchtet ihr beiden nicht mit nach L.A. kommen, wenn ich meine Wohnung beziehe?“, fragt uns der Rotschopf, übertrieben begeistert von ihrer Idee.
Emily und ich tauschen Blicke aus, wonach Emily sofort zustimmt und meine Unsicherheit ignoriert.
„Das wäre mega cool, also ich bin dabei! Ich gehe ja nicht umsonst arbeiten.“, meint die große Brünette und sieht mich danach erwartungsvoll an. 
Chloe unterbricht unsere Gedanken jedoch sofort nach dem Gesagten.  
„Beca, bevor du dir lange den Kopf zerbrichst, ich lade euch ein, das heißt auch das ich zahle, okay?! Mach dir wegen dem Geld keine Sorgen, ich möchte euch einfach dabei haben.“, kommt es von ihr. 
Wieso wundert es mich kein bisschen, dass Chloe den Flug bezahlen wird und mich wohl auch sonst keinen Penny ausgeben lassen wird? Auch wenn sie meine Freundin ist und sie den Vorteil hat reich zu sein, kann ich es leider nicht immer so einfach mit meinem Gewissen vereinbaren mich durch zu schnorren und nichts dazu beizutragen. Eine Diskussion darüber würde aber genauso im Nichts enden beziehungsweise mit der Festlegung, dass sie zahlt, und basta. Ich gebe mich geschlagen, fürs Erste und vielleicht vorerst das Letze Mal.
„Wir fliegen zusammen nach L.A.“, verkünde ich und konzentriere mich dabei auf das Gute, Positive an der Sache, und zwar darauf, dass ich einige Tage mit Chloe verbringen kann, bevor sie in ihren Job einsteigt und es wesentlich schwerer wird sie zu sehen. Sofort verzieht sich ihr Mund zu einem breiten, zufriedenen Lächeln, das ich so liebe. Emily hingegen quetscht mir die Luft aus den Lungen als sie mich unerwartet vor Freude in den Arm nimmt und etwas zu fest drückt. 

Stets zu Diensten (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt