28.Flashlight

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„So, dann tobt euch ordentlich aus.“, sagt er und hält uns die Tür zum Studio auf, „Beca, ich würde mich freuen, wenn ich mir das Endprodukt dann mal anhören dürfte.“ 
„Danke, Kev.“
Mit einem Zwinkern lässt er uns beide zurück und in Ruhe arbeiten. Wir dürfen das Studio die ganze Nacht über benutzen, falls nötig, da Kevin sowieso erst am nächsten Tag zurück kommen wird.
„Wow, so ein geiles Teil.“, staunt Emily und sieht sich gründlich um. 
Auf die Arbeit und mein heutiges Ziel fokussiert, setze ich mich und versuche mich daran zu erinnern wie das hier alles funktioniert. 
„Becaaa?“, fragt sie unschuldig und faltet ihre Hände vor sich.
„Hm?“, entgegne ich ihr abwesend, da ich auf die vielen Knöpfe und Regler schaue und probiere alles richtig einzustellen.
„Ich habe Chloe eingeladen.“, gesteht sie freudig.
Wahrscheinlich hofft sie darauf, dass ich ebenso begeistert bin und ihr jetzt dankend um den Hals falle, doch das tue ich nicht. Ich schlucke und meine dann: „Em, sie wird nicht kommen.“
„Wieso? Sie hat mir doch gestern zugesagt.“, verdattert schaut sie zu mir herüber.
„Wir wollten den Song doch als Duo probieren.“, jammert sie und kramt hektisch ihr Handy aus der Hosentasche, „Ich schreibe ihr. Das kann doch nicht sein, sie muss kommen.“
„Emily, lass es doch einfach, das ist unser Ding, nicht ihres.“ Genervt stütze ich meine Arme ab und lasse mein Gesicht in die Hände fallen. 
Von Chloe habe ich heute wirklich genug und Emily wirkt langsam echt besessen oder so. Ein Duett? Nein, danke. Anstatt, dass sie auf die Idee kommt ein Duett mit mir zu singen, bittet sie lieber ihre neue beste Freundin den Rotschopf darum und das vor allem schon wieder ohne meine Einwilligung. 
„Sie kommt nicht.“, haucht Emily mit einem entsetzten Blick auf ihren Handybildschirm. 
„Ist doch nicht schlimm.“, gebe ich von mir, obwohl es scheint als ob für Emily gerade eine kleine Welt zusammen bricht. 
„Wollen wir nicht lieber anfangen?“, frage ich deutlich netter, wonach ich ein Schulterzucken und aufgeregtes Lächeln von der Braunhaarigen als Antwort bekomme. Hippelig hopst sie in den Raum an das Mikrofon und strahlt über beide Ohren als sie sich die Kopfhörer darauf setzt. 

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Zuvor:

„Chloe, fahr gefälligst langsamer und guck auf die verdammte Straße!“

Wir kommen dem Auto vor uns rasend schnell bedrohlich nah. Durch mein Gebrüll scheint sie endlich wachgerüttelt worden zu sein, denn nun sieht sie nach vorn und bekommt sofort einen Schreck, wodurch sie ohne Vorwarnung und Zärtlichkeit die Bremse durchtritt und der Wagen nur wenige Sekunden später, mit quietschenden Reifen zum Stehen kommt und leicht schräg auf der Straße steht. Zum Glück haben wir niemanden über den Haufen gefahren. Erleichtert atme ich kräftig aus und rutsche wesentlich entspannter und weniger verkrampft in den Sitz. Der Moment hält nicht lange an, denn mit dem plötzlichen Stoppen hat unser Hintermann nicht gerechnet und knallt mit seinem Wagen direkt in unseren. Mit einem Ruck fliege ich nach vorne, stütze mich aber im letzten Augenblick noch mit meinen Ellenbogen am Armaturenbrett ab. Chloe hingegen schlägt mit ihrem Kopf ungehalten gegen das Lenkrad, wodurch ihr ein kurzer Schmerzensschrei entgleitet. 
„Hey.“, sanft rüttle ich an ihrer Schulter, da sie weggetreten aussieht, was mir momentan überhaupt nicht in den Kram passt. 
Da sie nicht reagiert, wähle ich die 911 und widme mich dann dem älteren Herren zu, der lautstark flucht und gegen Chloe Fensterscheibe schlägt. 
„Was läuft denn bei euch nicht rund? Welcher normale Mensch rast so durch die Stadt und macht dann eine Vollbremsung? Geschieht ihr recht, dass sie da jetzt so auf dem Lenkrad hängt.“ Der Mann steigert sich in seine Wut und ich kann ihn durchaus verstehen. Sein Wagen sieht aus wie ein Schrotthaufen und auch er hat etwas am Kopf abbekommen. 
„Es tut mir wirklich leid, ich weiß auch nicht was los war. Ich gebe Ihnen die Kontaktdaten von der Fahrerin und sie wird Ihnen sicherlich die Reparatur bezahlen, nur regen Sie sich bitte etwas ab, sie ist bewusstlos und Sie brauchen auch einen Arzt.“, entgegne ich ihm, überrascht über meine Ruhe und Vernunft. 
„Ja gut, ich bestelle einen Abschleppwagen.“, seufzt er und drückt sich das Telefon ans Ohr. 
Als ich zur Fahrerseite gehen möchte, überlege ich es mir doch noch anders, da ich nicht riskieren möchte mich von den vorbeirauschenden Autos anfahren zu lassen. Stattdessen setze ich mich wieder auf den Beifahrersitz und versuche Chloe zu Bewusstsein zu bekommen, während ich auf den Notarzt warte. Nachdem ich es satt habe, ständig an ihr zu rütteln und mit ihr zu reden, obwohl sie mich eh nicht zu hören scheint, lasse ich meine Hand einfach auf ihrer Wange liegen.

Einige Minuten vergehen bevor die Sirenen des Krankenwagens aus der Ferne ertönen. So unaufmerksam wie ich bin, habe ich nicht einmal mitbekommen wie Chloe ihre Hand nach mir ausgestreckt hat. Ich spreche sie erneut an, weswegen ihre Augenlider zu zucken beginnen und sie langsam aber sicher ihre Augen öffnet, wobei sie ihre strahlende Leuchtkraft verloren haben und nur noch matt drein schauen. 
„Der Krankenwagen ist gleich da, halte durch.“, gebe ich ihr zu Verstehen und steige aus, um mich der Situation draußen zu stellen, was Chloe ja leider nicht übernehmen kann.

Wir schildern den angerückten Kräften den Sachverhalt, wonach sich parallel um die beiden gekümmert wird und ich außen vor gelassen werde, da ich darauf bestanden habe, dass es mir gut geht und mir nichts passiert ist. Danach wird Chloe abtransportiert und der Mann kümmert sich um das Abschleppen der beiden Wagen. Zum Abschied gebe ich ihm die Daten und laufe, total fertig, den Rest des Weges zu Fuß nach Hause.

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„Beca, hast du überhaupt Spaß dabei?“, fragt mich Em und sieht mich dabei skeptisch an, als sie die Kopfhörer abgesetzt hat.
„Ja natürlich, nur habe ich schon einen anstrengenden Tag hinter mir und außerdem ist das hier auch eher Arbeit für mich. Bei der ich aber trotzdem Spaß habe, vor allem mit dir.“, meine ich und versuche meine Niedergeschlagenheit etwas zu verbergen.
„Haben wir denn jetzt alles im Kasten, damit wir noch etwas rumblödeln können?“ Frech grinst sie mich an und ihre Augen leuchten hoffnungsvoll. Auch für Emily ist das kein leichtes Spiel, vor allem weil wir nur diese eine Chance hier im Studio haben, die effektiv genutzt werden muss.
„Komm her, dann hören wir es uns an.“, schlage ich vor.
Die Brünette stürmt aus dem Raum und setzt sich auf die Stuhllehne neben mich. Daraufhin starte ich den Song. Gespannt lauschen wir beide dem Endprodukt des Abends und sind beide zufrieden damit, sodass wir noch ein, zwei Stunden damit verbringen das Studio auszukosten, um albern ein paar Songs zu performen und allmöglichen Schnick-Schnack an Einstellungen auszuprobieren. Durch die Zeit mit Emily kann ich das erste Mal seit dem Vorfall richtig abschalten und durchatmen. Ich denke gar nicht an den Rotschopf, sondern genieße die Zweisamkeit mit meiner Freundin, die ich schon längere Zeit vermisst habe. Selbst Em erwähnte Chloe den ganzen Abend nicht mehr und hat sie auch nicht einmal gefragt weswegen sie nicht erscheinen konnte. Wenigstens konnte ich so etwas meinen Kopf frei bekommen, da ich sicherlich am nächsten Tag wieder damit konfrontiert werden würde, also sollte ich jede unbeschwerte Minute nutzen und das Schlechte vom Tag ausblenden.

Stets zu Diensten (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt