29. "Eins weiß ich ganz genau, und zwar..."

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„Ah gut, dass ich Sie noch antreffe, Beca.“, die Haushälterin fängt mich an der Tür ab, „Machen Sie doch bitte unbedingt Chloes Zimmer und Bad. Sie kommt heute nach Hause.“ 
Ich nicke nur, während ich in das Haus stolpere und Mrs Beale an mir vorbei heraus stürmt. 
„Becaaaa.“, ruft es aus einem anderen Zimmer. 
Ich habe es gerade einmal geschafft meine Jacke aufzuhängen, bevor ich der rufende Stimme folge und letztendlich auf Mr Beale stoße, der Bier trinkend und Chips essend auf dem Sofa liegt, mit den Füßen auf dem Tisch. Chips und Bier am Morgen? Na lecker und auf jeden Fall viel Spaß für mich. Im Wohnzimmer stehend frage ich ihn was es denn so dringendes gibt.
„Leg mir eine DVD ein.“, befiehlt er schmatzend und kippt etwas Alkohol hinterher. 
Verwirrt sehe ich den faulen Mann an, der gerade wirklich eher abstoßend anstatt gut aussieht. 
„Ich soll Ihnen eine DVD einlegen?“, frage ich und fühle mich dabei total veräppelt. 
Ich soll hier Putzen und nicht seine Wünsche erfüllen, außer es geht darum, dass etwas sauber gemacht werden soll. Ernst nickt er mir zu und zeigt auf das Regal mit den DVD’s. Ich gebe mich geschlagen und will gehorchen, in der Hoffnung, dass er mich danach in Ruhe lässt und seinen Film sieht.
„Okay und welchen?“ Ein riesiges Regal steht voller DVD Hüllen, anscheinend geordnet nach deren Genre.
„Mir egal.“, kommt es von ihm, weswegen ich überfordert da stehe und meine Augen versuchen irgendeinen Film ausfindig zu machen. 
Letztendlich schnappe ich mir einfach den Film „Breakfast Club“, da er auf Augenhöhe stand und ich wirklich nicht weiß welche Art Film Mr Beale unter „mir egal“ versteht, wobei ich sowieso keine Ahnung von Filmen habe. Ich starte den Fernseher und lege die Disc ein. Danach will ich mich gerade aus dem Staub machen, als der Haushälter erneut herum brüllt.
„Nicht den!“ Sein leeres Bier feuert er auf den Boden und greift in die Chipstüte.
„Sie haben gesagt es ist Ihnen egal, dann machen Sie doch mal eine Ansage.“, genervt trotte ich zurück und schaue ihn erwartungsvoll an. 
„Mir ist die Lust vergangen. Bring mir ein kühles Bier.“ Schon wieder dieser Befehlston.
„Ich werde jetzt putzen und Sie nicht bedienen.“, meine ich und mache kehrt ohne eine Antwort abzuwarten. Mir reichts. 
Im nächsten Moment landet etwas hinter mir. Die Chips. Ich drehe mich um und alles was ich sehe sind Chips und deren Krümel, die über den Boden verteilt liegen. Dann steht er auf und hebt die Bierflasche auf, kommt auf mich zu und lässt den letzten Schluck daraus vor mir auf das Laminat tropfen.
„Jetzt haben Sie was zu putzen.“, lacht er, lässt die Flasche erneut klirrend zu Boden fallen und verlässt den Raum. Doch er hält im Türrahmen noch einmal kurz inne um mich mit versteinertem Gesichtsausdruck anzublaffen. 
„Ich warne Sie, wehe Sie sind noch einmal so frech zu mir.“

Zum Glück habe ich eine Weile meine Ruhe, sodass ich den Dreck in dem Wohnzimmer beseitigen, sowie ich mich nach oben zu Chloes Zimmer schleichen konnte.
Zuerst mache ich das Bad, was ein Kinderspiel ist, da ich davon ausgehe, dass der Rotschopf selbst putzt, so sauber wie es hier ist. In ihrem Zimmer räume ich die herumliegenden Kleidungsstücke weg und schüttle das Bett aus. Beim Kissen angekommen, erstarre ich. Darunter liegt ein Bild, welches ich zögernd in meine Hände nehme, weil es genau das Bild ist, dass Chloe von uns beiden gemacht hat, als sie bei mir übernachtete. Sofort bekomme ich ein schlechtes Gewissen und mein Körper sehnt sich danach sie zu sehen. Eine Weile schaue ich das Stück Papier an, auf dem Chloe so natürlich schön aussieht und beschließe dann noch heute nach der Arbeit ins Krankenhaus zu fahren um sie zu besuchen und mich für mein Verhalten zu entschuldigen. Nachdem ich das Bett gemacht habe, versuche ich beim Staub wischen und Saugen nicht allzu viel herum zu schnüffeln, das gehört sich nicht, trotzdem bleibt mein Blick an einigen Dingen hängen, wie zum Beispiel den Fotos an der Wand mit ihrer Familie oder Aubrey und den Bellas. Sie sieht so unglaublich glücklich aus, so dass ich beinahe daran zweifle, dass ihre gute Laune nun echt ist, jetzt nachdem sie ihre Collegezeit hinter sich hat und ich ehrlich gesagt keine Ahnung habe was Chloe vor hat die nächsten Jahre zu machen. Außerdem frage ich mich ob ihr Vater nur zu mir so fies ist oder ob er seine Familie besser behandelt.
Mr Beale hat mich früher in den Feierabend geschickt, da er noch Freunde erwartet hat und ich natürlich nicht stören sollte. Naja, mich soll es nicht kümmern, somit bin ich weiteren Schikanen aus dem Weg gegangen und habe umso mehr Zeit um zum Krankenhaus zu kommen, bevor Chloe entlassen wird.

An der Rezeption erfrage ich die Nummer ihres Zimmers und bekomme sogar eine kurze Wegbeschreibung. Kurz vor der Tür, treffe ich auf einen Arzt.
„Hallo. Möchten Sie zu Ms Beale?“, fragt er freundlich und sieht auf mich herab.
„Ja, das da ist ihr Zimmer, nicht wahr?“ Ich schaue zur Tür hinter ihm, woraufhin er nickt und dann meint: „Sie hat gerade Besuch, aber Sie können ja mal schauen, ob sie dazu passen.“ 
Lässig schlendert er an mir vorbei und betritt das nächstliegende Zimmer. Ich stehe vor der Tür und weiß nicht ob ich wissen will wer ihr Besuch ist und ob ich dazu passe oder nicht. Ich überlege nicht lange und klopfe einfach an. Sekunden später erklingt Chloes Stimme und bittet mich herein. Zögernd öffne ich die Tür und atme noch einmal kräftig durch, als ich um die Ecke schaue. 
„Mit dir haben wir ja gar nicht gerechnet.“, entgegnet mir die Blonde schnippisch.
„Oh eh…ich seh schon, ich störe. Ich gehe lieber wieder, wir sehen uns.“, stottere ich und schiebe mich wieder durch die Tür, die ich noch nicht einmal geschlossen hatte.
„Beca, warte doch!“, ruft Chloe mir nach. 
Gehe ich zurück, oder nicht? Ich stehe im Konflikt mit mir selbst und halte die Tür kurz vorm Zufallen auf, nur um mir die Möglichkeit noch für einen Moment zu wahren.
„Lass sie gehen.“, höre ich Aubrey noch sagen und entscheide mich dann endgültig dafür zu gehen. 
Die Tür fällt zu und ich beginne hastig den Flur entlang zu gehen um endlich aus diesen kalten, weißen Wänden heraus zu kommen. 

„Beca Mitchell, bleib jetzt sofort stehen!“
Verwundert und aus meinen Gedanken gerissen, drehe ich mich um und sehe wie die Rothaarige auf mich zugelaufen kommt. Automatisch bin ich stehen geblieben und als sie nicht mehr in allzu weiter Entfernung von mir ist, fragt sie: „Warum bist du nicht geblieben? Lass Aubrey doch reden.“
„Naja, ich wollte mit dir alleine reden und ich hab nur gestört, also…“ Sie unterbricht mein Gestotter in dem sie mich an die Wand drückt und küsst, während sie den Stoff meiner Jacke packt um mich etwas an sich zu ziehen. Mit einem leisen Seufzen lösen sich ihre Lippen von meinen.
„Ich hab dich so vermisst.“, haucht sie mir entgegen mit diesem Funkeln in ihren Augen und dem typischen Chloe Beale Lächeln, das ich schon so oft zu Gesicht bekommen habe. 
„Uhm, bist du denn gar nicht sauer auf mich?“ 
„Wieso sollte ich sauer auf dich sein?“, fragt sie mit hochgezogenen Augenbrauen, „Ich bin nur sauer auf den Typen, der uns hinten reingefahren ist.“
„Chloe, er war nicht schuld. Kannst du dich nicht daran erinnern was passiert ist?“ Ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen, kann sie sich nicht erinnern. Ihr Kopf hat wohl ganz schön was abbekommen.
„Ich war schuld? Oh mein Gott.“, entsetzt schlägt sie sich die Hand vor den Mund und läuft ein Stück auf dem Flur auf und ab. Immer noch mit dem Rücken an die Wand gelehnt, gebe ich ihr etwas Zeit, das muss ein Schock für sie sein und ich will ihr auf keinen Fall Schuldgefühle verpassen.
„Ich weiß es wirklich nicht, Beca, aber eins weiß ich ganz genau…“, langsam kommt sie wieder auf mich zu, bleibt einen halben Meter vor mir stehen und sieht mir tief in die Augen. Mein Herz schlägt ungewollt schneller und ich kann nicht anders als vor Spannung die Luft anzuhalten und darauf zu warten was der Rotschopf zu sagen hat. Sie will gerade nach meinen Händen greifen, als Aubrey von der Seite angelaufen kommt und Chloe ruckartig ihre Hände wegzieht und sich stattdessen durch die Haare fährt und den Rücken kratzt.
„Du bist offiziell entlassen, Liebes, wir können gehen, deine Mum wartet schon.“, sagt die Blondine und stellt sich fröhlich neben die Rothaarige, wobei ihr Pferdeschwanz von einer Seite auf die andere wippt. Ihr schiefer Blick verunsichert mich, weswegen ich mich von der Wand abdrücke, mich räuspere und meine Jacke zu Recht rücke, die durch Chloes Griff ungeschickt an mir hängt. 
„Was wolltest du eben sagen, Chlo?“, frage ich, weil es mich nun wirklich interessiert und ich nicht ohne Antwort nach Hause gehen kann. Verlegen schaut sie sich um.
„…ehm, dass ich nicht sauer auf dich bin.“, kommt es leise von ihr, wonach Aubrey ihre Arme miteinander verschränkt, sich sich kurz verabschieden und dann gemeinsam den Flur entlang, Richtung Ausgang gehen.

Stets zu Diensten (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt