15. Einen Schritt näher....

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Am nächsten Tag mache ich mich sofort daran eine Playlist für die Gala zu erstellen. Ich habe nicht damit gerechnet dabei unter Stress arbeiten zu müssen. Mit bereits drei Tassen Kaffee intus und der nächsten in der Hand, liege ich auf der Couch, die Kopfhörer fest auf den Ohren und klicke die Songs durch, die Mrs Beale auf dem Blatt Papier zusammen getragen hat. Das sind eindeutig zu wenig Tracks um einen ganzen Abend zu füllen. Ich orientiere mich an den bereits ausgewählten Songs um noch einige mehr in die Playlist aufzunehmen. Immer noch zu wenig. Da mir die Ideen fehlen, spiele ich die Liste an und nehme ein paar Veränderungen vor. Langsameres Tempo, Zügeln der Beats, ein Instrument mehr oder weniger, nicht berauschendes. 

Nach Stunden der Arbeit bin ich immer noch nicht zufrieden und habe auch noch nicht genug Material. Seufzend strecke ich alle Viere von mir und denke nach. Letztendlich komme ich zu dem Entschluss Chloe um Hilfe zu bitten, auch wenn das bedeutet, dass ich ihr wahrscheinlich eine Antwort auf ihren Vorschlag geben muss. Gestern habe ich versucht die Vor- und Nachteile abzuwägen, mit dem Ergebnis das ich total gerne dort wohnen würde, es jedoch den Umständen entsprechend nicht so günstig wäre und ich keines falls bei meinem Arbeitgeber einziehen kann.

„Hallo, Beth Beale am Apparat.“
„Ehm, hallo Mrs Beale, ich…“, melde ich mich, wobei sie mich sofort unterbricht.
„Oh Beca, Liebes. Wie geht es Ihnen? Soll ich Chloe vorbei schicken? Und entschuldigen Sie, dass sie gestern so fluchtartig gehen musste, es war wirklich dringend.“ 
Die Besorgnis ist klar und deutlich heraus zu hören. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ob sie meine Gedanken lesen konnte. Und jetzt wusste ich endlich, wer den Rotschopf gestern so panisch angerufen hatte. 
„Mir geht es besser, danke! Und Ihnen? Kein Problem, könnte ich Chloe denn sprechen?“, kommt es von mir.
„Oh, das freut mich. Das Ganze hat uns wirklich beunruhigt. Mir geht es gut, auch wenn ich zugeben muss, dass ich etwas nervös bin.“ 
Kurz herrscht Stille, doch dann brüllt Mrs Beale Chloe’s Namen durch das ganze Haus und ich muss den Hörer von meinem Ohr weghalten. 
„Ich habe übrigens ein Gästezimmer für Sie fertig gemacht. Sie können gerne her kommen und solange bleiben wie Sie möchten.“, verkündet sie freundlich. 
Ich dachte schon diese Einzugsgeschichte wäre nur auf Chloes Mist gewachsen, aber anscheinend habe ich mich da geirrt. Ich komme jedoch nicht dazu zu antworten.
„Beca möchte dich sprechen, Schatz.“, meint sie zu ihrer Tochter. Erleichterung macht sich in mir breit, als mir bewusst wird, dass sie mich heute schon das zweite Mal bei meinem richtigen Namen genannt hat. Hoffentlich hält es diesmal länger und ich muss mich nie wieder bei ‚Rebecca‘ angesprochen fühlen. 

„Chloe? Ich brauche deine Hilfe.“, gestehe ich. 
„Wobei denn?“, fragt sie aufgeregt.
„Wegen der Playlist für die Gala morgen. Kannst du vorbeikommen?“
„Oh, achso. Na klar, ich bin schon unterwegs.“ Und schon hat sie den Anruf beendet, wodurch nur noch das hässliche Piepen in mein Ohr dröhnt. 

Ich habe ungefähr eine halbe Stunde Zeit bis Chloe hier aufkreuzen wird, weswegen ich mich noch etwas heraus putze, damit ich nicht allzu fertig aussehe. Sorgenfalten stehen Chloe nicht. Auf dem Stubentisch stelle ich schon eine Flasche Wasser und zwei Gläser bereit und setze mich dann auf die Couch um meinen Laptop zu starten. Ich checke meine E-Mails, wobei ich fast einen Herzinfarkt bekomme. Ich zittere als ich den Mauspfeil auf die hervorgehobene, ungelesene Mail bewege und den entscheidenden Klick setze.

[Betreff: AW Mad Decent Record Label]

Ich habe mir persönlich die Zeit genommen, um in deine Mashups hinein zu hören und habe daraufhin einen meiner Lehrlinge zu dir nach Atlanta geschickt, um deine Arbeit im Club Motion zu beurteilen. Zu deiner Freude darf ich dir mitteilen, dass ich dir ein Angebot mache. Deine Mashups sind klasse und begeistern die Leute, aber das ist auf dem Markt langsam nichts Besonderes mehr, also zeig mir, dass du das Zeug zum Produzenten hast und sende mir innerhalb von 14 Tagen einen eigenen Song zu. Danach sehen wir weiter. Vielleicht produzieren wir dann ja bald gemeinsam. ;)

Grüße Luke
i.A. vom Mad Decent Record Label L.A.

Einige Sekunden starre ich den Bildschirm an bis meine Augen drohen auszutrocknen. Dann lese ich die Mail erneut, wonach ich mir ein Kissen schnappe und euphorisch hinein schreie. Als nächstes greife ich zu meinem Handy und schreibe Emily.

Beca: Em, es wird Zeit, dass wir einen Song produzieren! *freu*

Mit einem Grinsen, so breit wie schon lange nicht mehr, liege ich auf der Couch und träume vor mich hin, denke an meine Zukunft. Emily und ich sind ein super Team, wir werden das hinbekommen und somit das Sprungbrett für meine Karriere in L.A. legen. Ich bin so überglücklich, dass ich diese riesen Chance bekomme. Jetzt heißt es: nur nicht vergeigen. Mein Handy reißt mich aus meinen Träumen. Ich schaue auf das Display: Emily ruft an. Ich drücke sie weg, weil es in demselben Moment an der Tür klingelt. 

Chloe zieht verwundert ihre Augenbrauen in die Höhe und fragt im Hineingehen: „Was ist denn mit dir los? Du grinst wie so ein Honigkuchenpferd.“ 
„Ich darf einen eigenen Song produzieren und ihn an ein Record Label schicken. Mit Glück bekomme ich dann ein Jobangebot.“ Während ich so davon erzähle, wird mein Grinsen immer breiter, von einem Ohr bis zum anderen. 
„Oh, das ist super, Becs, gratuliere.“, sie zieht mich ohne Vorwarnung in eine enge Umarmung, die ich erst nach kurzer Bedenkzeit erwidere. Ich erinnere mich daran, dass meine Nachbarin Konditorin ist und mir bei meinem Einzug angeboten hat, dass ich mir immer mal etwas Restbestand Torte abholen könnte, wenn ich will. Dieses Angebot werde ich jetzt wohl das erste Mal in Anspruch nehmen. 
„Geh schon mal ins Wohnzimmer, ich bin gleich wieder da.“, sage ich und verschwinde im Aufgang. 

Wenige Minuten später komme ich mit zwei Stücken leckerer Erdbeersahnetorte zurück und lasse diese beinahe fallen, als ich Chloe sehe wie sie mein Handy zurück auf den Tisch legt. 
„Deine Freundin Emily hat angerufen und beim zweiten Mal dachte ich mir dann, dass ich doch rangehen könnte.“, meint sie schulterzuckend und setzt einen leichten Dackelblick auf, sodass ich ihr ja nicht böse sein kann. 
Ich stelle die Torte mit auf den Tisch und bin verwundert darüber, dass das Telefonat dann schon beendet ist. Em muss doch tausende Fragen gehabt haben oder sie hat Chloe erst einmal taub gequiekt. Kurz darauf bekomme ich Chloes Ellenbogen leicht in die Seite. 
„Du wolltest mich also auf einen Kaffee einladen?“ Das typische Zwinkern folgt.

Stets zu Diensten (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt