12.I am Titanium

556 25 4
                                    

Rot, rot, ein roter Schweif. Ich sehe rot, direkt vor meinen Augen. Es bewegt sich von rechts nach links und wieder zurück. Chloe? Meine Augenlider zucken wild, als ich meine Augen aufreiße und in das gleißende Licht der Taschenlampe schaue. Der Lichtkegel verschwindet und eine Stimme sagt: „Oh, sie ist wach.“ 
Es hört sich an als wäre die Person hunderte von Metern von mir entfernt. Ich höre alles gedämpft wie durch einen Berg Watte.
Mein Körper fährt langsam hoch, wie ein PC, der ausgeschaltet war. Ich tue mich etwas schwer damit mich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Lange kann ich meine Augen noch nicht geöffnet halten. 
„Können Sie mich hören, Beca?“, fragt die Männerstimme, die sich nun deutlich näher anhört. Ich versuche zu nicken. 
„Gut. Ruhen Sie sich aus, dann wird es Ihnen bald besser gehen.“

Nach einigen weiteren Stunden Schlaf fühle ich mich wesentlich besser und habe meinen Körper auch wieder unter Kontrolle. Jetzt bin ich mir auch im Klaren darüber wo ich mich befinde. Im Krankenhaus. Ich bin alleine und das einzige Geräusch hier ist das Piepen, das meinen Herzschlag wiederspiegelt. Gelangweilt liege ich da, weswegen ich beschließe mich zu inspizieren um herauszufinden warum ich hier bin. Ich hebe meinen Kopf um ihn kurz darauf mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück ins Kissen zu werfen. Den Verband um den Kopf habe ich wohl nicht umsonst. Wie ich so da liege, kommen langsam aber sicher meine Erinnerungen an die letzte Nacht zurück. Ich war arbeiten, aber kam nie zu Hause an. Jemand hat auf mich geschossen, aber da waren noch mehr Schüsse. Vorsichtig schaue ich an mir herunter und entferne die Decke von meinem Oberkörper. Noch kann ich nichts erkennen, weswegen ich das typische Krankenhaushemd hoch schiebe und ein weiterer Verband zum Vorschein kommt. Ich wurde an der linken Seite getroffen. In meine Beobachtungen vertieft, bekomme ich gar nicht mit wie jemand das Zimmer betritt. Er räuspert sich und ich schrecke auf. Schnell rücke ich das Hemd zurecht um mich zu bedecken. 
„Ich bin Detektiv Bumper Allen. Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.“, sagt er und setzt sich sogleich auf den Stuhl neben meinem Bett. Erneut nicke ich.
„Zuerst würde ich Sie bitte mir zu schildern was passiert ist.“, meint er mit ruhiger Stimme.
Ich muss einige Schlucke trinken um überhaupt sprechen zu können. 
„Ich bin nach 4 von der Arbeit nach Hause gegangen und…“, ich huste, „dann hörte ich Schritte und habe es nicht mehr bis dorthin geschafft. Jemand hat geschossen und ist an mir vorbei gelaufen als ich bereits auf dem Boden lag.“ Der Detektiv nickt und macht sich ein paar Notizen.
„Sie waren alleine unterwegs?“, fragt er, den Blick immer noch auf den Block gerichtet. Ich bejahe die Frage.
„Und Sie haben niemanden sonst gesehen, beziehungsweise die Person auch nicht erkannt?“, fragt er stirnrunzelnd weiter.
Ich schüttle den Kopf. „Nein, ich war alleine und ich konnte in der dunklen Gasse nichts erkennen.“
Dann richtet er seinen Blick auf mich.
„Kennen Sie zufällig eine Cynthia Rose?“ Er sieht mich fragend an und scheint gespannt auf meine Antwort zu sein. Kurz überlege ich, doch der Name sagt mir nichts, weswegen ich erneut meinen Kopf schüttle und mich dafür entschuldige nicht weiterhelfen zu können. 
„Sie hat in ihrem Block gewohnt, seit Wochen Wohnungen überfallen und ein Leben auf dem Gewissen. Davon abgesehen hat sie auf Sie geschossen.“, meint Detektiv Allen ernst. Ich schaue ihn entgeistert an. 
„Haben Sie sie geschnappt?“, frage ich, in der Hoffnung, dass es so ist und sie nicht mehr auf freiem Fuß ist. 
„Natürlich haben wir sie geschnappt. Abgeknallt haben wir sie. Miststück.“, flucht er, „Entschuldigen Sie mich. Dieses Weib hat uns wochenlang an der Nase herum geführt, da kann ich schon einmal meine Kontrolle verlieren.“ Ich murmle etwas Verständnisvolles vor mich hin um ihn nicht wütend zu machen, anscheinend kann er ziemlich aufbrausend sein und das ist mir gerade einfach zu stressig, da  lege ich es lieber nicht darauf an. Nach einigen Sekunden des Schweigens frage ich zögernd: „Ist sie tot?“ 
Er runzelt die Stirn. „Natürlich nicht. In die Beine geschossen haben wir. Die wird schön eingebuchtet.“, antwortet er, während er sich die Hände fies grinsend reibt. Erleichtert atme ich auf.
„Wir müssen Ihnen danken, Ms Mitchell. Ohne Sie hätten wir sie wohl nicht erwischt.“, meint er mit einem aufrichtigem Gesichtsausdruck und wesentlich freundlicher Stimmlage, „Durch den Schuss den sie abgegeben hat, wussten wir wo wir hinzulaufen haben. Anderenfalls wären wir weiterhin in die falsche Richtung gelaufen. Also, danke schön und werden Sie schnell wieder gesund.“ Detektiv Allen richtet sich auf, schüttelt meine Hand und verlässt den Raum. Erschöpft mache ich es mir wieder in dem Bett gemütlich und schließe die Augen. Kurz darauf öffnet sich aber wieder die Tür und unterbricht meinen Versuch einzuschlafen. Ein Arzt schreitet hinein. 
„Guten Tag, Beca. Wie geht es Ihnen?“, trällert er fröhlich und hält den Stift bereit um etwas auf sein Patientenbrettchen zu kritzeln. 
„Mir geht’s gut. Wann kann ich nach Hause?“, frage ich ungeduldig und schaue ihn erwartungsvoll an.
„Wie sind die Schmerzen? Schließlich haben Sie eine leichte Gehirnerschütterung, sowie eine Platzwunde.“, meint er, wahrscheinlich verwundert über meine Aussage.
„Die Schmerzen sind auszuhalten. Ein paar Schmerztabletten und dann geht das schon.“, behaupte ich.
„Sie müssen trotzdem noch ein paar Tage, zur Beobachtung, hier bleiben, Beca.“, befiehlt er. Das Kratzen des Stiftes auf dem Papier ist deutlich zu hören. Auch das Ticken der Uhr und das Piepen des Monitors, neben mir, nehme ich nun stärker wahr. Der Gedanke daran hier tagelang ohne Musik zu verbringen und nur diese Geräusche zu hören, ist ätzend. Mit einem Stöhnen werfe ich mich ins Kissen. 
„Ich schicke gleich eine Schwester vorbei, die sich die Schusswunde ansieht.“, verkündet er im Hinausgehen und wirft mir noch ein breites Grinsen zu, das ich nicht erwidere. 

Die Wunde ist halb so schlimm, nur ein Streifschuss unter der linken Brust an den Rippen entlang. Da habe ich wirklich Glück im Unglück gehabt. Nachdem mich die Schwester versorgt und mir etwas zu Essen gebracht hat, beauftrage ich sie damit sich nach meiner Ausrüstung zu erkundigen. Schließlich muss diese neben mir oder ich auf ihr gelegen haben als sie mich gefunden haben. Ich brauche mein Equipment und vor allem meine Kopfhörer und mein Handy, am besten jetzt sofort um die Zeit totzuschlagen. Ich werde nämlich mit höchster Wahrscheinlichkeit keinen Besuch empfangen. Die einzige Person, die vorbeischauen würde, wäre Emily, doch sie würde vor Sorge umkommen und mich wie ein totkrankes Kleinkind behandeln. Nein danke. Ich werde einfach die Zeit hier absitzen und dann nach Hause zurück kehren als wäre nie etwas gewesen.

Stets zu Diensten (gxg)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt