5.

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Ich weiß nicht, an welchem Punkt mein Hirn abgeschalten hat, aber jetzt sitze ich hier mit Herzrasen und nähere mich freiwillig diesen verführerischen Lippen, die sicherlich mein Untergang sein werden.

Ich höre, wie Shane die Luft anhält. Das Blut rauscht in meinen Ohren.
Unsere Lippen berühren sich so vorsichtig und sanft, dass es auch ein warmer Lufthauch hätte sein können.  Für den Bruchteil einer Sekunde lösen wir uns voneinander, nur damit unsere Lippen direkt wieder aufeinander treffen. Ohne die Berührung zu unterbrechen, zieht er mich näher zu sich. Automatisch streifen meine Finger sein Gesicht und verankern sich an seinem Hinterkopf.
Langsam öffne ich meine Lippen und lasse meine Zunge vorsichtig vorangleiten.
Zeitgleich seufzen Shane und ich leise, als sich unsere Zungenspitzen berühren. Immer und immer wieder.
Er schmeckt so gut...So anders..
Ich spüre wie sich mein Magen zusammenzieht.

Waren es Stunden,Minuten, Sekunden? Ich öffne die Augen. Wann habe ich sie geschlossen?
Ich sehe wie Shanes Blick sich von meinen geröteten Lippen hebt.
Unsere Blicke treffen sich und er beißt sich ertappt auf die Unterlippe.
Sein Brustkorb hebt und senkt sich ziemlich schnell. Unbewusst streiche ich über seinen Oberkörper.
Ruckartig wendet er sich ab und steht auf. "Ich... Ich sollte gehen. Es tut mir leid, Kalista..."
"Shane..." flüstere ich.
Mit großen Augen sieht er mich an.
"Bitte sag nicht, dass es dir leidtut..."
"So sollte es nicht sein..." damit verschwindet er. Ich bin viel zu verwirrt um ihm hinterher zu rennen. Leise höre ich noch die Haustür ihr Schloss fallen.
Wie in einem schlechten Film haste ich zum Fenster, nur um zu sehen, wie der Märchenprinz davonläuft. Ist nicht immer die Prinzessin die, wird wegläuft? Alles in mir schreit danach, ihm zu folgen, doch was dann? Der Gedanke an das 'danach' kommt mir erst, als ich in meinem -meinem? Ethans? Nein, meinem.- Mazda sitze.
Ohne zu wissen wohin, rase ich los. Erst 2 Stunden später bleibe ich stehen und schaue mich um. Fuck.
Unbewusst bin ich direkt zum Friedhof gefahren. Vielleicht ganz gut so. Meine Füße tragen mich zu einem auf den ersten Blick unscheinbaren Grabstein. Beim genauen hinsehen fällt auf, mit wird viel Liebe der Stein gefertigt und designed wurde. Ethans Dad hat den Stein nach meinen Entwürfen selbst gefertigt.
Tränen laufen mir über das Gesicht, als ich mich ins Gras fallen lasse.
"Oh Ethan.... es hätte doch alles so schön sein können... Du und ich gegen den Rest der Welt. Mein Drache. Warum wolltest du unbedingt zu mir kommen? Deine Schwester hätte dich gebraucht... und jetzt? Nach so viel Zeit glaube ich, mein Herz schlägt wieder... aber warum für den Mann, von dem ich genau weiß, dass er nur spielen will? Ethan... was mache ich nur? " schluchzend liege ich nun also nachts auf dem Friedhof und rede mit einem Stein. Und doch hilft es ungemein.

Schritte hinter mir. Ich bin tot. Selbst Schuld, wenn ich mitten in der Nacht draussen rumrennen muss.
Jemand setzt sich ächzend neben mich und legt seinen Arm um mich.
"Ich glaube, du musst mir nachher hochhelfen,Kalista."
Stumm nicke ich. Ethans Dad lächelt mich an und drückt mich. Eine Weile sitzen wir schweigend so da und starren in die Nacht.
"Was machst du überhaupt mitten in der Nacht hier draussen?" durchbreche ich die Stille.
Ich weiß, dass er lächelt.
"Manchmal überkommt es mich einfach, nach den beiden zu sehen." Er deutet auf einen ebenso schönen Grabstein neben Ethans.
Ethans Mom. Kurz nach Ethans Unfall  verlor sie ihren Kampf gegen den Krebs in ihrem Körper.
"Weißt du, Kalista, du darfst dich nicht schlecht fühlen, weil du noch in der Lage bist zu lieben. Sei stolz auf dich. Ethan hätte nie gewollt, dass du so lange leidest. Er wollte immer, dass du glücklich bist. Für immer."
"Aber... Ich... Ich weiß nicht. Warum denn ausgerechnet Shane? Ich weiß ja nicht mal, ob das Liebe ist? Ich kenne ihn doch erst seit wenigen Tagen. Und ich weiß doch genau, dass er nur auf Trophäen aus ist..."
"Als Ethan dich das erste Mal gesehen hat, war er vollkommen von den Socken. Er hat nur noch von dir gesprochen. Jeder wusste, dass er sich vom ersten Augenblick an in dich verliebt hatte. Und das,obwohl er vorher auch sehr häufig die Damen gewechselt hat. Zweifle also nicht an dem, was dein Herz sagt. Und immer wieder aufstehen, Krone richten,  Gaspedal durchdrücken und weiter gehen. Und dieser Shane wird schon merken, dass du viel, viel mehr als eine Trophäe bist."
Dankbar lächle ich ihn an und atme tief durch.
"Na komm. Du hast doch morgen sicherlich Schule. Und du musst noch wieder bis nach Hause."
Ich stehe auf und helfe ihm hoch.
An meinem Wagen angekommen, nimmt er mich nochmal fest in den Arm. In der ganzen Zeit mit Ethan war mir sein Dad auch sehr ans Herz gewachsen. Für ihn war ich sowas wie eine zweite Tochter. Seine richtige Tochter war bis zu Ethans Tod meine beste Freundin.

"Ich bin stolz, dass du seinen Wagen wieder fährst. Und, bevor ich es vergesse, du musst mir deine neue Adresse geben. Dann bekommst du bald Post."
"Warum Post? Du kannst es mir dich auch jetzt sagen?"
"Hochzeitseinladungen verschickt man aber traditionell per Post. " grinst er verschmitzt.
Begeistert quietsche ich und schlage mir die Hand vor den Mund. "Du heiratest wieder? Wann, wen? Ohhh ich freue mich so sehr für dich! "
"Das erzähle ich dir alles ein anderes Mal bei einem Kaffee, in Ordnung? Du musst wirklich nach Hause, es ist schon fast 6 Uhr. "

Vollkommen erledigt falle ich in mein Bett. In 20 Minuten klingelt mein Wecker...

HeartracerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt