33.

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Am nächsten Morgen wachen wir in genau dieser Position wieder auf. Liams Arm ist um mich gelegt und presst mich dicht an ihn. Ich schiele auf den Wecker auf dem Nachttisch und stelle fest, dass es noch eine Stunde dauert, bis er klingelt. Ich fühle mich ausgeruht, obwohl wir ja nach dem langen Abend gestern insgesamt eher wenig geschlafen haben.
Gähnend verberge ich mein Gesicht in seiner Halsbeuge und wecke ihn damit unbeabsichtigt auf.

"Hmm, guten Morgen schöne Frau..." seine Stimme ist noch wahnsinnig tief und kratzig am Morgen und bringt mein Herz zum stolpern.
"Guten Morgen, schöner Mann. Gut geschlafen?"
Mit einem leichten Nicken antworten Liam und lächelt.
Er presst seine Lippen sanft auf eine Stirn und eine Weile bleiben wir schweigend liegen.
Wenn ich über alles nachdenke, weiß ich wirklich nicht mehr, wo mir der Kopf steht und irgendwie will ich einfach nicht mehr darüber grübeln, was in Zukunft aus mir und den Männern werden soll.
Ein leises Klopfen an der Tür erlangt meine Aufmerksamkeit.
"Kalista?" Jennys zarte Stimme dringt durch die Tür.
"Guten Morgen Jenny. Komm rein." Dass Liam halbnackt neben mir liegt, darüber denke ich keine Sekunde nach.
Die Tür öffnet sich und Jenny tapst schlaftrunken in mein Zimmer. Als sie Liam erblickt, weiten sich ihre Augen. "Oh sorry, ich wollte euch nicht stören, ich, ehm ..."
Liam und ich müssen uns beide ein Lachen verkneifen und ich rapple mich seufzend auf. "Alles gut, du störst nicht. Sonst hätte ich dich nicht reingelassen. Was gibt's?"
"Ich brauche irgendwas zum anziehen für heute. Kaiden meinte, dass ich mir bestimmt etwas bei dir leihen kann."
Ich nicke und ziehe sie zum Schrank. "Irgendwas werden wir schon für dich finden. Hm. Du bist bisschen kleiner und schlanker als ich..."
Nach einigem Kramen und Wühlen kann ich sie mit einem Shirt und einer kurzen Hose zu Kaiden entlassen.
"Kalista, hat vielleicht dein Bruder irgendwas zum anziehen für mich? Ich vermute mal, dass unsere Klamotten von gestern Abend noch nicht trocken sind."
"Ich frag ihn mal." Schon flitze ich rüber zu Kaidens Zimmer und nachdem die beiden Bewohner mich reingebeten haben, öffne ich die Tür.
Kaiden steht praktischerweise vor seinem Schrank. "Bruderherz, hast du noch irgendwie eine Trainingshose und ein Shirt? Liams Klamotten sind noch nass."
"Liams Klamotten sind nass? UND er ist noch hier?"
Ich zucke mit den Schultern, als ob das überhaupt nichts besonderes wäre. "Ja. Wir sind gestern noch spontan in den Pool gesprungen. Und dann hat er bei mir geschlafen."
"Bei oder mit?" fragt Jenny zwinkernd aus dem Hintergrund.
"Ich weiß zwar nicht so genau, was das Kaiden angeht, aber um euch beide zu beruhigen und die Wahrheit zu sagen, er hat BEI mir geschlafen."
Kaiden brummt irgendwas unverständliches in seinen Schrank, dann wirft er mir Klamotten für Liam zu.
Ich bedanke mich und kehre zurück zu dem Adonis in meinem Bett.
"Und, was hast du ihnen gesagt?" fragt Liam belustigt, als ich ihm direkt erzähle, was uns unterstellt wurde.
"Na die Wahrheit. Was soll ich sie anlügen?"
"Hättest du ihnen gern etwas anderes gesagt?" Plötzlich steht er vor mir, einen Arm um meinen Rücken gelegt, mit der anderen Hand zwingt er mich zu ihm aufzusehen.
"Ich.. ich weiß es nicht. Irgendwie ja und irgendwie nein..."
Er lächelt mich sanft an und ich starre einfach nur verzaubert in diese funkelnden Augen. Dann beugt er sich runter und küsst mich zärtlich, bevor er sich abwendet und sich anzieht. Ebenso suche ich mir Sachen für den heutigen Tag raus. Fertig angezogen und eigentlich startklar, lehne ich mich an Liams starke Brust. Sofort umschlingt er mich mit den Armen und legt seinen Kopf auf meinem ab. 
"Weißt du eigentlich, dass ich noch nie einfach so bei einem Mädchen übernachtet habe?" fragt er leise und ich muss kichern.
"Irgendwie habe ich mir sowas schon gedacht. Hat es dich gestört?"
"Nein. Na gut, vielleicht ein bisschen. Ich hätte dich schon gern..." Liam wird von der sich öffnenden Tür unterbrochen. Genauer gesagt, von Jenny, die uns auffordert, uns zu beeilen, wenn wir auch noch frühstücken wollen. 

Im Auto schaut Kaiden uns forschend an. "Was ist das jetzt mit euch?"
Liam und ich wechseln einen schnellen Blick und zucken dann ratlos mit den Schultern.
Bevor mein Bruder allerdings weiter nachbohren kann, sind wir schon an der vereinbarten Ecke, um Liam rauszulassen und Shane einzuladen. Damit die gestrige Überraschung für mich größer ist, hatte Liam extra etwas weiter weg geparkt, falls ich warum auch immer rausgehen sollte und sein Auto entdecken sollte, bevor er drin wäre.
Schweigend fahren wir bis zur Schule und starten in den nächsten sinnlosen Schultag.

Die Pause verbringe ich mit Bea und Jenny. Oder eher, wir wollen sie zusammen verbringen, bis Stacy auf uns zu stolziert kommt. Ich bemerke, wie Shane, Kaiden und Marc interessiert zu uns herübersehen, da Stacy sich extra von Shane entfernt hat, um zu uns zu kommen.
"Was will die denn jetzt?" flüstert Jenny leise, ohne den Blick von Stacy abzuwenden.
Bea und ich zucken nur ebenso ratlos mit den Schultern.
"Beatrice, kommst du jetzt? Ich denke, wir beide sollten die Pausen gemeinsam verbringen. Mit denen hier hast du doch nichts zu schaffen." diktiert Stacy hochnäsig und mustert interessiert ihre langen Fingernägel.
"Ich würde das gern selbst entscheiden, bei wem ich sitze. Und das ist bei meinen Freunden, tut mir sehr leid für dich. Jetzt da du niemandem mehr zum rumkommandieren hast..." Dass Bea uns als Freunde sieht, macht mich irgendwie glücklich- sah es doch am Anfang irgendwie nicht so aus.
Stacys giftiger Blick fällt auf mich. "Jetzt musst du also schon meine Cousine an dich reißen, ja? Hat dir mein Bruder nicht gereicht ja? Und, wann treibst du Bea in den Tod, hm? Wann krallst du dir Dad? Passend zu seiner Hochzeit? Verführst du dreckiges Biest ihn genauso wie Ethan?" Sprachlos starre ich sie und ich spüre, wie sich ein fetter Kloß in meiner Kehle sammelt. Zu gern würde ich sie packen und schütteln, sie anschreien und anbrüllen. Dass sie wieder zu Verstand kommen soll, dass ich meine alte Stacy wiederhaben will, dass ich immer für sie da sein wollte. Stattdessen schweige ich, während die Tränen langsam aber sicher in meine Augen steigen.
Bea nimmt mich liebevoll in den Arm, während Jenny sich vor Stacy aufbaut. "Hör mal Fräulein." Sie piekst mit ihrem Zeigefinger so doll gegen Stacy, dass diese eine Schritt nach hinten stolpert. "Du solltest ganz schnell hier verschwinden und uns in Ruhe lassen. Kalista wollte damals für dich da sein, du hast sie weggestoßen. Niemand kann etwas dafür, dass der LKW die Verkehrsregeln missachtet hat. Am wenigsten Kali. Und Bea hat mit uns FREUNDE gefunden. Etwas, dass du ja offensichtlich nicht mehr kennst. Wirklich, verzieh dich und lass uns einfach in Ruhe und behalte deine unfairen, abartigen Anschuldigungen für dich."
Stacy will gerade ansetzen, um etwas zu erwidern, als Svea und Anna dazukommen. Sie haken sich links und rechts bei Stacy ein und grinsen uns überheblich an. "Stacy-Schatz, komm mit. Dieses Niveau ist nichts für dich. Lass dir von diesen armseligen Puppen nichts erzählen." Sie werfen ihre Haare über die Schultern und marschieren arschwackelnd davon.
"Was zum?!" Kaidens Stimme reißt mich aus meinen trübseligen Gedanken und lässt mich aus Beas Umarmung aufschrecken. "Was wollte dieses Biest schon wieder?"
"Anscheinend ist es für sie nicht okay, dass ich mir meine Freunde jetzt selbst ausgesucht habe." murmelt Bea leise.
"Und Svea und Anna haben wohl ihre wahre Natur entdeckt." murmelt Jenny traurig. Denn mit dieser Aktion gerade ist die Freundschaft zwischen ihnen nun endgültig zerbrochen. Kaiden nimmt sie fest in den Arm und streicht ihr sanft über den Kopf. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, während ich die Beiden beobachte, bis die Schulklingel uns wieder in den Unterricht zwingt.
Bevor ich meinen Raum betreten kann, zieht Shane mich am Handgelenk zurück und schaut mich streng an.
"Was wollte Stacy von dir? Ihr saht nicht sehr glücklich aus."
"Mädchensachen." antworte ich knapp und ausweichend. Will mich von ihm lösen, doch sein Griff ist unerbittlich.
"Lüg mich nicht an, bitte." Er klingt traurig dabei und ich schaffe es einfach nicht, ihm ins Gesicht zu sehen. "Oder vertraust du mir nicht?"
"Ich ... Du... Natürlich vertraue ich dir." Oder? Ist meine Heimlichtuerei nicht eigentlich ein Zeichen des Misstrauens? "Aber... das hier ist kompliziert und verdammt schwierig."
Bevor Shane etwas sagen kann, rauscht der Lehrer an uns vorbei in den Raum und wirft uns einen strengen Blick zu. Schnell lässt Shane mich los und ich gehe zu meinem Unterricht.
Stacys mörderischer Blick verfolgt mich, bis ich mich auf meinen Platz fallen lasse, doch ich ignoriere sie, so gut es geht.
Am Ende der Stunde hält sie mich auf, indem sie mir, die als letztes den Raum verlassen will, die Tür versperrt.
"Kalista, ich sage es dir nur noch ein einziges Mal. Lass die Finger von Shane. Er gehört mir."
"Sieht er das genauso? Oder weiß er auch von eurer Beziehung?"
"Geht dich nichts an, du hast doch deinen Liam."
"Liam und ich führen keine Beziehung."
Stacy schweigt kurz verblüfft und für den Bruchteil einer Sekunde sieht sie aus, wie meine alte beste Freundin. "Und was ist das dann mit euch?" fragt sie erst leise, dann zunehmend aggressiver.
Ich zucke mit den Schultern. "Keine Ahnung. Das werden wir irgendwann sehen. Aber was geht's dich an?" Vorsichtig scheibe ich sei beiseite und will mich durch die Tür drängen.
"Das ist unfair. Warum fliegen irgendwelche Typen auf dich, du bietest ihnen ja nicht mal Sex an!"
"Bist du etwa eifersüchtig? Weißt du Stacy, vielleicht ist genau das mein Geheimnis. Eben nicht sofort mit jemandem in die Kiste zu springen. Ich erinnere mich dunkel, dass du auch nicht immer.. SO warst." versuche ich ihr zu erklären und zeige auf ihren freizügig gekleideten Körper.
"Pah, eifersüchtig? Doch nicht auf dich!" Schnaufend wendet sie sich ab und verschwindet. Und ich hatte kurzzeitig gedacht, ihre Maske würde bröckeln.

HeartracerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt