48.

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Nachdem ich auch den Mädels gefühlt tausendmal erklärt habe, was passiert ist und wir irgendwie doch einige Klamottenläden unsicher gemacht haben, setzen wir uns in das einzige gute Café in der Shoppingmall. Zwar ist es genau das, in dem Liam arbeitet, aber bislang haben wir ihn nicht entdecken können.
"Was ist jetzt mit euch?" fragt Bea nach einem Update in dieser Sache.
"Na nichts." Seufze ich leise und studiere meine Kaffeetasse. "Er war bei meinen Eltern zuhause und Mum hatte nichts besseres zu tun, als ihm meine Adresse zu geben."
"Klasse Aktion, einfach so wildfremden Leuten zu erzählen, wo die eigen Tochter wohnt." schimpft Jenny, während sie sich einen Keks in den Mund schiebt.
Ich nicke bekräftigend und trinke den letzten Schluck meines Kaffees. "Ich gehe nochmal shcnell auf die Toilette und dann sollten wir los zum Kino, wenn wir nicht die erste Hälfte verpassen wollen."
Nachdem ich an der Kasse vorbei gehumpelt bin und unsere Rechnung beglichen habe, schleppe ich mich den schmalen Flur entlang zu den Toilettenräumen, als mich jemand anrempelt.
"Hey, pass doch auf!" fluche ich leise und versuche, nicht mein Gleichgewicht zu verlieren, nachdem meine Krücke zu Boden gefallen ist. Die andere Person fängt mich auf, bevor ich stürze und greift nach meiner Gehhilfe. Dabei hält er mich weiter fest, als ob ich einfach so aus dem Stand umkippen würde.
Meine Haut kribbelt dort wo er mich berührt und schlagartig fällt mir auf, mit wem ich gerade zusammengestoßen bin. Sein Duft, die großen, kräftigen Hände, die wuscheligen Haare... Seine erschreckend tiefen Augenringe und die aufgerissenen, grünen Augen. Wir starren uns nur an und ich muss schwer schlucken.
"Was ist passiert?" fragt er leise und nur langsam löst er seine Hand von meinem Arm, um auf meinen dicken Fuß zu deuten. Als hätte er Angst, ich würde mich in Luft auflösen, sobald er loslässt.
"Fuß gequetscht. Nicht, dass es dich was angehen würde. Aber wenn es dich so sehr interessiert, geh doch nochmal bei meinen Eltern vorbei. Anscheinend erzählt meine Mum ja wahnsinnig gern mir dir."
"So sollte das nicht... Verdammt Kalista, bitte lauf nicht wieder weg! Ich will mit dir..."
Den Rest höre ich bereits nichts mehr, denn ich bin so schnell ich konnte, zur Toilette gehumpelt und habe die Tür verriegelt. 
Grimmig schlucke ich die Tränen wieder runter, die sich grausam einen Weg nach oben gebahnt haben.
Vorsichtig schaue ich auf den Gang, doch von Liam ist keine Spur zu sehen. Also gehe ich langsam wieder nach vorn.
Bis zu dem Moment, in dem er mich von hinten an der Schulter greift und herumdreht, bevor ich den Verkaufsraum des Cafés wieder betreten kann.
"Bitte Kalista, lass mich auch ein verdammtes Mal zu Wort kommen und einen Satz vernünftig beenden." prüfend schaut er mir in die Augen, doch ich starre ihn nur möglichst ausdruckslos an. Dass ich mich am liebsten in seine Arme schmiegen würde und alles andere vergessen will, ahnt der Mistkerl wahrscheinlich ohnehin. "Ich muss jetzt arbeiten und habe keine Zeit für ein Gespräch, so wie wir es führen sollten. Wie wir es neulich führen wollten, du aber vorzeitig abgehauen bist. Also, wann hast du Zeit?"
"Niemals, Liam. Nie wieder für dich." schluchze ich leise auf, schüttle seine Hand ab und lasse ihn erneut einfach stehen. Unterwegs wische ich mit dem Handrücken schnell die kleinen Tränen weg, die sich in meinen Augen sammeln.
Wortlos bedeute ich meinen beiden Freundinnen, dass wir schleunigst das Café verlassen sollten und so befinden wir uns direkt auf dem Weg ins Kino.
Unterwegs habe ich ihnen kurz angebunden erklärt, was passiert ist. Aber auch, dass ich darüber weder nachdenken, noch großartig reden möchte.
Glücklicherweise verstehen sie mich recht gut und zumindest schafft es die Komödie vorerst, meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken.

Kaiden hat uns wie versprochen abgeholt und nachdem er Bea zu ihrer Wohnung gefahren hat, ist er mit Jenny und mir nach Hause gefahren. Die Beiden haben sicherlich zwanzig Mal gefragt, ob es wirklich okay ist, wenn sie Zeit zu zweit verbringen, statt mit in meine Wohnung zu kommen. Doch ich möchte durchaus meine Ruhe genießen und auch den Beiden nicht noch den restlichen Abend verderben.
Mit Kopfhörern auf den Ohren, die die tiefen Bässe direkt in mein Innerstes zu transportieren scheinen, sitze ich also an meinem Computer und arbeite an diversen Aufträgen weiter. Sonst wird das nie etwas mit meiner eigenen kleinen Firma.
Immer wieder driften meine Gedanken ab, zurück zu Liam. Er sah wirklich fertig aus, mit unseren Augenringen könnten wir locker Partnerlook machen. Was, wenn ich ihm Unrecht tue? Wenn er es wirklich irgendwas sinnvolles zu sagen hat?
Grummelnd schalte ich den PC aus und verkrümle mich in mein Bett, um dort weiter meinen unsinnigen Gedanken um den hübschen Mann mit den grünen Augen nachzuhängen.

Den Sonntag verbringe ich vorrangig alleine vor meinem PC. Nur kurz lasse ich mich ablenken und koche mir ein paar Nudeln, bevor ich mich wieder vor die kleine technische Wunderkiste klemme.
Draußen wird es bereits dunkel, als es bei mir klopft.
Misstrauisch öffne ich die Tür einen kleinen Spalt, doch es ist nur mein Bruder, der davor steht und sich direkt in meine Wohnung drängt.
"Boah, hast du den ganzen Tag am PC gehangen?" fragt er und reißt eines der Fenster auf.
"Als ob du was anderes gemacht hättest, nachdem du Jenny nach Hause gebracht hast."  murre ich und greife nach einer Decke von der Couch, um mich darin einzuwickeln, denn von draußen kommt es ziemlich kalt rein. Aber ich kann nicht leugnen, dass die frische Luft gut tut.
Grinsend zuckt Kaiden mit Schultern und lässt sich in einen der Sessel fallen.
"Was willst du eigentlich? Ich habe nichts mehr zu essen, hab vorhin nur ein paar Nudeln gemacht."
Sein Grinsen verrutscht kurzzeitig, bevor er mir wieder antwortet. "Na ja, dann hat sich erstens ja erledigt. Ich dachte wir bestellen zusammen was oder so."
"Du kannst ruhig mal lernen, zu kochen." entgegne ich genervt und reibe mir die überanstrengten Augen.
"Ja ja. Und dann wollte ich dich fragen, wann wir morgen früh loswollen."
Kurz besprechen wir uns noch, bevor ich ihn mit dem letzten Rest meiner Nudeln rausschmeiße und mich dann in mein kuscheliges Bett begebe. Morgen geht die Schule wieder los und ich sollte aufpassen, dass meine Noten nicht weiter abrutschen, wenn ich Chancen an irgendeiner Uni haben will.

HeartracerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt