51.

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"Ich kann es kaum noch erwarten, bis endlich Wochenende ist. Endlich wieder ausschlafen..." jammert Jenny, während wir es uns bereits in der Cafeteria gemütlich machen. Ein herzhaftes Gähnen unterstreicht ihre Aussage zusätzlich.
"Du glaubst doch wohl nicht, dass Kaiden dich Samstag ausschlafen lassen wird? Der ist ja jetzt schon völlig fertig mit den Nerven. Ich wette mit dir, Samstag ist der spätestens um 6 wach."
"Schön für ihn, ich werde dann noch weiter schlafen."
"Ich glaube nicht." grinse ich noch und wende mich meinem Sandwich zu, während unsere Freunde es sich an unserem Tisch bequem machen.
"Was ist eigentlich mit vorglühen am Samstag?" fragt Marc, während er lässig den Stuhl mit der Lehne zum Tisch dreht und sich dann uns zugewandt daraufsetzt. 
"Ich bin ja dafür, dass wir uns alle bei Kaiden treffen." stimmt Tom zu. Mein Bruder und Shane bekommen das gar nicht mit, so vertieft sind sie in ihr Gespräch. Allein an ihren Mienen kann ich ablesen, dass es um die Party am Wochenende geht. 
"Hm, ich vermute allerdings, dass Kaiden und Shane vor uns im Club sein werden. Die möchten sich bestimmt noch mit den Gegebenheiten dort vertraut machen und so." werfe ich ein.
Nach einigem Hin und Her, an dem sich die beiden Hauptpersonen schließlich auch beteiligen,  beschließen wir, uns bei mir zum essen und trinken zu treffen und dann mit einem Taxi zu fahren. 
Tief in meinem Inneren bin ich mir sicher, wenn heute auch nur irgendjemand an meiner Tür klingelt, wenn ich endlich zuhause bin, raste ich vollkommen aus. So gerne ich meine Freunde um mich habe, habe ich auch gern mal meine Ruhe zuhause. Außerdem kann ich durchaus mal mit dem Staubsauger und dem Putzlappen da durchwirbeln. Nötig wäre es.


Samstag. Nachdem ich die beiden Jungs zum Club gefahren habe, mache ich mich direkt auf den Weg , Bea und Adrian abzuholen. Gemeinsam wollen wir dann noch schnell einkaufen gehen, während Jenny in meiner Wohnung auf uns wartet.

"Oh, hey Kalista!"
"Anna? Was machst du denn hier?" frage ich sie verwundert, während ich Beas kleine Tasche im Kofferraum verstaue.
"Stacys Tante hat sie und uns zum Kaffee eingeladen."
"Oh, das ist also einer der Gründe, warum Bea unbedingt so früh abgeholt werden wollte." Schon oft genug durften wir uns Geschichten von den grässlichen Kaffeekränzchen ihrer Mom von Bea anhören. Definitiv genug, um zu wissen, dass wir die Flucht ergreifen sollten, sobald sie Gelegenheit hat, eine Einladung auszusprechen. Über peinliche Kinderfotos und Auflistungen der Krankheitsfälle aller ihrer Freundinnen bis hin zum Sherry trinken und um tote Haustiere trauern ist alles dabei.
Grinsend nicke ich Anna zu. "Viel Spaß euch dann."
Anscheinend hat sie eine Vorahnung davon, wie fürchterlich der Nachmittag für sie werden könnte, denn sie seufzt nur mit hängendem Kopf und nickt.
"Wenn du heute Abend etwas Aufheiterung gebrauchen kannst... Wir gehen heute in der Stadt feiern. Komm doch auch einfach. Du kennst mehr Leute als nur Svea und Stacy." flüstere ich ihr zu, bevor ich die Fahrertür öffne.
"Was flüstert ihr da, hm? Willst du mir jetzt noch mehr Menschen in meinem Leben wegnehmen, ja?"
Ich muss mir wirklich auf die Zunge beißen, um nicht laut loszuschreien. Eine Begegnung mit Stacy hätte ich heute wirklich nicht gebraucht. Ich weiß, dass Shane oft versucht, mich davon abzulenken, dass Stacy hinter meinem Rücken hämische Kommentare macht und oft schafft er es auch, mich vor ihren mörderischen Blicken zu schützen. Wahrscheinlich kann er sich nicht mal ansatzweise vorstellen, wie sehr er mir damit hilft. Denn Stacy ist nicht die Einzige, die durch diese Veränderung, dass wir uns plötzlich wiedersehen, aus der Bahn geworfen wurde.
"Pff, war ja klar, dass du da nichts mehr zu zu sagen hast. Oder hast du deine Zunge verschluckt, Miststück?"
Ich spüre Beas und Adrians erschrockenen Blick auf mir, während Stacy auf uns zukommt.
"Moment mal. Ist das sein Wagen?" Für einen Moment entgleisen ihr die Gesichtszüge und vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich kann verdammt viel Schmerz in ihren Augen erkennen.
Ich nicke und trete einen Schritt zurück. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren streicht sie bedächtig über die Rundungen des Wagens.
Anscheinend hatte Anna Recht. In meinem Hals bildet sich ein dicker Kloß, während ich meine trauernde, ehemals beste Freundin beobachte.
"Stacy." Ich kann das Zittern in meiner Stimme nicht unterdrücken und heiße Tränen brennen in meinen Augen.
"Was ist, Kalista? Darf ich nicht mal einen Moment um meinen Bruder trauern, den du mir genommen hast?"
"Du weißt ganz genau, dass ich verdammt nochmal nichts dafür kann, dass der LKW Fahrer zu blöd war! Hör auf, alles auf mich zu schieben, Stacy. Es wird dir nicht helfen, deine Wut an mir auszulassen."
"DU weißt doch gar nichts! Du hast alles gehabt, und ich? Ich hatte keinen Bruder mehr, der jeden Scheiß mit mir zusammen gemacht hat, meine beste Freundin wollte nichts mehr mit mir zu tun haben..." kreischt sie erbost und ballt ihre Fäuste, soweit das mit ihren langen Gelnägeln überhaupt geht.
"Du hast mich immer wieder versetzt, wenn wir Mädelsabend machen wollten, Stacy. Glaubst du, Ethan war nicht verletzt, wenn du ihn immer wieder weggestoßen hast? Wir wollten genau sowas verhindern! Du hast uns Zeit, die wir zusammen hätten verbringen können, geraubt! Das war deine Entscheidung." brülle ich zurück.
Mittlerweile, vom Krach angelockt, stehen auch Svea und Beas Mom am Gartenzaun.
"Meinst du, mich hat es nicht verletzt, dass meine beste Freundin nichts mehr mit mir zu tun haben wollte? Dass sie jetzt Lügen über mich erzählt? Dass sie versucht hat, mich umzubringen? Ist dir bewusst, dass ich im Falle einer Kollision mit einem andern Wagen nicht nur mich, sondern auch Unbeteiligte hätte verletzen können?!"
Tränen verschmieren die Schminke in ihrem Gesicht, als sie neben dem kleinen Auto auf den Asphalt sinkt.
Langsam mache ich einige Schritte auf sie zu.
"Ich wäre gern für dich da gewesen, Stacy. Jetzt kann und will ich das nicht mehr. Hier." Im Bruchteil einer Sekunde hat mein Hirn eine Entscheidung gefällt und so drücke ich ihr den Schlüssel vom Mazda in die Hand. "Vielleicht hilft es dir. Fahr ihn, lass ihn stehen, verschrotte ihn. Mach was du willst, aber lass mich da raus. Ich werde Ethan niemals vergessen, aber irgendwann muss man auch mal mit einem Kapitel abschließen." flüstere ich ihr noch zu.
Wütend und traurig zugleich wische ich mir die Tränen aus dem Gesicht, bevor ich mich wieder Bea und Adrian zuwende, die gerade Beas Tasche schon aus dem Kofferraum wieder herausholen.
"Ich hoffe doch, du bist mit dem Auto da?" wende ich mich mit einem sehr schiefen, gezwungenen Grinsen an Adrian.

"Geht's soweit, Kali?"
"Nein. Aber heute trinken und verdrängen wir, heulen kann ich auch noch morgen." schnaufe ich und schütte mir den ersten Shot in den Rachen.
Zweifelnd schauen Bea und Jenny mich an, folgen meinem Beispiel dann aber.
Den Einkauf haben wir vorhin schnell mit Adrians Wagen erledigt und sobald wir zuhause waren, Jenny auf den aktuellen Stand gebracht.
Und während Adrian in der Küche steht und  Pizza vorbereitet, trinken wir Mädels schon mal.  Wer hätte gedacht, dass der Organisator der hiesigen Rennszene irgendwann mal in meinen engsten Freundeskreis gehören würde und für mich kocht?

HeartracerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt