35.

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Mein Handywecker reißt mich aus dem Schlaf und noch mit geschlossenen Augen taste ich nach dem Gerät, um es abzuschalten. Shane, auf dessen Bauch ich liege, brummt  unwillig und rappelt sich vorsichtig auf. Moment, Shane? Ich fahre mir mit der Hand durchs Gesicht und versuche, irgendeinen klaren Gedanken zu fassen.
Offensichtlich sind wir gestern Abend beide eingeschlafen. Da ich zugedeckt bin, hat entweder Shane mich mit der Decke gewärmt, oder -was viel schlimmer wäre- meine Eltern. 
Mit rauen Stimmen murmeln wir uns ein "Guten Morgen" zu. Das Gefühl ist verdammt merkwürdig, aber nicht negativ. Natürlich hilft mir auch das nicht weiter.
"Möchtest du noch Frühstück?"
"Ehm, ja gern." Verlegen streicht Shane mit der Hand durch seine Haare, wovon ich einfach nicht den Blick lassen kann.
"Du starrst." grinst er.
"Hm? Nein nein, das täuscht. Oder so." Ich spüre, wie mir das Blut ins Gesicht schießt und schnell wende ich mich ab. 
Schweigend folgt er mir durch das menschenleere Haus in die Küche.
Hatte ich nach dem Nachmittag mit meinen Eltern gestern noch etwas Hoffnung für unser Eltern-Kind-Verhältnis, so ist diese durch ihr Fernbleiben aus meinem Leben zerstört.
Seufzend öffne ich den Kühlschrank, schaue hinein und schließe ihn wieder. 
"Hast du Bock auf irgendwas bestimmtes?" frage ich Shane, der die Kaffeemaschine bedient.
"Weiß nicht. Wenn du so fragst... Waffeln oder Pancakes oder so."
Nickend drehe ich mich wieder zum Kühlschrank und den anderen Schränken, um alle Zutaten für meine Lieblingspancakes zusammenzusuchen.

Shane schaltet auf seinem Handy eine Playlist ein, nachdem er das Gerät mit dem Bluetooth Lautsprecher verbunden hat.
"Wow, das klingt gut!" lache ich und drehe die Musik lauter. Die Bässe wummern uns aus der Box entgegen während wir irgendwie tanzend versuchen, alle Zutaten ohne große Sauerei in die Rührschüssel zu geben.
Und natürlich passiert, was in jeder verdammten, kitschigen Teenie-Liebesgeschichte passiert. Als ich das Mehl wieder in den Hängeschrank stellen will, rutscht es mir aus der Hand und mit einem dumpfen "Bump" landet die offene Tüte schwungvoll auf dem Tresen. Jeder, der auch nur den Hauch einer Ahnung von Physik hat, kann sich ja vorstellen was passiert. Durch den Aufprall staubt das Mehl in einer großen Wolke heraus und rieselt dann sanft auf uns herunter. Wir schauen uns an, eine Sekunde schaffen wir es noch, uns das Lachen zu verkneifen, doch dann prusten wir ungehalten los.
Shane tippt mit dem Finger auf meine Nasenspitze und befreit sie grinsend vom Mehl, während ich mir unauffällig eine kleine Handvoll Mehl nehme, um es ihm dann ins Gesicht zu pusten.
Er lässt es nicht auf sich sitzen und wirft ebenfalls mit etwas Mehl nach mir. 
Blöderweise müssen wir durch den Staub beide niesen und knallen voll mit unseren Köpfen zusammen.
"Ahhhh! Oh Gott, Kalista, alles okay?"
Als ich nicke, grinst er erleichtert und murmelt noch was von "Dickschädel" , während sich jeder von uns die Stirn reibt.
"Geht's?" frage ich vorsichtig nach, doch Shane nickt sofort und lächelt mich an. 
Vorsichtig klopfen wir uns das Mehl ab. Ohne nachzudenken streiche ich das weiße Zeug von Shanes Rücken, als er sich kurz wegdreht. Ich spüre, wie er sich kurz verkrampft, sich aber sofort wieder entspannt, während ich seinen muskulösen Rücken langfahre. Hoffentlich spürt er nicht, dass meine Hände etwas zittern.
"Danke." murmelt er leise, als ich ihm mitteile, dass seine Rückseite jetzt wieder okay ist. Dann dreht er mich, um mich auch am Rücken vom Mehl zu befreien. Sanft fahren seine großen Hände über meine Schultern und den Rest meines Rückens. Sein Oberkörper berührt mich leicht, als er über meine Arme streicht und ich spüre seinen Atem in meinem Nacken. Lächelnd lehne ich mich gegen ihn, woraufhin er wohlig brummt und seine Arme um mich schlingt. Sein Kinn liegt auf meinem Kopf - ist er wirklich so viel größer als ich? Das ist mir noch nie aufgefallen...
Ein angenehmer Schauer überkommt mich und ein Lächeln festigt sich in meinem Gesicht. So war das alles nicht gedacht, aber gegen diese angenehme Wendung habe ich wirklich nichts. Nicht einmal der kurz aufblitzende Gedanke an Liam vertreibt das leichte Kribbeln in meinem Bauch.
Keiner von uns sagt etwas. Ich wüsste auch nicht, was ich sagen soll, denn jedes Geräusch hätte den Moment zerstört.
Plötzlich löst sich Shane von mir und wendet sich ab. Sofort frage ich mich, ob ich wieder etwas falsch gemacht habe, doch er muss nur erneut niesen. 
"Ehm, willst du kurz duschen? Ich würde dir einfach paar Sachen von Kaiden zum anziehen geben, wenn das für dich okay ist."
"Ja, wäre glaube ich ganz gut."
Ich nicke, greife nach seiner Hand und ziehe ihn hinter mir die Treppe hoch. Auch, als wir Kaidens Zimmer betreten, lässt er meine Hand nicht los. Als wären unsere Finger miteinander verschmolzen.
Erst, als ich die Schranktür öffne und nach einem Shirt greifen will, lösen wir uns voneinander.
Schon stehen wir wieder im Flur, denn auch wenn ich weiß, dass es für Kaiden okay ist, fühlt es sich komisch an, in seinen Klamotten zu wühlen. 
"Na ja, wo das Bad ist weißt du ja. Handtücher sind in dem kleinen Schrank neben der Tür." sage ich, und drücke ihm Kaidens Sachen in die Hand.
"Danke." sagt Shane leise und dreht sich wieder zu mir. Sanft zieht er an meinem Handgelenk, woraufhin ich einen Schritt auf ihn zu mache. Viel Luft ist da nicht mehr zwischen uns. Ach was, kaum ein Blatt Papier passt zwischen unsere Oberkörper. Ich bin mir sicher, er könnte meinen rasenden Herzschlag spüren, wenn er sich darauf konzentriert. 
Doch er schlingt seine Arme um mich und legt seine Lippen zärtlich auf meine Stirn. Die Sachen sind achtlos auf den Boden gefallen. Eine Sekunde verharren wir so, bevor er seinen Mund wieder von mir löst. Ich spüre, wie angespannt er ist und lege meine Arme um seine Taille. Dabei rutscht sein Shirt etwas hoch und meine Arme berühren direkt seine weiche, warme Haut. 
Ein "Hmm", so leise, dass ich es mir auch eingebildet haben könnte, entfleucht ihm.
Lächelnd schließe ich die Augen, lehne mich an ihn und streiche sanft mit meinen Fingerspitzen unter seinem Shirt seinen Rücken entlang. Leichte Gänsehaut folgt der Spur, welche meine Finger ziehen und Shane presst sich etwas dichter an mich. Ich genieße seine Nähe, atme seinen Duft ein wie eine Droge. Als er anfängt, meinen Rücken zu streicheln, kann ich mein seufzen nicht unterdrücken. Er drückt seinen Oberkörper etwas von mir weg und sein Kopf beugt sich ein Stück weiter zu mir runter.
Meine Vernunft, mein Herz und mein Verstand schreien wild durcheinander, ich erhasche nur Fetzen meiner eigenen Gedanken. 
Ihn küssen, ihn wegstoßen. Sein Shirt ausziehen, mich wegdrehen. Ihm sagen, dass er weiter machen soll. Ihn bitten, aufzuhören und auf Abstand zu gehen. Ihm alles erzählen. 
Aber zum Glück macht mein Körper eh, was er will und so schaue ich den jungen Mann aus großen Augen, meine Lippen einen Spalt geöffnet.
Sein Blick huscht unruhig zwischen meinen Augen, meinen Lippen und dem Boden hin und her. Die Spannung zwischen uns ist regelrecht greifbar.
Er legt seine Hand vorsichtig an meine Wange und drückt meinen Kopf etwas nach oben, während sein Gesicht sich weiter senkt. Wir schlucken beide schwer und verharren einen Moment in der Position. 
Ich kann die Wärme seiner Lippen schon auf meinen fühlen, doch er küsst mich nicht. Und ich küsse ihn nicht.
"Ich... gehe dann mal duschen." haucht er leise.
"Ja, mach das." flüstere ich heiser zurück, doch keiner von uns Beiden bewegt sich auch nur einen Millimeter. Stattdessen stehen wir weiter im Flur, aneinander gepresst, die Münder nur Millimeter voneinander entfernt. 
"Kalista..."
"Shane..."
"Das hier ist überhaupt keine gute Idee." seine leise Stimme klingt rau, ganz anders als sonst.
"Ja, das stimmt."
Und dann berühren sich unsere Lippen plötzlich.




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Hihi, da ist aber jemand unentschlossen. Arme Kalista.



Leute, wir sind bei über 500 Reads! Oo 
Krass. Danke <3


Ich glaube, wir nähern uns einem Ende. :(
Ein Ende, über welches ich mir noch nicht sicher bin.
Leider redet ihr ja nicht mit mir, wer euch besser gefällt. Liam oder Shane? Ich mag beide Charaktere mittlerweile wahnsinnig gern und möchte nicht an Kalista Stelle sein und mich entscheiden müssen XD (Obwohl, irgendwie bin ich ja an ihrer Stelle. Ahhhhhh !)
( Ich könnte auch zwei verschiedene Enden schreiben XD)

HeartracerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt