41.

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Irgendwann wird es mir einfach zu viel. Alle gehen mit mir um, als wäre ich ein rohes Ei - schon den ganzen Tag
"Verdammt nochmal. Es ist nichts weiter passiert, mir geht's gut. Können wir jetzt bitte unser Leben weiter leben? Bevor Adrian nicht alles Material hat, können wir eh nichts tun." raste ich schließlich aus, als Kaiden mich überaus vorsichtig fragt, ob ich noch irgendwas brauchen würde, da er mit Bea und Jenny kurz  einkaufen gehen würde. 
Schockiert schauen mich alle an, bis Kaiden schließlich lächelt. "Okay, ich glaube, ihr geht's wirklich gut. Trotzdem, brauchst du noch was?" 
"Nein danke." grummle ich.
Liam und ich hängen weiter vor meinem Computer und sichten die ersten Videos und Bilder, die Adrian bereits an mich weitergeleitet hat.
"Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr." maule ich und schmiege mich an den muskulösen Körper neben mir.
Lächelnd streichelt Liam über meinen Kopf und drückt seine Lippen vorsichtig auf meine Stirn.
"Was willst du denn machen?"
"Keine Ahnung. Auf jeden Fall nicht mehr auf den Bildschirm starren." maule ich und muss herzhaft gähnen.
"Okay Fräulein, ab ins Bett mit dir. Morgen gehst du schließlich noch für die Hochzeit mit deinen Mädels shoppen. Und tatsächlich muss ich morgen früh auch arbeiten, also wäre es für mich besser, die Nacht zuhause zu verbringen. Auch, wenn ich deutlich lieber bei dir wäre." Grinst er zum Schluss und drückt mir einen kurzen, gefühlvollen Kuss auf die Lippen.
Traurig blicke ich ihm hinterher, als sein Wagen aus unserer Auffahrt rollt und schließlich aus meinem Sichtfeld verschwindet.
Kaiden und die beiden Mädels sind auch schon wieder zurück und gemeinsam bereiten wir ein leichtes Abendessen zu, bevor ich tatsächlich in mein Bett verschwinde.
Bea verbringt die Nacht auf meiner Couch, während Jenny natürlich bei Kaiden schläft.

Mal wieder etwas mehr als fünf Stunden zu schlafen hat mir definitiv gut getan und bis auf den dicken roten Striemen an meinem Oberkörper erinnert zumindest körperlich nichts mehr an den Unfall.

Nach einem ausgiebigen Frühstück machen wir Mädels uns auf den Weg ins Einkaufszentrum, Kaiden wollte gern zuhause bleiben. Ich denke, dass er an seinen Songs weiterarbeiten wird, was mich auf eine verrückte Idee bringt.
"Mädels, ich würde gern einen kleinen Umweg fahren, okay?" kündige ich an, als wir uns in meinen Audi fallen lassen und losfahren.
Wenig später betreten wir die Bar, die ich noch von meinem Date mit Liam kenne. Zu meinem Glück steht tatsächlich Mila am Tresen und poliert Gläser, denn um diese Uhrzeit ist hier noch nichts los.
"Hallo Mila." grinse ich sie fröhlich an.
"Hey Kalista!"
"Du erinnerst dich an meinen Namen?"
"Na Klar. Außerdem redet Liam ständig von dir."
"Oh!" Ich merke wie ich rot werde und senke den Blick, während Mila sich Jenny und Bea vorstellt.
"Sage mal, wer ist bei euch für die DJs zuständig die hier spielen?"
"Theoretisch natürlich Richard, also der Chef. Aber er vertraut uns da ziemlich, also wenn ich ihm sage DJ XY ist der krasse Scheiss, dann bucht er den. Wieso?"
"Also... Ich wüsste da jemanden, der hier ganz gut reinpassen würde..."
Einige alkoholfreie Drinks später verlassen Jenny, Bea und ich die Bar, nachdem ich Mila einige von Kaidens Songs gezeigt und ihr seine Nummer dagelassen habe.

Shopping ist deutlich anstrengender, als man denkt und bereits am frühen Nachmittag fahre ich die beiden Mädels nach Hause, bevor ich mich ebenfalls auf den Weg mache.
"Kalistaaaa!" brüllt Kaiden aus seinem Zimmer, kaum, dass ich meine schweren Tüten abgestellt habe. Erschöpft wanke ich in sein Zimmer und erschrecke kurzzeitig, denn Shane sitzt auch da. Zum Glück habe ich einen Pulli an, sodass er meine Verletzung nicht sehen kann. Auch wenn es schon nicht mehr viel zu sehen gibt. Das Risiko, seine Neugier zu wecken möchte ich gern vermeiden.
"Was gibt's denn? Hey Shane." nicke ich ihm kurz zu, während ich mich an meinen aufgeregten Bruder wende.
"Du wirst es nicht glauben!"
Fragend ziehe ich eine Augenbraue hoch. Insgeheim ahne ich jedoch etwas.
"Ein kleiner Club aus der Innenstadt hat meine Musik entdeckt und mich angefragt. Verdammt, ich habe in zwei Wochen meinen ersten Auftritt!"
"Das ist ja Wahnsinn! Oh Gott ich freue mich so für dich!" Arm in Arm hüpfen wir durch den Raum und in Gedanken danke ich Mila schon tausendmal.
Eine Weile bleibe ich bei den Jungs sitzen und quatsche mit den Beiden über alles Mögliche, bevor ich mich entscheide, endlich ins Bett zu gehen. 
Morgen ist schließlich die Hochzeit von Ethans Dad. Dass ich dann gezwungenermaßen den Tag mit Stacy verbringen werde, versuche ich zu ignorieren und konzentriere mich darauf, dass Liam  als meine Begleitung dabei sein wird.

Bea kommt leider nicht vorbei, sodass wir uns gemeinsam fertig machen könnten, da sie Meredith - also der neuen Frau von Ethans Dad - beim fertigmachen helfen wird. So verbringe ich den Morgen mit Jenny und unserer Haushälterin Maria, die aus ihrem Urlaub zurückgekommen ist und mir jetzt die Haare zu einem wahnsinnig schönen Zopf flechtet.
Auf die Minute pünktlich klingelt Liam an unserer Tür und als ich ihn sehe, rastet mein Herz komplett aus. Ja, ich habe ohnehin eine Schwäche für Männer in Anzügen, aber Liam schlägt einfach alles, obwohl er nicht mal einen richtigen kompletten Anzug trägt. Das weiße Hemd spannt leicht über seiner trainierten Brust und wird durch die perfekt gebundene Krawatte noch betont. Dazu trägt er eine schwarze Jeans und Turnschuhe, die verdächtig neue aussehen. Das Sakko nimmt er von der Rückbank seines Wagens, da wir beschlossen haben mit dem Taxi zu fahren, um auch beide vielleicht etwas trinken zu können. Wahrscheinlich werde ich das brauchen. 
"Warte." lächelt er kurz, nachdem wir das Taxi verlassen haben und auf das große Grundstück zusteuern wollen. 
"Hm?" fragend drehe ich mich zu ihm um, doch er sagt nichts, sondern holt aus seinem kleinen Rucksack - in dem eigentlich Wechselschuhe für mich und eine Jacke sind- eine wunderschöne, kleine rote Ranunkel hervor und steckt sie mit in meinen geflochtenen Zopf.
Staunend betrachte ich die kleine Blüte, bevor ich Liam zärtlich küsse. Bislang hat er mir zu wirklich jedem Treffen eine Ranunkel mitgebracht, doch ich weigere mich beharrlich, zu googlen, was er mir damit sagen will. Da seine Mutter Floristin ist, gehe ich davon aus, das er nicht irgendeine Blume gewählt hat.
Hand in Hand betreten wir den feierlich geschmückten Garten. Liam spürt, dass ich immer mehr verkrampfe, je weiter wir das Grundstück betreten und zieht mich etwas beiseite. Wortlos schlingt er seine Arme um mich. Das einzige, was ich noch wahrnehme, ist sein Herzschlag, seine Brust die sich regelmäßig hebt und senkt, die unfassbare Wärme die von ihm ausgeht und seinen betörenden Duft. In seinen Armen fühle ich mich so sicher wie in einem kleinen Bunker, geschützt vor der fiesen Welt draußen, vor all den blöden Gedanken die mir das Leben schwer machen. Und irgendwie manifestiert sich der Gedanke in meinem Kopf, dass ich mich ganz schön verliebt haben könnte. Ich atme tief durch und drücke ihm hauchzart meine Lippen auf die Wange. Nicht, dass er nachher noch einen roten Knutschmund dort hat. 
"Geht's wieder?"
Ich nicke und lächle ihn an.
Er drückt meine Hand etwas fester und wir begeben uns endlich zu der Feier.
Daniels Schwester umarmt mich so fest, das ich beinahe Angst habe, dass sie mir ein paar Rippen brechen könnte. Verübeln kann ich es ihr nicht, seit Ethans Beerdigung haben wir uns nicht mehr gesehen.
Die Erinnerungen an ihn sind für mich gerade hier allgegenwärtig, doch etwas ist anders. Eine gewisse Wehmut packt mich, aber es ist nicht mehr die tiefe Verzweiflung, die ich sonst gespürt habe.

Shane und Stacy tauchen nur wenige Minuten vor Beginn der Trauung auf, als bereits alle sitzen und auf das Brautpaar warten. Der durchgeplante große Auftritt, wenn man möglichst viel Aufmerksamkeit abbekommen will. Ich muss schwer schlucken, als ich das perfekt aufeinander abgestimmte Outfit der beiden sehe. Unwillkürlich denke ich an den Abend auf der Party meiner Eltern zurück, als wir zusammen getanzt haben. Trotz des merkwürdigen Endes damals war es ein schöner Abend.
Meine Gedanken werden von der beginnenden Musik unterbrochen und ich richte meine Aufmerksamkeit auf das näherkommende Brautpaar.






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