16.

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Der Abend mit Jenny im Kino war lustig. Wir hatten beschlossen, uns einen Horrorfilm reinzuziehen. Doch da wir nur zu zweit im ganzen Kinosaal waren und überhaupt ziemlich in Gackerlaune waren, empfanden wir den Film eher als Komödie- oder zumindest haben wir mit unseren wirklich dummen Kommentaren eine daraus gemacht. Ich bin mir sicher, wäre noch jemand mit im Saal gewesen, derjenige hätte den Film Wahrheit werden lassen wollen- mit uns in den Hauptrollen.
Leise seufzend fiel mir auf, dass ich schon seeeehr lange keinen Mädelsabend mehr hatte.  So richtig mit Filme gucken, quatschen, schminken, Unmengen Schokolade futtern...
Jenny schubst mir ihren Ellbogen in die Seite. "Was los, biste jetzt sentimental?"
Lachend schüttle ich den Kopf und einige Haarsträhnen bleiben mir wie immer im Gesicht hängen. Ich puste sie weg und schaue in Jennys freundliches Gesicht. "Quatsch. Ich hatte nur richtig ewig keinen Mädelsabend mehr... Drei Jahre bestimmt." Früher haben Stacy und ich oft unsere Freitagabende zusammen verbracht. Bis sie beschloss, eifersüchtig zu werden, weil das mit Ethan und mir wirklich ernst war und nicht schon nach zwei Wochen wieder vorbei. Für diese Erkenntnis hatte sie aber auch immerhin 2 Jahre gebraucht. Jedenfalls ging es ihr gegen den Strich, dass ihr Bruder seine Zeit lieber mit mir verbrachte  und ich sein Anker war, als ihre Mum die Krebsdiagnose bekam. Ich wollte für beide da sein- die Liebe meines Lebens und meine beste Freundin. Aber ich musste feststellen, dass ich gar keine beste Freundin mehr hatte...
Jennys Gelächter reißt mich aus meinen Gedanken. "Dann wird es ja mal wieder Zeit! Was ist mit nächstes Wochenende?"
"Da bin ich nicht da. Ich besuche einen alten Freund." Freund- eher sowas wie meinen Ziehvater.
"Na dann danach das Wochenende. Die anderen beiden Püppis kriegen wir schon überredet." Freudig klatschen wir beieinander ein und schlendern zu meinem Auto. 
Die Uhr im Radio zeigt erst 22 Uhr an. "Was machen wir denn jetzt noch?" fragen wir uns nahezu gleichzeitig und fangen wieder an zu lachen. Klar, so lustig ist das gar nicht, aber wir sind eben gerade einfach albern. "Lass uns noch was essen. Ich hab' Mordshunger."
Kurzentschlossen fahre ich uns zu der Pizzeria in der ich letztens erst mit meinem Bruder und den Jungs war.

"Wir dürfen doch oder, die Damen?" grinst uns ein blonder Sunnyboy an. Bevor wir etwas erwidern können, lassen er und seine drei Kumpels sich an unserem Tisch auf die Stühle fallen.
Jenny und ich tauschen einen belustigten Blick und lächeln die jungen Männer freundlich an.
"Also, was machen zwei so hübsche junge Damen allein hier?"
"Uhmmm... Essen?" antworte ich trocken. Diese unverblümte, plumpe Anmache gefällt mir nicht. Jenny greift diskret nach ihrem Drink, doch ich sehe ihr an, dass sie sich ein Lachen verkneifen muss. Ein Hauch von Verwirrung überzieht kurzzeitig das Gesicht des Blonden, der uns angesprochen hat. Einer seiner Kumpels erkennt die missliche Lage und räuspert sich.
"Hi, ich bin Liam." Ich mustere den jungen Mann aufmerksam, als er mir seine Hand hinstreckt.
Seine grünen Augen funkeln mich durch seine braunen Haare, die ihm lockig ins Gesicht fallen, an. Als ich seine Hand ergreife lächelt er mich unverschämt sexy an und leichte Grübchen bilden sich an seinen Wangen. "Hi, ich bin Kalista." Jenny mustert ihn schweigend, bevor sie ihm zunickt. "Jenny."

Liam unterhält mich ganz ausgezeichnet, so bekomme ich es fast gar nicht mit, dass zwei seiner Kumpels sich schon verabschieden. Bleiben nur noch Jenny, Liam und Isaac- ein Medizinstudent, der offensichtlich auf die Kellnerin steht- und ich natürlich. 
Eben jene Kellnerin, die uns nun freundlich bittet, zu gehen. Der Laden würde jetzt schließen.
Entsetzt starren Jenny und ich uns an. "Shit! Schon so spät... Wir haben doch morgen Schule!"
"Das sind die Vorteile des Studentenlebens..." zwinkert Liam mir zu. Isaac ist offenbar in der Pizzeria geblieben, anscheinend hat auch die niedliche Kellnerin Gefallen an ihm gefunden. Wundert mich nicht, er sieht aus wie ein Model aus einem Hochglanzmagazin- und hat sehr unmissverständlich ausgedrückt, dass er nur an kurzweiligen Abenteuern interessiert ist. Bei Liam hingegen weiß ich es einfach nicht. Er flirtet ganz unverhohlen - aber nur mit mir. Er unterhält sich zwar auch gut mit Jenny, die ja nun auch wirklich umwerfend aussieht, aber mehr Interesse scheint er an ihr nicht zu haben. Sie interessiert sich ja ohnehin mehr für meinen Bruder, meine ich herausgehört zu haben.

Gerade will ich mein Handy aus der Tasche fummeln, um nach er Uhrzeit zu schauen- denn mal im Ernst, wer hat denn noch eine Armbanduhr?- als eben dieses zu klingeln beginnt. Kaiden. Offensichtlich ist das nicht sein erster Versuch mich anzurufen, denn auf dem Display blinken 7 verpasste Anrufe und er klingt gar nicht begeistert.
"Wo steckst du? Verdammt, hast du mal auf die Uhr geschaut?"
"Offensichtlich habe ich das nicht. Ich komm ja gleich nach Hause. Jenny und ich waren noch Pizza essen und haben die Zeit vergessen. "
"Du vergisst mich dabei vollkommen, Sweety." fällt Liam mit ins Gespräch ein und lacht. Ich kann nur genervt mit den Augen rollen, denn sicherlich wird es meinem Bruder nicht gefallen, wenn ich mit Männern unterwegs bin, die er nicht kennt.
"Wer ist da bei dir?" Volltreffer.
"Son Typ, den haben wir hier getroffen." Was Kaiden nicht sieht, ist, dass ich Liam keck die Zunge rausstrecke. Rache dafür, dass er sich einfach in meine Telefonate einmischt. 
"Aha. Es wäre mir echt lieb, wenn du langsam heimwärts starten würdest. Ohne irgendwelche Typen, die du aufgabelst."
"Woah, chill mal Kaiden. Wir haben uns einfach nur gut unterhalten, ich bin nicht mit ihm gleich um die nächste Ecke gehuscht und ich habe es auch nicht vor. Was ist los, sonst interessiert es dich auch kaum...?"
"Komm jetzt einfach nach Hause."
Nur noch ein Piepen in der Leitung.  Ratlos starre ich mein Handy an, als sich Liams Arme von hinten um mich legen. "Sicher, dass du nicht noch mit um die Ecke kommen willst, hm?" raunt er in mein Ohr und ein Gänsehautschauer auf meiner Haut folgt seiner Stimme. Liams leises Lachen bringt mich zum schmunzeln und spielerisch haue ich meinen Ellbogen in seine Rippen.
"Nicht frech werden hier, Herr Student."
 Ich wende mich wieder Jenny zu, die schon wieder an ihrem Handy hängt.
"Kaiden schreibt, ich soll dich dran erinnern, endlich nach Hause zu fahren."
Verblüfft schaue ich sie an. " Kaiden hat deine Nummer?" Prompt wird sie rot und ein leises Awwww entfleucht meinem Mund.

"Ich fahre dich noch schnell nach Hause, Jenny. Steig ein." Jenny begibt sich schonmal zu meinem Wagen, der einsam auf dem schlecht beleuchteten Parkplatz steht und ich wende mich Liam wieder zu. "Und du, wie kommst du nach Hause? Soll ich dich vielleicht auch mitnehmen?"
Seine grünen Augen bohren sich regelrecht in meine und für einen Moment versinke ich in seinem Blick. Seine Lippen verziehen sich zu einem entzückenden Lächeln und jetzt fallen mir seine Grübchen so richtig auf.
"Ich laufe. Ist nicht weit von hier, das passt schon. Zwanzig Minuten vielleicht. Aber ich werde die sicherlich besser überstehen, wenn ich noch deine Handynummer bekomme. Ich würde dich gern wiedersehen, Kalista."
"Warum wusste ich nur, dass du noch nach meiner Nummer fragen würdest?" Mit einer Geste fordere ich ihn auf, mir sein Handy zu reichen und tippe meine Nummer ein. In der gleichen Zeit hat er sich meines geschnappt und seine Nummer eingespeichert.
"Super heißer Typ, der sicherlich noch einen Abschiedskuss bekommt? Ich bin mir nicht sicher, ob ich so jemanden kenne." Grinse ich ihn an und lege gespielt nachdenklich einen Finger an mein Kinn, lache innerlich über seine Idee, sich so in mein Telefon einzuspeichern. Freundschaftlich nehme ich ihn in den Arm, sofort schließen sich seine Arme um meinen Oberkörper. Ich spüre mein Herz rasen und intuitiv stelle ich mich auf die Zehenspitzen und presse meine Lippen auf seine Wange. Spüre die leichten Bartstoppeln, die man eigentlich kaum sieht. Ich lasse mich wieder auf meine Füße fallen und löse unsere Umarmung. "Wir sehen uns, super heißer Typ, der noch einen Abschiedskuss bekommen hat." Damit drehe ich mich um und will gehen, doch weit komme ich nicht, da er meine Hand festhält und mich zurückzieht.
Lächelnd beugt sich Liam zu mir runter. "Ich hoffe doch sehr. Schreib mir, wenn du gut zuhause angekommen bist, okay?" Schon spüre ich seine Lippen auf meiner Wange, eher schon an meinem Mundwinkel. Mein ganzer Körper kribbelt. Als ich nicke lässt er meine Hand los und gibt mir einen leichten Schubs. "Los, deine Freundin wartet schon ganz sehnsüchtig."
"Klar, am liebsten darauf, dass ich sie mit zu mir nehme und sie bei meinem dämlichen Bruder abstelle. Komm gut nach Hause, Liam." Endlich lasse ich mich auf den Fahrersitz fallen und starte den Motor.

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^ optisches Vorbild für Liam ^  ( Jonathan Bellini. Bild von Google )

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