28.

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Liam und ich stellen den Wagen etwas entfernt vom großen Geschehen ab. Unser Eintreffen bemerkt fast niemand, denn gerade beginnt Adrian die kleine Andacht für Ethan.
Alles in mir verkrampft sich, als er von ihm erzählt und vermutlich zerquetsche ich gerade Liams Hand. Ohne dass ich es wirklich mitbekomme, zieht er mich etwas abseits.
"Sweetie, alles okay?"
Meine Lippen schmerzhaft zusammengepresst nicke ich, doch schüttle direkt danach den Kopf. Wortlos nimmt er mich fest in den Arm und alles was ich noch höre, ist sein ruhiger Herzschlag. 
Er drückt mich ein Stück weg und hält mich an den Schultern fest. "Reden ja oder nein?"
Schwer atmend lasse ich meinen Kopf nach vorn an seine Brust fallen. Dann ziehe ich ihn hinter mir her zu einem umgefallenen Baumstamm und lasse mich rittlings darauf fallen. Liam tut es mir nach und schaut mich erwartungsvoll an.
"Dieser Ethan, von dem da erzählt wurde... Das war mein Exfreund. Wir wollten uns sogar verloben. Kurz bevor wir es bekannt geben wollten, hatte er einen Unfall. Ein LKW hat ihm die Vorfahrt genommen. Ethan war sofort tot. Dieses Mädchen, was da neben dem Sprecher stand. Sie ist seine Schwester. Wir waren mal beste Freunde, aber nachdem ich was mit ihrem Bruder angefangen habe, hat sie sich abgewandt. Und nun gibt sie mir die Schuld an seinem Unfall, da er auf dem Weg zu mir war." Ich rattere diese Kurzform der Geschichte einfach nur schnell runter, denn es schmerzt jedes Mal aufs Neue, auch nur daran zu denken.
Erneut schließt Liam seine starken Arme um mich und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.
"Und lass mich raten, sie wird nicht zögern, dein kleines Geheimnis um deine Rennkarriere auszuposaunen."
"Das vermute ich. Aber ich hoffe einfach, dass ihr niemand glauben wird. Sie ist nicht sonderlich beliebt in der Szene."
"Dann mach dir keinen Kopf. Und ansonsten rate ich dir, das ganze aufzulösen, bevor sie es tut."
"Das sagt sich so leicht."
"Sweetie, es ist leicht. Du hast einfach nur Schiss wegen deinem Typen."
Blöderweise hat er vollkommen recht und ein Grinsen schleicht sich auf meine Lippen.
"Du bist doof. Außerdem ist er nicht mein Typ." schmolle ich.
 Seine Finger pieken in meine Seite und ich quietsche leise auf.
"Aber weißt du, wenn das so ist, dass er nicht dein Typ ist, dann kann es dir doch egal sein. Und ansonsten kenn ich ein ganz wunderbares Mittel zur Ablenkung."
"Hmmm, erzähl mir mehr...?" raune ich leise und komme ihm entgegen, denn er hat sich schon weiter zu mir vorgebeugt.
Seine Hände liegen auf meinen Hüften und seine Finger stehlen sich unter mein Shirt. Die Berührung auf meiner nackten Haut verursacht einen angenehmen Schauer, der durch seine weichen Lippen auf meinen noch verstärkt wird.

Bislang habe ich es gut geschafft, mich sowohl vor Shane, als auch vor Stacy zu verstecken. Und Liams Gesellschaft lenkt mich ganz wunderbar von den ganzen negativen Gedanken in meinem Kopf ab.
"Du bist also Liam? Freut mich, dich kennenzulernen. Ich bin Bea." Während Bea ihm augenzwinkernd erklärt, dass sie ja schon viel von ihm gehört hätte, wechselt mein Startgeld unauffällig in Adrians Hände.
Schon wenig später begebe ich mich zu meinem Wagen. Soweit ich es mitbekommen habe, hat mich niemand gesehen- sehr gut.


Sobald meine Finger das Lenkrad berühren, fällt alle Anspannung von mir ab und nur das Adrenalin rauscht durch meinen Körper. Ich bin nur auf das Rennen fokussiert- um mich herum könnte die Welt untergehen, ich würde es nicht bemerken. Vielleicht ist es eine Art Meditation für mich, wie für andere Yoga oder so.
Zärtlich, als berühre ich einen Geliebten, streiche ich über das Lenkrad, bevor ich den Schlüssel drehe und das Röhren des Motors an meine Ohren dringt.
Ich glaube, dies ist einer der Momente, in denen ich einfach kurz glücklich bin. Nur mein Auto und ich, die Welt ausgesperrt. Doch je näher ich dem Start komme, desto angespannter werde ich. Sollte Stacy noch da sein, wird sie mich -oder eher meinen Wagen- wahrscheinlich sofort erkennen. Weiß der Himmel, was sie dann tut. Aber sie wird mich wohl kaum aus dem Auto zerren und bloßstellen- hoffe ich.
An der Startlinie zeigt sich mir aber ein Bild, welches ich wirklich nicht erwartet habe. Stacy lehnt mit tiefem Ausblick in ihr Dekolletee in dem mir wohl bekannten weißen BMW.
Gleichzeitig wird mir heiß und kalt, es fühlt sich an, als würde mir jemand ein heißes Messer in den Bauch rammen, als ich sehe, wie Shane mit ihr flirtet. Ich schlucke den Kloß in meinem Hals runter und starre stur geradeaus. Die Knöchel meiner Hände stehen weiß hervor, so fest umschlinge ich das Lenkrad. Immerhin bemerkt sie mich so nicht wirklich, rede ich mir verbissen ein. Sie tritt von Shanes Wagen zurück, lässt den Blick jedoch nicht von ihm, während sie sich in die Zuschauermenge zurückzieht. Shanes Blick jedoch folgt ihr jedoch nicht, sondern trifft mich- die ich vollkommen unvorbereitet in seinen Wagen gestarrt habe. Eine Sekunde lang weiten sich meine Augen vor Schreck.- dann fällt mir jedoch ein, dass meine Scheiben so stark getönt sind, dass er nur seine Spiegelung wahrgenommen haben kann, außerdem habe ich wie immer meine Maske auf. Mich selbst belächelnd schüttle ich den Kopf und spiele mit dem Gaspedal. Der Wagen vibriert sanft und ein zufriedenes Seufzen kommt über meine Lippen. Mein Blick macht Liam in der Zuschauermenge ausfindig, er steht bei Bea und Adrian und scheint sich blendend mit ihnen zu verstehen.
Eine leicht bekleidete Dame hebt die Startflagge, die Menge hinter ihr teilt sich und gibt den Blick auf die Strecke frei. Während sich die Flagge senkt, nehme ich im Augenwinkel wahr, wie Stacy noch einen Luftkuss in Shane Richtung pustet. Verbissen presse ich die Lippen aufeinander und lege einen actionfilmreifen Start hin. Durch den aufgewirbelten Dreck und den Qualm der durchdrehenden Reifen können die Zuschauer hinter mir vermutlich nicht mehr viel sehen, aber ich muss einfach zusehen, dass ich gerade so schnell wie möglich hier weg komme.

Schnell habe ich mich durch die vier vorausfahrenden Wagen an die Spitze gedrängelt- mein aggressiver Fahrstil überrascht mich selbst. Der Waldrand fliegt an mir vorbei und ich kann nur beten, dass hier keine Wildtiere auf die Fahrbahn springen.
Im Rückspiegel sehe ich Shane, wie er sich mir wieder nähert, doch schon bin ich um die nächste Kurve geflogen und sehe nur noch die Ziellinie, die sich mir nähert. Wenige Sekunden später überfahre ich eben diese und stelle betrübt fest, dass das Rennen schon wieder vorbei ist. Es fühlte sich an wie nur ein einziger Herzschlag, doch die Uhr zeigt an, dass immerhin 15 Minuten vergangen sind.
Wie in Trance steige ich aus und nehme mein Siegerprämie in Empfang. Die Party startet langsam wieder und die Leute kümmern sich nicht großartig weiter um mich. Ich tippe schnell eine Nachricht an Liam, dass ich gleich wiederkomme und fahre den Wagen vorsichtig von der Menschenmenge weg.
Kurze Zeit später lehne ich an dem Baumstamm, auf dem ich vorhin mit Liam saß und fahre mir mit den Händen angestrengt durchs Gesicht.
"Wen haben wir denn da? Dass du dich traust hier aufzukreuzen, hätte ich irgendwie nicht erwartet." Ihre Stimme trieft vor Spott und ihr abschätziger Blick weckt durchaus Mordgelüste in mir.
"Was willst du, Stacy?" frage ich nur kurz angebunden.
"Och, nichts weiter. Nur mal schauen, wie es dir geht, nach allem was du getan hast..."
"Oh, wie du siehst, geht es mir absolut blendend. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest?" Unsanft dränge ich mich an ihr vorbei und lasse sie einfach stehen. Mein Weg führt mich zur Bar, doch auf dem Weg dahin laufe ich natürlich Shane in die Arme. Wortwörtlich. Reflexartig umarmen wir uns kurz und wie ein Schwamm sauge ich seine Nähe in mir auf. Bis mir wieder einfällt, was er letztens zu mir gesagt hat. Schnell löse ich mich von ihm und gratuliere ihm noch kurz zu dem guten zweiten Platz und will meinen Weg fortsetzen, doch Shane hält mich am Handgelenk fest und zieht mich sanft zurück.
"Kalista... Können wir reden? Bitte, ich..." Doch ich sehe, wie Stacy sich nähert, außerdem ist mir gerade wirklich nicht nach einem Gespräch mit ihm zumute.
"Ich denke nicht, Shane. Ich wüsste nicht, was du mir jetzt zu sagen hast, was irgendwas ändern würde. Außerdem ist das hier ganz sicher nicht der richtige Ort dafür. Und, " mein Blick wandert zu Stacy, die mich mit ihren Blicken ermorden möchte, während sie auf uns zusteuert,  "jedenfalls kommt da jemand, der sicherlich gern was auch immer von dir möchte." Sein Blick wirkt ernsthaft getroffen, als ich mich von ihm löse und an die Bar trete. Mit zwei Flaschen Bier in der Hand, gehe ich zu Liam, der sofort seinen Arm um meine Hüfte legt, während wir mit Bea und ihrem Freund anstoßen.

HeartracerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt