Heartracer

8.

Ich kann es kaum fassen, endlich ist Freitag. Unsere Eltern werden mittags zuhause ankommen und das Haus mit Maria, dem Cateringunternehmen und einigen Angestellten vorbereiten. Wir haben die ganze Woche nichts voneinander gehört, außer ein paar Emails. Aber warum sollte man auch sinnlos hin und her telefonieren, wenn es nichts zu erzählen gibt? Es gibt  tatsächlich einige Dinge, die ich unseren Eltern nicht erzähle. Es hat auch sehr lange gedauert, bis ich ihnen von Ethan erzählt habe.

"Okay Mädels, ihr kommt dann einfach so 17 Uhr zu mir? Dann haben wir zwei Stunden um uns fertig zu machen."
Gemeinsam kichern wir uns ganz girlie-like durch unsere Verabschiedung.
"Kaiden, können wir los?" Ich habe wirklich keine Lust, noch bei den Jungs zu stehen. Sie verabschieden sich noch mit krassen Ghettofaust moves und augenzwinkern in meine Richtung, doch da sitze ich schon in meinem weißen Audi und starte den Motor.
"Bin ja schon da." Brummelt Kaiden als er einsteigt. Gerade will ich losfahren, als die hintere Tür aufgeht und Shane sich auf den Sitz hinter Kaiden fallen lässt. "Nett das ihr mich mitnehmt, Danke."
Ich werfe Kaiden einen vernichtenden Blick zu. Der zuckt mit den Schultern. "Erwachsen genug und so. " grinst er. Empört schnaube ich und schalte das Radio an. Kaiden stöhnt genervt und schaltet weiter. "Das klingt alles gleich in deiner Playlist!"
"Quatsch. Das hier ist Hardstyle, das davor war House. Denn Unterschied sollte jemand wie du durchaus hören."
Das Shane meine Playlist ziemlich gut findet und sich auf meinem Rücksitz äußerst rhythmisch bewegt, versuche ich zu ignorieren.

Zuhause angekommen, fallen wir in die Arme unserer Eltern. Trotz allem Stress und der Aufregung ist Zeit, dass wir uns etwas zusammensetzen und etwas trinken.

Punkt 17 Uhr klingeln meine Mädels und der gackernde Haufen verkrümelt sich in mein Zimmer. Für solche Momente liebe ich es, ein Mädchen zu sein. Ich habe noch nie erlebt, dass Jungs sich Stunden vor einer Party treffen um sich gemeinsam fertig zu machen.

Ich ziehe mir mein Petticoatkleid an und richte noch einmal meine Frisur.
"Woah Kali, du siehst echt toll aus! " Jenny überschlägt sich fast vor Begeisterung. Ich werfe ihr eine Kusshand zu. "Warte ab, bis du Kaiden siehst. Bruder hin oder her, er sieht atemberaubend aus mit Hemd und Hosenträgern!" Kichere ich.

Manchmal ist das Leben ein verflucht kitschiger Film. In dem Moment, als wir aus meinem Zimmer kommen,öffnet sich bei Kaiden die Tür und er, Shane- sagte ich vorhin, Kaiden sehe atemberaubend aus? Look at Shane, motherfucker. Ich stehe kurz vor der Schnappatmung! Und Marc und Tom treten aus dem Raum.
Schnell wende ich meinen meinen Blick von Shane ab und strahle meinen hübschen Bruder an.
Unten höre ich bereits unsere Eltern mit einigen Gästen sprechen.

Der Abend beginnt entspannt, gegen 20 Uhr eröffnen Jack und Kathrin das Buffet, bevor alle vom Begrüßungsdrink betrunken sind. Zwischen all dem mit fremden Menschen reden und mit meinen Mädels quatschen, vergesse ich fast die Zeit.
22 Uhr ziehe ich Kaiden am Arm.
"Ich hole jetzt mein Cello, du sammelst Mum und Dad ein."
Ich fliege regelrecht die Treppe hoch und schnappe mein bereitgestelltes Instrument. Vorsichtig schleiche ich mich in den Salon und setze mich auf mein Höckerchen neben den schwarzen Flügel, an dem Kaiden einen Moment später Platz nimmt.
Tatsächlich sind nach nicht einmal fünf Minuten so ziemlich alle Gäste versammelt. Nervös schaue ich mich kurz um und bemerke Shanes nachdenklichen Blick auf mir. Dann räuspert sich mein Bruder und reißt mich aus meinen Gedanken.
"Mum, Dad." Ich blicke sie lächelnd an und bitte sie in die Mitte der Tanzfläche. "Normalerweise feiert ihr diesen Tag ganz allein für euch. Aber heute ist es etwas mehr besonders als sonst...alles gute zum 20. Hochzeitstag!"
Shane beginnt zu spielen und ich setze zum perfekten Zeitpunkt ein. Ich sehe noch, wie Dad Mum zum Tanzen auffordert und sie zögernd die ersten Schritte zu ihrem Hochzeitstanz machen- wie vor genau 20 Jahren. Diesen Moment kennen Kaiden und ich nur von alten Videos, was den Moment jetzt auch für uns zu etwas besonderem macht. Ich schließe die Augen und gebe mich vollkommen der Musik hin.
Viel zu schnell ist das Lied vorbei und ich nicke Kaiden zustimmend zu, als die Gäste nach mehr verlangen. Kaiden lacht und beginnt zu spielen.