47.

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Das Geräusch von klapperndem Geschirr lässt mich aufschrecken. Verwirrt blinzele ich in das Sonnenlicht, dass durch die geöffneten Vorhänge in mein Gesicht scheint. Hatte ich die gestern Abend nicht geschlossen?
Ein mulmiges Gefühl breitet sich in mir aus und ich taste nach meinem Telefon auf dem Nachttisch, bemüht, kein Geräusch zu machen.
Schnell wähle ich Kaidens Nummer, doch er geht nicht ran. Frustriert beisse ich die Zähne zusammen und schwinge mich aus dem Bett. Ich greife nach dem Baseballschläger, den die Mädels mir aus Spaß geschenkt haben und auf Zehenspitzen bewege ich mich zur angelehnten Tür.
Der Geruch von frischen Brötchen, Kaffee und Spiegelei steigt in meine Nase. Ruckartig reisse ich die Tür auf und stürme durch das leere Wohnzimmer in die Küche, den Schläger bereits erhoben. Es ist zwar fraglich, welcher Einbrecher Frühstück macht, aber das fällt auch mir erst später auf.
Als ich die Person mit dem Rücken zu mir stehend entdecke, fällt der Holzstab zu Boden. Dabei fällt er zuerst auf meinen nackten Fuß und bevor das Klappern die Aufmerksamkeit meines Frühstücksgastes erringen kann, tut es mein Schmerzensschrei.
Genauso erschrocken wie ich dreht sich meine Mum zu mir.
"Kalista! Oh Gott, was hast du gemacht?!"
Sofort eilt sie zu mir, während ich wie zur Salzsäule erstarrt dastehe und sie anglotze.
Ihr Blick fällt auf den Schläger und dann auf meinen Fuß, der sichtlich angeschwollen ist.
"Was tust du hier, Mum?" frage ich heiser und humpele, von ihr gestützt zu einem der Stühle am Esstisch.
"Ich wollte mit dir gemeinsam frühstücken. Dein Vater ist bei einem Kunden und dein Bruder wird auch gleich rüberkommen."
"Sehr nett, dass so etwas mit mir abgesprochen wird. Ich habe mich fast zu Tode erschreckt, dass da einfach jemand bei mir in der Wohnung ist!"
"Es tut mir leid, daran habe ich nicht gedacht. Ich dachte, du freust dich einfach."
Anscheinend bemerkt sie so langsam die Distanz zwischen uns, doch bevor es merkwürdig wird, kommt Kaiden in das Zimmer spaziert.
"Guten Morgen ihr zwei!" flötet er fröhlich, doch an seinem Blick erkenne ich, dass ihm das Ganze genauso gegen den Strich geht wie mir. 
Eine Weile sitzen wir schweigend am Tisch und konzentrieren uns auf unser - zugegeben, wirklich gutes - Frühstück.
Zwischendurch erzählt Mum von irgendwelchen Dingen aus der Firma, doch ich höre nur mit dem halben Ohr zu.
Irgendwann bemerkt zumindest mein Bruder meinen abwesenden Blick auf die Uhr.
"Wolltest du dich nicht noch mit deinen Mädels treffen heute?!" fragt er, mitten in Mums Satz hinein.
"Ja. So gegen 12 wollten wir uns in der Stadt treffen."
"Schätzchen, es ist bereits 11 Uhr." zwitschert Mum dazwischen.
"Oh verdammt, dann muss ich euch jetzt wohl rausschmeißen und mich schnell fertig machen!" plappere ich los und will aufstehen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht und einem unterdrückten Fluchen lasse ich mich wieder auf den Stuhl fallen. 
"Was ist los?" fragt Kaiden, der von Mums und meinem ersten aufeinandertreffen heute Morgen natürlich nichts weiß.
"Ich habe mich erschrocken und mir ist der Baseballschläger auf den Fuß gefallen." Leidend schaue ich auf meinen Fuß, der mittlerweile leicht bläulich angelaufen ist.
"Damit solltest du einfach mal direkt zum Arzt, Schwesterherz."
"Klar, trägst du mich?"
"Immer doch. Aber erstmal solltest du dich umziehen."
Mit Kaidens Hilfe hopse ich also einbeinig in mein Schlafzimmer, um mich dann allein umzuziehen. Er hilft in der Zeit Mum, den Tisch abzuräumen.
Schließlich sitzen wir im neuen Auto unserer Eltern mit Kurs auf das Krankenhaus.
"Moment, die Uniklinik?!" merke ich auf, als Mum auf den Parkplatz einbiegt.
"Ja natürlich. Erst gestern stand ein sehr patenter junger Mann bei uns vor der Tür und fragte nach dir. Wir haben uns unterhalten und er erzählte mir, dass er Sportmedizin studiert und hier einen seiner Praxisteile absolviert. Großartig, oder?"
"Überhaupt nicht großartig! Sag mir bitte, dass du ihm nicht gesagt hast, wo ich wohne!"
"Warum nicht? Er scheint mir ein sehr vernünftiger junger Mann zu sein und du ignorierst ihn einfach so."
"Nicht einfach so, Mum! Du würdest doch auch nicht wollen, dass ich ausplaudere wo euer Safe steht oder irgendwas. Wenn ich gewollt hätte, dass er weiß wo ich wohne, hätte ich es ihm schon gesagt!"
"Ganz ruhig Kalista. Ich glaube nicht, dass Liam der Typ ist, der jetzt deine Tür belagern wird. und wenn doch rufst du mich einfach."
"Na klar, so wie heute  Morgen." gifte ich zurück, deutlich aggressiver als er es verdient hat.
"Entschuldige, dass auch ich mal auf die Toilette muss. Ich werde ab sofort auch dorthin mein Telefon mitnehmen." stichelt er und hilft mir, aus dem Wagen zu klettern. 
Mum eilt bereits voraus zur Anmeldung und hat davon nicht mehr viel mitbekommen.
"Was ist überhaupt passiert zwischen euch? Für Außenstehende sieht es nämlich wirklich nach einfach so aus."
"Was soll passiert sein? Er hat bekommen was er wollte und damit ist diese ganze Geschichte beendet. Dass ich mir irgendwas anderes ausgemalt habe, dafür kann er auch nichts."
Da ich nicht von Kaiden wegkomme, drehe ich nur den Kopf weg und beende so das Gespräch. Ich will nicht darüber sprechen, denn im Gegensatz zu dem was alle immer sagen, hilft es überhaupt nicht. Es tut verdammt weh, auch nur an ihn zu denken. Dass er mir jede Nacht den Schlaf raubt und in meinen Gedanken rum spukt macht es auch nicht einfacher.
"Hast du den Mädels schon Bescheid gegeben, dass du nicht kommst?"
"Wann denn?" maule ich zurück.
Kaidens Antwort geht in Mums Geplapper unter, denn mittlerweile haben auch wir den Warteraum erreicht.
"Dein Liam arbeitet heute leider nicht. Aber du solltest trotzdem gleich behandelt werden. Für irgendwas bezahlen wir die Ärzte ja schließlich."
War klar, dass Mum ihre wir-sind-privatversichert-und-wohlhabend-Karte zieht.
Wenig später wird mein Fuß schon geröntgt. Mum und Kaiden sind im Wartezimmer geblieben, sodass ich mich nicht auch noch mit deren Fragen und Einwürfen rumschlagen muss.
Der junge Arzt lächelt mich freundlich an. "Also, was genau ist passiert?"
"In Erwartung eines Einbrechers in meiner Wohnung heute Morgen bin ich mit dem Baseballschläger losgegangen und habe mich erschrocken, als ich meine Mum gesehen habe, da ich nicht mir ihr gerechnet habe. Der Schläger ist mir aus der Hand genau auf den Fuß gefallen." fasse ich kurz zusammen und beobachte, wie er sich ein Schmunzeln verkneifen muss.
"Begrüßt du immer so Deine Gäste?" fragt er grinsend, während er Dinge in den Computer eintippt.
"Nur die Ungebetenen." grinse ich und lasse mir von ihm helfen, zur Behandlungsliege zu kommen.
"Okay, gut zu wissen." lacht er, winkert mir zu und wendet sich dann wieder meiner Verletzung zu.  "Jedenfalls hast du Glück, nichts gebrochen. Nur bisschen gequetscht, das tut ein paar Tage weh, aber dafür gebe ich Dir Schmerzmittel mit. Natürlich nur nehmen, wenn es wirklich nicht anders geht und keinen Alkohol dazu. Das sollte ja klar sein. Ich werde dir den Fuß trotzdem noch stabilisieren und bandagieren, damit du ihn schonen kannst." Schon fängt er an, eine Schiene an meinen Fuß anzupassen und das Ganze dann mit Mullbinden einzuwickeln. Damit ich vorwärts komme, bekomme ich noch eine Gehhilfe ausgehändigt und bin damit entlassen.
"Tja Kaiden, damit musst du mich wohl zur Schule und so kutschieren." lache ich, nachdem Mum uns wieder zuhause abgesetzt hat.
Ganz und gar nicht überraschend musste sie spontan in die Firma. 
Er nickt und grinst dann. "Deine Mädels und ich haben übrigens beschlossen, dass ich dich jetzt in die Stadt fahre, ihr Kaffee trinken geht, Mädchensachen macht und heute Abend hole ich euch aus dem Kino ab. Ist das okay für dich?"
Ich schlinge meine Arme um seinen Hals und drücke ihm einen Knutscher auf die Wange. "Du bist einfach der beste Bruder der Welt!"
Er klopft sich selbst auf die Schulter und lacht. "Ich weiß."

HeartracerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt