13.

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Montag. Eigentlich hasse ich Montage. Nein okay, nicht eigentlich. Ich hasse Montage. Stöhnend kämpfe ich mich aus meinem Bett, durch meine Badezimmerroutine und den Kleiderschrank.

Shane und ich waren erst spät wieder zurück, wir haben noch lange dem Rauschen der Wellen zugehört, in die Sterne gesehen, und uns immer wieder zwischendurch kleine Sachen erzählt. Alles in allem- es war perfekt. Absolut unaufgeregt und entspannt.

Ich schlurfe in die Küche, lasse mich auf meinen Platz fallen und beginne, mein Müsli in mich reinzuschaufeln. Erst als ich fast fertig bin, kommt Kaiden runter und sieht mich erstaunt an.
"Wann bist du denn gestern nach Hause gekommen?"
Ich zucke mit den Schultern. "Spät irgendwann."
"Aber du hast ihn am Leben gelassen?"
"Warum sollte ich nicht? Weil er sein Date nachholen wollte?"
"Es zählt also als Date?" lacht er leise.
"Keine Ahnung, in jedem Fall war es ein schöner Abend und gut ist. Und nein, es ist nichts weiter passiert. Selbst wenn, es ginge dich relativ wenig an, meine ich."
"Du bist gereizt, Schwesterherz."
"Natürlich bin ich das. Weil ich doofe Nudel ihm versprochen habe, heute Abend zum Rennen zu kommen und ihm Glück zu wünschen. Irgendwie muss ich also unbemerkt dahinkommen, mich schnellstens wieder verkrümeln und verdammt nochmal ungesehen in den Evo steigen und die Scheisse gewinnen."
"Na, wenn es weiter nichts ist." Mit großen Augen lausche ich seiner weiteren Ausführung. "Du fährst mit deinem Audi ganz normal hin, ich bringe den Evo in die Nähe. Du holst ihn dir und ich laufe den Rest zur Strecke. Ich komme natürlich zum zuschauen hin. Und zurück schauen wir mal, wie viel Aufregung herrscht. Also ob ich bei Shane oder so dann nach Hause mitfahre oder den Audi hole. Okay?"
"Kaiden, du bist der beste Bruder, den die Welt je gesehen hat!" falle ich ihm um den Hals.

Etwas später rollen wir mit Shane auf der Rückbank auf den Schulparkplatz. Nach wie vor bekommen wir ziemlich viele komische Blicke. Anscheinend ist es auch nach einer Woche noch absurd, dass Shane bei uns mitfährt.
Lächelnd bewege ich mich zu meinen Freundinnen und wir wappnen uns für dieses absolut hochinteressanten, spannenden Schultag.
Doch ich bin immer nur mit einem halben Ohr dabei, sei es der Unterricht oder die Gespräche der Mädels. Warum bin ich ausgerechnet heute so dermaßen nervös?

Nach gefühlten Ewigkeiten ist der Tag vorbei und Kaiden, Shane und ich machen uns auf den Weg nach Hause. Auch Shane wirkt extrem angespannt, doch ich kann mich einfach nicht durchringen, mit ihm darüber zu reden, oder gar ihm Mut zuzusprechen.
Als er bei sich zuhause aussteigt verabschieden wir uns nur mit einem knappen Nicken und einem gemurmelten 'bis später'.

Mein Bruder seufzt genervt. "Ich weiß nicht, wie das mit euch beiden weitergehen soll, Lieblingsschwester."
Ich werfe ihm nur einen missbilligenden Blick zu. "Im Moment gar nicht. Erstmal muss ich diese Nacht überstehen und dann werden wir sehen, wie es weitergeht."
Kaiden grinst, als hätte er mich überlistet. "Du streitest also nicht ab, dass da was ist zwischen euch?"
"Hmpf." Was weiß ich denn. Ist da was? Wenn ja, was? 
Schweigend trennen sich unsere Wege im Haus. Jeder verzieht sich in sein Zimmer, wobei ich mich nur schnell umziehe und dann den Sportraum ansteuere. Zum Anspannung abbauen gibt es für mich fast nichts besseres als Kickboxen.
Zwei Stunden und unzählige Tritte und Schläge später schleppe ich mich ins Bad und genieße eine lange, heiße Dusche.
Nach einmal rundum-Wellness werfe ich mich auf die Couch und schalte den Fernseher ein. Mit dem unsinnigen Gedudel im Hintergrund döse ich ein.

Mein Weckerpiepsen reisst mich gottseidank aus dem Schlaf- dieser Traum war nicht erholsam, beruhigend und jugendfrei. Und vor allem mit Shane in der Hauptrolle. Sicherlich ist das alles Kaidens Schuld, weil er mir da irgendwas einreden will. Dass da was wäre. Eigentlich ziemlich absurd. Genervt schüttle ich den Kopf und tapse in das Zimmer meines Bruders.
"Na, von den Toten auferstanden, Schwesterchen?"
"Ja ja..." brumme ich nur und werfe ihm den Ersatzschlüssel für meinen Mitsubishi zu. "Du schickst mir dann einfach den Standort? Und sei vorsichtig, du weißt wie sensibel er ist."
"Kalista, es ist ein Auto... Aber ja, natürlich werde ich es mit Samthandschuhen anfassen. Ich mach dann mal los. Wir sehen uns nachher." Er drängt sich an mir vorbei und einige Minuten später höre ich das vertraute Motorgeräusch.
Ich atme tief durch und gehe in mein Zimmer, um mich umzuziehen. Ewig Zeit habe ich nämlich auch nicht mehr.

Ich stelle den Audi in der Nähe des Kirchplatzes ab und schicke meinem Bruder schnell den Standort. Mein Mitsubishi steht glücklicherweise nur eine Straße weiter. Trotzdem laufe ich schnell zum Startpunkt- einfach dem Lärm entgegen. Ein Wunder, dass die Polizei noch nicht aufgetaucht ist. Motoren heulen auf, Bässe wummern, lautes Stimmengewirr- eigentlich wie immer und überall. Tief atme ich ein und nehme diese besondere Atmosphäre in mich auf. Ein Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht. Ja verdammt, dieses ganze Ding macht mich glücklich. Ich gehe auf Adrian zu, der etwas abseits steht und alles beobachtet.
"Kalista! Da bist du ja, ich hatte schon Angst, du kommst nicht mehr."
"Quatsch. Und das Rennen geht doch eh erst in 20 Minuten los. Da kann ich auch so nochmal rumschauen oder nicht?"
"Klar, Hauptsache du verpennst deinen Start nicht. Das Rennen ist die Attraktion heute Abend. Das andere Rennen müsste gleich durch sein." Sein Blick schweift ab und fällt auf ein zierliches Mädchen neben mir. Beatrice? Was tut sie hier? Unter Adrians schüchternem Blick wird sie leicht rot und mir wird einiges klar. Ich habe mich schon gefragt, warum Adrian nicht so aufdringlich war wie die letzten Male, als wir uns gesehen haben.
"Hey Beatrice, schön dich zu sehen. Was machst du hier?"
"Oh Kalista, endlich ein bekanntes Gesicht. Ich weiß auch nicht, Normalerweise komme ich immer mit Stacy her, aber die ist ja noch weg, aber irgendwie wollte ich trotzdem da sein."
Ich grinse wissend und ziehe sie in Adrians Richtung. "Jaaaa, aber weißt du, ich wollte eigentlich nur kurz vorbeischauen. Ich hab noch was vor. Aber, das hier ist Adrian. Er ist nett." das 'Und heiß und soweit ich weiß single.' flüstere ich ihr zu, sodass er mich nicht hören kann. Leute verkuppeln? Kann ich. Nur bei mir selbst tue ich mich schwer. Selbst damals habe ich mehr als nur den Wink mit dem Zaunpfahl von Ethan gebraucht, um zu merken, dass er Interesse an mir hat. Ich schiebe die beiden nebeneinander, stelle sie gegenseitig vor und mache mich dann aus dem Staub. Schnell zu Shane und dann aber ganz flott zu meinem Wagen. Die Zeit drängt.

Wie zu erwarten war, ist Shane nicht allein. Er lehnt lässig an seinem BMW und lässt sich von leicht bekleideten Mädels anhimmeln.
Grinsend gehe ich auf ihn zu. "Na, du hast hier aber viele Glücksbringer..."
Erst zuckt er kurz zusammen und runzelt die Stirn, dann schaut er mich aber erleichtert an. "Mir reicht doch ein ganz bestimmter, das weißt du doch."
Unwillkürlich weiche ich seinem Blick aus und werde rot. Dann nehme ich ihn in den Arm, murmle etwas von 'viel Glück und pass auf dich auf." und mache mich schleunigst davon. 
Seine Rufe ignoriere ich und hoffe einfach nur von ganzem Herzen, dass er mir nicht hinterhergeht. Das wäre wirklich ungünstig.

Kaum lasse ich mich in den Sitz meines Mitsubishi fallen, höre ich das Signal, dass wir an den Start gehen müssen. Ich lasse das Fenster wieder hochfahren, meine Hände schmiegen sich fester um das Lenkrad und der Motor schnurrt wie eine dicke, zufriedene Katze. Okay, eine große Katze. Eher ein Löwe, dem man auf den Schwanz getreten ist. Ich ziehe meine Kapuze über und die Maske vors Gesicht, dann rolle ich zum Start.
Neben mir steht Shane mit seinem Wagen und ich bemerke, wie er zu mir rüber späht. Doch viel zu erkennen ist nicht. Ich habe ein anderes Oberteil als vorher an, eine Maske vor dem Gesicht und noch dazu abgetönte Scheiben. Niemand kann mich so erkennen. Nicht mal Kaiden könnte es mit Sicherheit sagen, wenn er es nicht wüsste. 
Der steht am Rand und nickt mir unauffällig zu. Ich weiß, dass er es nicht gutheißt, aber er unterstützt mich trotzdem und dafür bin ich ihm zutiefst dankbar.

Ich spiele leicht mit dem Gas, um meine Startbereitschaft anzuzeigen und höre, wie Shane dasselbe tut. Ein wohliger Schauer läuft über meinen Rücken und ich beginne zu lächeln. Jegliche Anspannung fällt von mir ab und ich bin hochkonzentriert.
Die karierte Fahne zwischen uns wird gehoben. 
Ich lege den ersten Gang ein.
Die Fahne beginnt, sich zu senken.
Ich halte den Atem an und lasse langsam die Kupplung kommen.
Die Fahne wird durchgeschwungen.
Ich gebe Gas.
Shane gibt Gas.
Das Rennen läuft.



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Irgendwie hat dieses Kapitel wieder ewig gedauert,  ich tu mich gerade sehr schwer damit, aber ich will, dass es weitergeht.

Wie stehts mit euch?

HeartracerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt